Entfernung der Plejaden neu vermessen
von Stefan Deiters astronews.com
2. September 2014
Die Plejaden gehören zu den bekanntesten Objekten am
nächtlichen Himmel und sind schon mit bloßem Auge problemlos zu beobachten.
Doch darüber, wie weit dieser offene junge Sternhaufen von der Erde entfernt
ist, gab es bislang widersprüchliche Angaben. Nun haben Astronomen die Plejaden
mit einem Netzwerk aus
Radioteleskopen erneut anvisiert, um diese Frage endgültig zu
klären.

Die Plejaden zählen zu den bekanntesten
Objekten am Nachthimmel.
Bild: NOAO / AURA / NSF [Großansicht] |
Den Sternhaufen der Plejaden im Sternbild Stier hat sicherlich jeder schon
einmal am Himmel gesehen. Der Haufen ähnelt ein wenig der Konstellation des Kleinen
Wagens und wird daher hin und wieder mit diesem verwechselt. Bei den Plejaden
handelt es sich um einen rund 100 Millionen Jahre alten Sternhaufen.
Die hellsten Mitglieder sind deutlich massereicher als die Sonne und
erscheinen bläulich weiß. Die Plejaden werden auch das "Siebengestirn" genannt
und sind bei uns vor allem im Winter zu beobachten. Schon mit bloßem Auge lassen
sich zwischen fünf und neun Sterne erkennen - je nach Sehkraft. Insgesamt dürfte der Haufen
aus mindestens 1.200 Sternen bestehen. Am Himmel haben die Plejaden einen
Durchmesser von rund zwei Grad und damit eine Ausdehnung, die etwa dem
Vierfachen des Vollmonds entspricht.
Die Plejaden sind uns relativ nahe, was sie für die Astronomen zu einem
idealen Laboratorium machte, um die Entstehung und Entwicklunf von Sternen und Sternhaufen näher
zu untersuchen. Die Sterne der Plejaden dienen damit auch als Referenzobjekt für
weiter entfernte Systeme. Schon allein aus diesem Grund ist es sehr wichtig, die
Entfernung zu dem Sternhaufen möglichst genau zu kennen.
Bis in die 1990er Jahre war man sich in dieser Hinsicht auch relativ sicher:
Alle Messungen deuteten darauf hin, dass der junge Sternhaufen rund 430
Lichtjahre von der Erde entfernt ist. Doch dann startete die europäische
Weltraumagentur ESA ihren Astrometriesatelliten Hipparcos, der die
Entfernung zu zahlreichen Sternen mit ganz neuer Genauigkeit aus dem All
bestimmen sollte. Für die Plejaden lieferte Hipparcos eine
Entfernung von nur 390 Libhtjahren.
"Das mag nicht wie ein großer Unterschied aussehen, aber wenn man versucht,
die physikalischen Eigenschaften der Sterne der Plejaden zu verstehen, bekommt
man bei Verwendung der allgemein gültigen Modelle über die Entstehung und
Entwicklung von Sternen einige Probleme", erläutert Carl Melis von der
University in California in San Diego. "Um mit der Hipparcos-Entfernung klar zu
kommen, schlugen einige Astronomen sogar vor, dass in so jungen Sternen
irgendwelche unbekannten physikalischen Prozesse am Werk sein müssen."
Um die Frage nach der Entfernung der Plejaden nun endgültig zu klären, haben Melis und seine Kollegen neue Messungen mit
dem Very Long Baseline Array (VLBA) durchgeführt, einem Verbund aus
Radioteleskopen auf der ganzen Welt. Zu diesen zählen beispielsweise auch das
bekannte Arecibo-Radioteleskop in Puerto Rico oder das Radioteleskop Effelsberg
bei Bonn.
"Durch das Zusammenschalten dieser Teleskope hatten wir praktisch ein
Teleskop zur Verfügung, dessen Durchmesser der Größe der Erde entspricht",
erklärt Amy Miouduszewski vom National Radio Astronomy Observatory (NRAO). "Auf
diese Weise waren uns extrem genaue Positionsmessungen möglich."
Für ihre Untersuchung bestimmten die Astronomen die Parallaxe verschiedener Plejaden-Sterne.
Dazu beobachtet man, wie sich ein Stern in Bezug auf deutlich weiter
entfernte Objekte verschoben hat, nachdem ein halbes Jahr vergangen ist und sich die Erde somit am entgegengesetzten Punkt ihres Orbits
um die Sonne befindet. Es handelt sich um das genauste Verfahren zur Entfernungsbestimmung,
da dazu keine weiteren Annahmen nötig sind, sondern lediglich einfache
trigonometrische Rechnungen.
Die Messungen ergaben, dass die Plejaden 443 Lichtjahre von der Erde entfernt
sind - und dies mit einer Genauigkeit von einem Prozent. Es handelt sich damit
um die bislang genaueste Entfernungsbestimmung für die Plejaden. "Das ist eine
Erleichterung", so Melis. Der jetzt ermittelte Wert passt nämlich hervorragend
zu den früheren Messungen und damit auch zu den gängigen Modellen über
Sternentstehung und -entwicklung. "Die Frage ist jetzt nur, was ist damals bei
Hipparcos passiert?"
Der Satellit hatte während seiner vierjährigen Mission die Entfernungen von
etwa 118.000 Sternen vermessen. Warum die Werte bei den Plejaden so fehlerhaft
sind, ist den Forschern bislang ein Rätsel. Unlängst hat die Nachfolgemission
von Hipparcos, der ESA-Astrometriesatellit Gaia, seine Arbeit aufgenommen. Er
soll Entfernungen für rund eine Milliarde Sterne liefern.
"Netzwerke von Radioteleskopen wie das, was wir für die Plejaden benutzt
haben, ermöglichen eine wichtige unabhängige Überprüfung, um so die Genauigkeit der Gaia-Messungen
sicherzustellen", so Mark Reid vom Harvard-Smithsonian Center for
Astrophysics.
Über ihre aktuellen Beobachtungen berichteten die
Wissenschaftler im Fachmagazin Science.
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