Blasenfreies Zapfen im Erdorbit
Redaktion
/ Pressemitteilung des DLR astronews.com
12. September 2014
Auf der Internationalen
Raumstation ISS wurden in dieser Woche eine Reihe von Experimenten erfolgreich
abgeschlossen, mit deren Hilfe das Tanken im All einmal deutlich besser
funktionieren könnte. Eines der wichtigsten Ergebnisse der Versuche: Die
theoretischen Modelle der Forscher über das Strömungsverhalten in
Schwerelosigkeit haben sich bestätigt.

Das CCF-Experiment: Zu erkennen sind das
Experimentmodul mit dem Strömungskanal (in
schwarz), die Kameras, die das Signal direkt zum
Boden übertragen und der Steuerungscomputer
(silberfarben).
Foto: NASA [Großansicht] |
Blasenfrei Treibstoff zapfen: Das ist kein Problem an der Tankstelle um die
Ecke - sehr wohl aber im Weltraum, wo es keine Schwerkraft gibt. In dieser Woche
ging die vierte und letzte Experimentserie des Strömungsexperimentes
Capillary Channel Flow (CCF) auf der Internationalen Raumstation ISS zu
Ende, die am 5. August 2014 begonnen hatte.
In dem Kooperationsprojekt der US-amerikanischen Luft- und Raumfahrtbehörde
NASA und des Raumfahrtmanagements des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt
(DLR) haben Wissenschaftler das Strömungsverhalten von Flüssigkeiten unter
Schwerelosigkeit erforscht, um wichtige Erkenntnisse für die
Raumfahrttechnologie, aber auch für Anwendungen auf der Erde - etwa in der
Biomedizin - zu gewinnen.
Bei allen Systemen an Bord von Weltraumfahrzeugen, die eine Flüssigkeit
enthalten, wie etwa Trinkwasserbehälter, Toiletten oder Treibstofftanks, können
Probleme durch die Bildung von Luftblasen entstehen. Im Benzintank eines Autos
kann dies nicht passieren, denn durch die Erdschwerkraft sammelt sich der
Treibstoff immer am Boden des Tanks. So kann er zum Motor gepumpt werden, ohne
dass Luft mit eingesogen wird.
In einem Raumfahrzeug jedoch kann der Treibstoff im Tank aufgrund der
Schwerelosigkeit unkontrolliert umherschwappen. An welcher Stelle im Tank
befindet sich dann der restliche Treibstoff? Wie kann er unter diesen
Bedingungen sicher zu den Steuerdüsen transportiert und die Treibstoffleitungen
blasenfrei gehalten werden?
Zurzeit wird das Problem dadurch gelöst, dass die Tanks einfach größer
konstruiert sind und mehr Treibstoff eingefüllt wird, als eigentlich benötigt
wird. Hierdurch erhöhen sich jedoch das Gewicht und das Volumen der
Raumfahrzeuge und damit auch die Kosten für den Start. Eine andere Möglichkeit
besteht darin, spezielle kanalartige Strukturen in die Tanks einzubauen, die den
Treibstoff durch Kapillarkräfte zum Tankauslass befördern, wo er dann abgepumpt
werden kann.
Genau hier setzt das CCF-Experiment an: Wissenschaftsteams unter Leitung von
Prof. Michael Dreyer vom ZARM-Institut der Universität Bremen und von Prof. Mark
Weislogel von der Portland State University untersuchen damit, wie sich
unterschiedliche Formen von Treibstoffkanälen und Pumpgeschwindigkeiten auf den
Flüssigkeitsstrom auswirken.
Im Fokus der aktuellen Experimentkampagne stand vor allem das Phänomen der
Wellenbildung auf den Kanälen. Ziel war es herauszufinden, ob das Entstehen von
Wellen auf der Oberfläche der Flüssigkeit in Zusammenhang steht mit der
Stabilität der Flüssigkeitsströmung. Außerdem untersuchten die Wissenschaftler
noch einmal genau, wie die Trennung von Gasblasen und Flüssigkeit unter
Schwerelosigkeit funktioniert. Während der gesamten 37-tägigen Kampagne wurde
die CCF-Experimentanlage von Kontrollräumen in Bremen und Portland aus
ferngesteuert betrieben.
Das CCF-Experiment wurde insgesamt nahezu sechs Monate lang erfolgreich auf
der Internationalen Raumstation ISS betrieben und hat eine enorme Fülle von
Daten geliefert. Obwohl diese noch nicht alle ausgewertet sind, steht das für
praktische Anwendungen wichtigste Ergebnis schon jetzt fest: Die theoretischen
Modelle zur Berechnung des Verhaltens von Strömungen in Kapillarkanälen unter
Schwerelosigkeit, welche die Forscher bereits im Vorfeld entwickelt hatten,
konnten durch die Experimente voll bestätigt werden.
Damit ist es jetzt möglich, das Strömungsverhalten mittels Computerprogrammen
zuverlässig zu berechnen. Außerdem konnten die Wissenschaftler in Tests
nachweisen, dass Luftblasen, die bereits in der Strömung vorhanden sind, durch
bestimmte Kanalformen auch in Schwerelosigkeit automatisch entfernt werden.
Die Grundlagen, die das CCF-Experiment liefert, können zukünftig dazu dienen,
das Design von Raumfahrzeugen zu optimieren und dadurch Kosten einzusparen. Die
bessere Treibstoffverfügbarkeit würde außerdem die Lebensdauer von Satelliten
verlängern, weil sie länger auf ihrer Position gehalten werden können. Besonders
bei wiederzündbaren Raketenoberstufen ist es wichtig, dass sich der Treibstoff
zur richtigen Zeit am richtigen Ort befindet, damit die Mission ihr Ziel
erreicht. Aber auch auf der Erde könnten die Erkenntnisse von Interesse sein,
etwa bei der Verbesserung der Flüssigkeitsströmungen in sogenannten Bio-Chips
für biologische Gesundheits-Screening-und Analysemethoden.
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