Die verblüffende Ausrichtung entfernter Quasare
von Stefan Deiters astronews.com
19. November 2014
Bei Beobachtungen mit dem Very Large Telescope der
europäischen Südsternwarte ESO haben Astronomen eine bemerkenswerte Entdeckung
gemacht: Offenbar sind die Rotationsachsen von supermassereichen Schwarzen
Löchern über Distanzen von Milliarden Lichtjahren parallel zueinander angeordnet
und scheinen zudem noch zu den Strukturen des kosmischen Netzes ausgerichtet zu
sein.

Veranschaulichung der jetzt entdeckten
Ausrichtung der Rotationsachsen von Quasaren und
des kosmischen Netzes.
Bild: ESO/M. Kornmesser [Großansicht] |
In den Zentren der meisten Galaxien vermuten Astronomen supermassereiche
Schwarze Löcher. Verschlingen diese Objekte mit einer hohen Rate Material aus
ihrer Umgebung, sammelt sich dieses zunächst in einer rotierenden Scheibe um das
Schwarze Loch.
Das Material in dieser sogenannten Akkretionsscheibe heizt sich
auf extreme Temperaturen auf, so dass die Zentren von Galaxien mit sehr
aktiven Schwarzen Löchern sehr hell erscheinen. Tatsächlich können sie
so hell werden, dass sie den gesamten Rest der Galaxie überstrahlen. Astronomen
nennen solche Objekte Quasare.
Damien Hutsemékers vom Institut d’Astrophysique et de Géophysique der
belgischen Université de Liège und sein Team haben mit dem Instrument FORS am
Very Large Telescope insgesamt 93 Quasare anvisiert, die ausgedehnte Gruppen
bilden, die sich über mehrere Milliarden Lichtjahre erstrecken. Aufgrund ihrer
Entfernung sehen wir die Quasare in einer Zeit, in der unser Universum nur
ungefähr ein Drittel seines jetzigen Alters hatte.
"Die erste Merkwürdigkeit, die uns auffiel, war, dass einige der
Rotationsachsen der Quasare zueinander ausgerichtet waren - obwohl diese Quasare
mehrere Milliarden Lichtjahre trennen", erläutert Hutsemékers. Das Team hat
anschließend überprüft, ob es zusätzlich noch einen Zusammenhang zwischen
Ausrichtung der Rotationsachsen und der großräumigen Struktur des Universums
geben könnte - des sogenannten kosmischen Netzes.
Die Quasare sind - genau wie normale Galaxien - im Universum nämlich nicht gleichmäßig verteilt: Es gibt
Bereiche, in denen sich zahlreiche Objekte finden und andere Regionen, in denen
nur sehr wenige Objekte zu sehen sind. So bildet die sichtbare Materie eine Art
kosmisches Netz aus Filamenten und Klumpen rund um riesige Leerräume.
Die neuen Beobachtungen mit dem Very Large Telescope deuten nun darauf hin,
dass die Rotationsachsen der Quasare parallel zu den großräumigen Strukturen
angeordnet sind, zu denen sie gehören. Befindet sich ein Quasar also in einem
bestimmten Filament, dann ist die Rotationsachse des Schwarzen Lochs entlang des
Filaments ausgerichtet. Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass die beobachtete
Ausrichtung nur ein Zufall ist, schätzen die Astronomen auf weniger als ein
Prozent.
"Eine Korrelation zwischen der Ausrichtung von Quasaren und der Struktur, zu
der sie gehören, ist eine wichtige Vorhersage numerischer Modelle zur
Entwicklung unseres Universums", ergänzt Dominique Sluse, der in Liège und am
Argelander-Institut für Astronomie in Bonn arbeitet. "Unsere Beobachtungsdaten
liefern den ersten experimentellen Beweis dieses Effekts auf Skalen, die viel
größer sind als alles, was bisher für normale Galaxien beobachtet wurde."
Die Astronomen haben indirekt auf die Ausrichtung der Rotationsachsen
geschlossen: Dazu haben sie die Polarisation des Lichts bei den Quasaren
gemessen und bei 19 Exemplaren tatsächlich auch ein deutlich polarisiertes
Signal gefunden. Zusammen mit weiteren Informationen ließ sich daraus der Winkel
errechnen, unter dem man auf die Akkretionsscheibe blickt und somit auch die
Ausrichtung der Rotationsachse des Quasars.
"Die Ausrichtung in den neuen Daten ist sogar auf größeren Skalen zu sehen,
als aktuelle Simulationen vorhersagen", so Sluse. "Das könnte ein Hinweis darauf
sein, dass es eine fehlende Zutat in unserem heutigen Modell des Universums
gibt." Über ihre Beobachtungen berichten die Wissenschaftler heute in der
Fachzeitschrift Astronomy & Astrophysics.
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