Messier 54 und das Lithium-Problem
von Stefan Deiters astronews.com
10. September 2014
Auf den ersten Blick scheint Messier 54 kein besonderer
Kugelsternhaufen zu sein, sondern gleicht den anderen Objekten dieser Art in der
Milchstraße. Allerdings gehört Messier 54 gar nicht zu unserer Heimatgalaxie,
sondern ist Teil eines kleinen Nachbarsystems. Für die Astronomen bietet sich
damit die Möglichkeit für Untersuchungen an einem außergalaktischen Objekt.

Der Kugelsternhaufen Messier 54.
Bild: ESO [Großansicht] |
In der Milchstraße kennt man rund 150 Kugelsternhaufen. Es handelt sich dabei
um gewaltige Ansammlungen von Sternen, die durch ihre gegenseitige
Anziehungskraft zusammengehalten werden. Die Haufen sind in der Regel sehr alt und
ungefähr zur selben Zeit entstanden, wie die Milchstraße selbst.
Messier 54 im Sternbild Schütze ist auch ein Kugelsternhaufen und wurde Ende
des 18. Jahrhunderts von Charles Messier entdeckt, der ihn als 54. Objekt in
seinen berühmten Katalog aufnahm. Lange Zeit hielt man Messier 54 für einen
Kugelsternhaufen der Milchstraße, 1994 allerdings stellte man fest, dass das
Objekt nicht zu unserer Heimatgalaxie, sondern zur Sagittarius-Zwerggalaxie
gehört, einer kleinen Nachbargalaxie der Milchstraße. Messier 54 ist rund 90.000
Lichtjahre von der Erde entfernt.
Messier 54 ist aber noch ein relativ nahes extragalaktisches Objekt und
eignet sich damit hervorragend für andere Untersuchungen: So haben Astronomen den
Sternhaufen jetzt mit dem Very Large Telescope anvisiert, um eines der Rätsel
der modernen Astronomie zu lösen: das sogenannte Lithium-Problem.
Man geht nämlich davon aus, dass der größte Teil des heute im Universum
vorhandenen Elements Lithium zusammen mit Wasserstoff und Helium während des
Urknalls entstanden ist. Astronomen konnten auch ausrechnen, wie viel Lithium im
frühen Universum vorhanden gewesen sein muss und wie viel sich davon heute in
alten Sternen nachweisen lassen sollte. Allerdings haben entsprechende
Untersuchungen bislang immer ergeben, dass sich in den Sternen drei Mal weniger
Lithium befindet als erwartet.
Das Problem wurde unlängst durch experimentelle Untersuchungen zur
Elemententstehung im Urknall noch einmal bestätigt (astronews.com
berichtete): Die Theorie scheint richtig zu sein, doch passen die
ermittelten Lithiumwerte in den Sternen nicht zu den vom Modell vorausgesagten
Lithiummengen.
Allerdings konnte man den Lithiumgehalt von Sternen bislang nur in Sternen
der Milchstraße ermitteln, so dass sich die Frage stellte, ob das
Lithium-Problem ein spezifisches Problem unserer Heimatgalaxie oder ein
allgemeines Problem ist. Alessio Mucciarelli von der Universität im
italienischen Bologna hat deswegen mit seinem Team mithilfe des Very Large
Telescope der ESO in Chile Messier 54 anvisiert und den Lithiumgehalt in einer
Auswahl von Sternen bestimmt.
Das Ergebnis: In den Sternen von Messier 54 ist der Lithiumgehalt
vergleichbar mit dem der Sterne der Milchstraße. Das Lithium-Problem scheint also
nicht auf die Milchstraße beschränkt zu sein. Über die Untersuchung berichten
die Astronomen in einem Fachartikel, der in der Zeitschrift Monthly Notices of
the Royal Astronomical Society erscheinen wird.
Die heute von der europäischen Südsternwarte ESO veröffentlichte Aufnahme von
Messier 54 wurde nicht mit dem Very Large Telescope, sondern mit dem
VLT Survey Telescope gemacht, das sich auch auf dem Gipfel des Paranal in Chile befindet.
Es zeigt außer Messier 54 auch noch zahlreiche Sterne der Milchstraße, die sich
zwischen uns und dem Kugelsternhaufen befinden.
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