Ein ganz neuer Blick auf das Universum
von Stefan Deiters astronews.com
23. September 2014
Deutschlands Astronomen treffen sich in dieser Woche in
Bamberg zu ihrer jährlichen Herbsttagung. Am ersten Tag standen traditionell
Preisverleihungen auf dem Programm: Die angesehene Karl-Schwarzschild-Medaille
erhielt Margaret J. Geller, deren Arbeit unsere heutige Sicht auf das Universum
wesentlich beeinflusst hat. Sie entdeckte, dass Galaxien großräumig nicht
gleichmäßig im All verteilt sind.

Margaret J.
Geller erhielt die Karl-Schwarzschild-Medaille
der Astronomischen Gesellschaft.
Foto: Stefan Deiters

Ausgezeichnete
Arbeit:
Ein Schnittbild
durch die Galaxienverteilung in einem Teil des
Himmels (nach einer Abbildung aus der
Original-Publikation von M. J. Geller & J. P. Huchra, Science 246, 897 (1989)).
Bild: idw / Astronomische Gesellschaft
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Mehr als 350 Astronomen aus dem In- und Ausland treffen sich in dieser Woche
in Bamberg zur 87. Jahrestagung der Astronomischen Gesellschaft (AG). Das
Treffen der deutschsprachigen Astronomen ist bereits zum dritten Mal zu Gast in
der Weltkulturerbe-Stadt an der Regnitz - allerdings wird sich an die letzten Treffen
wohl kaum jemand der Anwesenden mehr erinnern können: Sie fanden
nämlich in den Jahren 1896 und 1957 statt. Das Thema der diesjährigen Tagung
lautet "Der variable Himmel - von kleinen Veränderungen bis zu riesigen
Explosionen".
Thematisch lassen sich unter diesem Motto praktisch alle astronomischen
Interessensgebiete irgendwie unterbringen, was bei einer Tagung, die alle
Astronomen ansprechen soll, natürlich von gewisser Bedeutung ist. Gleichzeitig
ist das Motto aber auch eine Erinnerung an die Geschichte der örtlichen Dr.-Remeis-Sternwarte,
deren 125-jähriges Bestehen in diesem Jahr Anlass für die AG war, nach Bamberg
zu kommen. Hier hat man sich nämlich viele Jahrzehnte lang mit veränderlichen
Sternen beschäftigt.
Traditionell beginnen die Tagungen der AG mit der Verleihung der höchsten
Auszeichnung, die diese Vereinigung der deutschsprachigen Astronomen zu vergeben
hat: der Karl-Schwarzschild-Medaille. Die Preisträgerin kommt in diesem Jahr aus
den USA: Mit Margaret J. Geller vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics
in Cambridge wurde eine Wissenschaftlerin ausgezeichnet, deren Arbeit unseren
Blick auf die großräumige Struktur des Universums maßgeblich beeinflusst hat.
In ihrem Vortrag berichtete Geller anschaulich über ihre Forschungen: Lange
Zeit
hatten alle Astronomen angenommen, dass die Galaxien im Universum relativ gleichmäßig
verteilt sind. Als Geller und ihr Kollege John Huchra jedoch genauer hinschauten,
erlebten sie eine Überraschung: Die Anordnung der Galaxien glich einer Art
kosmischem Netz mit gewaltigen Leerräumen, sogenannten Voids. Zudem entdeckte
Geller
die größte damals bekannte Struktur im Universum - die große Mauer, ein Netzwerk
von Galaxien mit einer Länge von mehr als 500 Millionen Lichtjahren.
"Diese bemerkenswerte Entdeckung markierte den Ausgangspunkt für viele
moderne Beobachtungsprogramme wie den berühmten Sloan Digital Sky Survey
oder die sehr beeindruckenden kosmologischen Simulationen mit
Supercomputern", wird Andreas Burkert, Präsident der Astronomischen
Gesellschaft, in einer Pressemitteilung zitiert. "Die Studien von Margaret
Geller und ihren Kollegen waren der erste Schritt um zu verstehen, dass die
großräumige Struktur des Universums aus den winzigen Dichteschwankungen in der
kosmischen Hintergrundstrahlung kurz nach dem Urknall entstanden sind."
Ihren Vortrag nutzte Geller auch für einen Apell an ihre Kollegen: Man müsse
jungen Wissenschaftlern heute mehr Möglichkeiten geben, eigenen, vielleicht auch
unkonventionellen Ideen zu folgen. So sei sie sich sicher, dass das größte
Rätsel der Astronomie, nämlich die Klärung der Frage, um was es sich bei der
Dunklen Materie eigentlich handelt, irgendwann von einer "kreativen jungen Person" gelöst
werden wird. Sie selbst hätte immer das Glück gehabt, ihrer Leidenschaft
folgen zu können und hatte damit, wie der heute vergebene Preis und auch viele andere
Auszeichnungen zeigen, großen Erfolg.
Ein Schwerpunkt der Tagungen der Astronomischen Gesellschaft ist traditionell
die Förderung der jungen Astronomengeneration, so dass am Dienstagmorgen auch
mehrere Preise an junge Wissenschaftler verliehen wurden. Der Ludwig-Biermann-Förderpreis für herausragende Nachwuchsforscher ging an Stephan Geier
von der ESO in Garching, der Doktorandenpreis an Christian Fromm aus Bonn und
der Sonderpreis "Jugend forscht" an eine Schülergruppe der Goetheschule Wetzlar.
Den Bruno-H.-Bürgel-Preis für außergewöhnliche Leistungen in der
Öffentlichkeitsarbeit schließlich erhielt Ulrich Bastian aus Heidelberg.
Nach dem ersten Vormittag mit den Preisverleihungen beginnt nun das reguläre
Tagungsprogramm. Neben zahlreichen Übersichts- und Highlight-Vorträgen von
renommierten Wissenschaftlern sind die sogenannten Splinter-Treffen ein
wichtiger Bestandteil der AG-Tagung: In kleinerem Rahmen werden hier speziellere
Themen diskutiert und neue Arbeiten vorgestellt. Sie sind vielfach auch ein
Forum für junge Astronomen, die mit ihren Diplom- und Doktorarbeiten zum ersten
Mal vor ein größeres Fachpublikum treten und so Erfahrungen im Präsentieren von
wissenschaftlichen Ergebnissen sammeln können.
Eine weitere Tradition von AG-Tagungen ist es, einen öffentlichen
Abendvortrag für das allgemeine Publikum am jeweiligen Tagungsort zu
veranstalten. In diesem Jahr wird der Heidelberger Astrophysiker Joachim
Wambsganß über ein Thema berichten, das wohl keinen unberührt lässt: die Suche
nach der zweiten Erde. Der Vortrag findet am Donnerstag, 25. September, um 20 Uhr
im großen Hörsaal MG1 in der Markusstraße 8a in Bamberg statt.
Die Astronomische Gesellschaft wurde 1863 in Heidelberg gegründet und war bis
nach dem Ersten Weltkrieg die einzige größere internationale astronomische
Vereinigung. Diese Rolle übernahm später die Internationale Astronomische
Union (IAU). Heute ist die AG ein Zusammenschluss von Astronomen aus den
deutschsprachigen Ländern und setzt sich verstärkt für die Förderung jüngerer
Wissenschaftler, für die Vernetzung von Astronomen und die Öffentlichkeitsarbeit
ein.
Von der AG-Tagung berichten astronews.com und andere auch bei Twitter. Der
Hashtag ist #agtagung. astronews.com kann man bei Twitter unter
@astronews folgen.
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