Wie der Ozean der Stürme entstand
von Stefan Deiters astronews.com
7. Oktober 2014
Der Oceanus Procellarum, der Ozean der Stürme, ist das
größte aller Mondmeere. Für seine Entstehung wurde lange Zeit ein gewaltiger
Einschlag auf dem Erdtrabanten verantwortlich gemacht. Das Mondmeer wäre damit
der größte Einschlagkrater auf dem Mond. Die Auswertung von Daten der
GRAIL-Mission hat nun bestätigt: Der Ozean der Stürme muss anders entstanden
sein.
Topographische Karte des Mondes, auf der die
von GRAIL entdeckten Gravitationsanomalien in
blau eingetragen sind.
Bild: NASA / Colorado School of Mines /
MIT / GSFC / Scientific Visualization Studio
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Könnte das gewaltige Mondmeer Oceanus Procellarum, der Ozean der Stürme,
durch den Einschlag eines Asteroiden in der Frühphase der Mondgeschichte
entstanden sein? Wäre dies der Fall, dann wäre dieses Mondmeer das größte
Einschlagbecken auf dem Erdtrabanten.
Doch es gab schon länger Zweifel an dieser Entstehungsgeschichte und diese
wurden jetzt durch die Auswertung von Daten der NASA-Mission Gravity
Recovery and Interior Laboratory (GRAIL) bestätigt. Die Messungen der
beiden Sonden zeigten nämlich, dass das rund 2.600 Kilometer durchmessende
Mondmeer eher "eckig" ist und nicht - wie bei einem Einschlag zu erwarten
gewesen wäre - rund oder oval.
"Die der Erde zugewandte Seite des Mondes wird schon seit Jahrhunderten
erforscht, hält aber für Wissenschaftler mit den richtigen Instrumenten noch
immer Überraschungen bereit", freut sich Maria Zuber vom Massachusetts
Institute of Technology, die verantwortliche Wissenschaftlerin der
GRAIL-Mission. "Wir interpretieren die von GRAIL entdeckten
Gravitationsanomalien als Teile des lunaren Magmaleitungssystems, durch das Lava
während urzeitlicher vulkanischer Eruptionen an die Oberfläche gelangt ist."
Die Region des Ozeans der Stürme ist eine sehr flache Region mit einer
einzigartigen mineralogischen Zusammensetzung, die von zahlreichen alten
Vulkanebenen geprägt ist. Mithilfe der Schwerefeld-Daten von GRAIL haben die
Wissenschaftler nun Grabenstrukturen in der Mondkruste entdeckt, die unter den
dunklen vulkanischen Ebenen verborgen sind.
Informationen über das Schwerefeld des Mondes sammelten die GRAIL-Sonden,
indem sie mithilfe von Radiosignalen ständig ihren Abstand voneinander auf
wenige Mikrometer genau bestimmten. Der Abstand kann sich beispielsweise ändern,
wenn eine der Sonden durch eine Massenkonzentration stärker angezogen wird als
die andere Sonde. Bei solchen Massenkonzentrationen kann es sich um sichtbare
Strukturen wie Gebirge oder aber um verborgene Massenansammlungen unter der
Oberfläche handeln. Die Mission endete im Dezember 2012 durch den Sturz der
Sonden auf den
Mond.
"Das rechteckige Muster der Gravitationsanomalien hat uns komplett
überrascht", so Jeff Andrews-Hanna von der Colorado School of Mines in
Golden. "Mithilfe der Gradienten in den Gravitationsdaten können wir nun das
rechteckige Muster der Anomalien sehen und ganz deutlich Strukturen erkennen,
die sich bei Oberflächenbeobachtungen nur angedeutet haben."
Die rechteckige Form widerspricht der These, dass dieses Mondmeer durch einen
Einschlag entstanden ist. Dann hätten die Strukturen nämlich eher kreisförmig sein
müssen. Die Wissenschaftler vermuten stattdessen, dass der Ozean der Stürme
stark von Entwicklungen im Inneren des Mondes beeinflusst wurde. So gab es in
diesem Bereich einen höheren Anteil radioaktiver Elemente in Kruste und Mantel, die für eine
zusätzliche Erwärmung sorgten, so dass sich die Region später abgekühlt hat als
umliegende Bereiche. Als die Temperatur dann aber doch zurückging und sich die
Kruste zusammenzog, entstanden gewaltige Risse in der Kruste, ganz
ähnlich wie in trocknendem Schlamm.
"Unsere Gravitationsdaten eröffnen ein ganz neues Kapitel in der Geschichte
des Mondes, in der der Mond ein deutlich dynamischerer Ort war, als es die
verkraterte Oberfläche vermuten lässt, die man mit bloßem Auge sieht", so
Andrews-Hanna. "Es wird noch einiges an Arbeit nötig sein, um die genaue Ursache
für dieses Muster aus Gravitationsanomalien zu finden und deren Bedeutung für
die Geschichte des Mondes zu bewerten."
Über ihre Ergebnisse berichteten die Forscher in der vergangenen Woche online
in der Wissenschaftszeitschrift Nature.
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