Erklärung für planetare Geisterfahrer?
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Wien astronews.com
10. November 2014
Aufgrund ihrer Entstehungsgeschichte sollten die Planeten
eines Systems alle den gleichen Umlaufsinn um ihren Zentralstern haben. Man hat
allerdings um andere Sterne schon Planeten entdeckt, die sich daran nicht
halten. Dank umfangreicher Simulationen könnten Astronomen nun auf eine
Erklärung für solche planetaren Geisterfahrer gestoßen sein.
Das Bild zeigt
Resultate einer hydrodynamischen Simulation:
Zwischen den beiden Scheiben bildet sich eine
markante Lücke. Der gezeigte Bereich durchmisst 600
Astronomische Einheiten.
Bild: Universität Wien [Großansicht] |
Astronomen haben bislang über 1.800 extrasolare Planeten entdeckt. Nach
gängiger Theorie entstehen die Planeten innerhalb einer riesigen Gas- und
Staubscheibe, die einen jungen, nur Millionen Jahre alten Stern umkreisen. Die
gewaltigen Scheiben von der Größe eines ganzen Planetensystems entstehen durch
die Drehbewegung der ursprünglichen Gaswolke, die sich zusammenzieht und dabei -
einer Eiskunstlauf-Pirouette gleich - sich immer schneller zu drehen beginnt.
Auch der Stern selber bildet sich aus diesen rotierenden Gasmassen.
Beobachtungen von extrasolaren Planeten haben jedoch überraschend gezeigt,
dass einige Planeten ihren Stern "falsch herum" umlaufen, also rückläufig sind.
Bisherige Erklärungsversuche für die rückläufigen Planeten nahmen an, dass sich
mehrere Planeten in einem Sonnensystem mittels ihrer Schwerkraft einem Tauziehen
aussetzen, infolge dessen sich ihre Bahnen in die Länge ziehen und gegenseitig
geneigt werden. Nach mehreren Hundert Millionen Jahren könnte dieser Prozess
dann dazu führen, dass sich Planeten schließlich auch in rückläufigen Bahnen
befinden.
Doch dies muss nicht die einzige Möglichkeit sein, um die rückläufigen
Planeten um andere Sterne zu erklären: "Wir haben mit neuen, aufwändigen
Modellrechnungen ein anderes Erklärungsmodell für diese rückläufigen Planeten
gefunden und bringen damit die Planeten-Entstehungstheorie auf völlig neue
Wege", so Eduard Vorobyov vom Institut für Astrophysik der Universität Wien. Mit
ihren Modellberechnungen zeigen die Forscher, dass sich sternproduzierende
Gaswolken im interstellaren Raum nicht isoliert zusammenziehen, sondern in einem
chaotischen Gasmedium eingebettet sind, das Wirbel in verschiedene Richtungen
aufweist.
Wenn eine Gaswolke sich zunächst in eine gewisse, wenn auch zufällige
Richtung zu drehen beginnt, so kann sie in ihrer Wanderung durch den
interstellaren Raum schon in Kürze in ein Gebiet gelangen, in dem außen herum
ähnliche Gasansammlungen in die entgegengesetzte Richtung strömen. "Solche
einzelnen Wolken fliegen durch ein turbulentes interstellares Medium gleich
einer Biene in einem Bienenstock", erklärt Eduard Vorobyov.
Dieser Ansatz bildete den Ausgangspunkt für die hydrodynamischen
Simulationsrechnungen des Teams, zu dem auch Manuel Güdel von der Universität
Wien und Douglas Lin von der University of California in Santa Cruz
gehören. Die Forscher unterwarfen eine sich zusammenziehende Gaswolke, die durch
ihre Drehbewegung bereits eine riesige Gasscheibe um den sich aufbauenden Stern
gebildet hatte, einer äußeren Gasströmung, die in der Gegenrichtung rotierte und
damit Kräfte auf die Scheibe übertrug.
In der Folge bildete sich in den äußeren Regionen eine verkehrt herum
rotierende Scheibe, und an der Übergangsstelle, wo sich die Kräfte noch die
Waage hielten, öffnete sich eine Lücke zwischen den beiden Scheiben. Die innere,
rechtsläufige Scheibe fiel nun weiter zum Stern und ließ diesen anwachsen,
während die äußere Scheibe danach in Stücke zerfiel, in denen sich später
Planeten bilden können. Diese würden dann zwangslos in die "verkehrte" Richtung
um den Stern laufen.
"Die weitere Umgebung der Stern- und Planetenentstehung ist also von größter
Wichtigkeit für den Aufbau eines Planetensystems; die Art, wie eine Gaswolke von
außen behandelt wird, kann den Charakter eines ganzen Planetensystems
bestimmen", resümiert Vorobyov. Die neue Theorie für rückläufige Planeten steht
damit aber erst am Anfang. Neu geplante Modellrechnungen sollen nun Aufschluss
über eine ganze Palette von möglichen Planetenanordnungen geben.
Über die Resultate ihrer Modellrechnungen berichten die Astronomen jetzt in
der Fachzeitschrift Astronomy & Astrophysics.
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