Neues Fenster ins junge Universum?
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Bonn astronews.com
27. Oktober 2014
Der Radioteleskopverbund ALMA in der chilenischen
Atacamawüste könnte Astronomen ein ganz neues Fenster ins junge Universum
öffnen. Ein Studie ergab nämlich jetzt, dass es mithilfe von ALMA und einer
neuen Methode möglich sein sollte, den Wasserstoffanteil von Galaxien
abzuschätzen, deren Licht über zwölf Milliarden Jahre zu uns unterwegs war.
Die Milchstraße
über dem ALMA-Teleskopverbund.
Foto: ALMA
(ESO/NAOJ/NRAO), C. Padilla [Gesamtansicht] |
Wissenschaftler der Universitäten Bonn und Cardiff sehen für Astrophysiker
gute Zeiten heraufziehen: Mit einer neuartigen Methode lassen sich detaillierte
Informationen über die Galaxien am Rande des Universums gewinnen. Das konnten
die Forscher in einer Simulation mit zwei der weltweit schnellsten Supercomputer
zeigen. Im Zentrum der neuen Beobachtungsstrategie steht das Radioteleskop ALMA.
Es steht in 5.000 Metern Höhe in der chilenischen Atacamawüste – an einem der
trockensten Orte der Erde.
Informationen über die Galaxien am Rande des Universums zu erhalten, ist
äußerst schwierig. Zu sehr "verdünnen" sich die Signale dieser Himmelsobjekte
bei ihrer viele Milliarden Jahre dauernden Reise durch das All. Besonders
kompliziert ist die Abschätzung, wie viel molekularer Wasserstoff in den
Galaxien vorhanden ist.
Molekularer Wasserstoff sendet so gut wie keine Strahlung aus. Doch
Astrophysiker interessieren sich gerade für die Menge dieses Elements:
Molekularer Wasserstoff ist der Grundbaustein für neue Sterne. Je mehr davon in
den Gaswolken einer Galaxie enthalten ist, desto mehr Sterne entstehen dort
also.
Astrophysiker bedienen sich daher momentan eines Tricks, um die Menge
molekularen Wasserstoffs zu bestimmen: Sie messen stattdessen die
Kohlenmonoxid-Menge in den Wolken - Kohlenmonoxid leuchtet weitaus stärker als
molekularer Wasserstoff. Mit einem komplexen Verfahren lässt sich aus dem
Kohlenmonoxid-Signal die Wasserstoff-Menge abschätzen. Diese Methode ist
allerdings ungenau und fehleranfällig.
"Wir konnten zeigen, dass sich die Strahlung neutralen Kohlenstoffs viel
besser dazu eignet, weit entfernte Galaxien zu beobachten", beschreibt Dr.
Padelis Papadopoulos von der Universität Cardiff die Resultate der jetzt
vorgestellten Untersuchung. "Die Messwerte erlauben eine sehr genaue
Abschätzung, wie viel molekularer Wasserstoff vorhanden ist."
Leider wird die Strahlung neutralen Kohlenstoffs nahezu komplett von der
Erdatmosphäre absorbiert. Schuld ist der Wasserdampf in der Luft - er wirkt
gegenüber dem Kohlenstoff-Signal wie eine starke Sonnenbrille. Seit einiger Zeit
gibt es jedoch in der chilenischen Atacamawüste ein neues Radioteleskop, das Atacama
Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA). Dort in 5.000 Metern Höhe ist
es so extrem trocken, dass das Teleskop die Kohlenstoff-Strahlung ohne Probleme
auffangen kann.
"Nach unseren Berechnungen kann ALMA Galaxien detektieren, deren Signal mehr
als zwölf Milliarden Jahre zu uns unterwegs war", erläutert Matteo Tomassetti,
der als Doktorand an der Universität Bonn an der Untersuchung beteiligt war.
"Was noch wichtiger ist: Wir können erstmals genau bestimmen, wie viel
molekularer Wasserstoff in diesen Galaxien vorhanden ist."
Der Bonner Astrophysiker Professor Dr. Cristiano Porciani spricht von einem
neuen Fenster zum jungen Universum. "Unsere theoretische Arbeit wird bedeutende
Auswirkungen auf die beobachtende Astronomie haben", betont er. "Sie wird uns
helfen, den mysteriösen Ursprung der Galaxien besser zu verstehen."
Der Erfolg ist auch ein Resultat europäischer Zusammenarbeit: Für die
Simulation nutzten die Wissenschaftler zwei extrem schnelle Supercomputer der
Universitäten in Edinburgh und Oslo. Dass sie auf diese Rechnerkapazitäten
zurückgreifen konnten, verdanken sie einer europaweiten Initiative zur Bündelung
von Rechenleistung (Partnership for Advanced Computing in Europe, PRACE).
Über ihre Untersuchung berichten die Astronomen jetzt in einem Fachartikel
in der Zeitschrift Monthly Notices of the Royal Astronomical Society Letters.
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