Landeplatzsuche für Kometenlander Philae
Redaktion
/ Pressemitteilung des DLR astronews.com
21. August 2014
Die Suche nach einem Landeplatz für den Kometenlander Philae
geht in die erste entscheidende Phase: Bis Sonntag sollen die fünf möglichen
Landestellen feststehen, die in den kommenden Wochen dann noch gründlicher unter
die Lupe genommen werden. Eine endgültige Entscheidung über den Landeplatz muss
bis zum 14. September fallen.
Dieses Bild des Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko
wurde am 19. August 2014 von der
Navigationskamera (NavCam) an Bord der Raumsonde
Rosetta aus etwa 79 Kilometern Entfernung zum
Kometen aufgenommen.
Bild: ESA / Rosetta / NAVCAM [Großansicht] |
Wenn der Lander Philae sich seine Landestelle auf Komet
Churuymov-Gerasimenko selbst schaffen könnte, wäre es ein Platz auf ebenem, aber
dennoch wissenschaftlich spannendem Gelände, mit genügend Sonne und Bedingungen,
die eine lange "Lebensdauer" für ihn möglich machen. Doch der schroffe,
ungewöhnlich geformte Komet macht es dem Lander und seinem Team nicht so einfach
mit der Auswahl: Bis zu fünf mögliche Landestellen wird das Konsortium unter
Leitung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) bis Sonntag
auswählen, um diese noch einmal ganz genau unter die Lupe zu nehmen. Am 25.
August werden die Kandidaten für die Landung bekanntgegeben.
Am 11. November 2014 soll das Landegerät der europäischen Rosetta-Mission
dann - gesteuert und betrieben durch das Lander Control Center (LCC)
des DLR in Köln - die erste Landung auf einem Kometen überhaupt durchführen.
"Wir müssen bei der Auswahl der Landesstelle viele Kriterien berücksichtigen und
gegeneinander abwägen", sagt DLR-Wissenschaftler Dr. Stephan Ulamec, der
Projektleiter für Philae. "Dabei gibt es sicherlich keinen perfekten
Landeplatz - den findet man in der Wirklichkeit nie. Es soll aber der beste
Landeplatz sein, den es auf dem Kometen gibt."
Das Team aus DLR, der französischen Raumfahrtagentur CNES und den
verschiedenen leitenden Wissenschaftlern für die Instrumente des Landers
diskutieren deshalb zurzeit die Für und Wider für verschiedene Landeplätze.
Dafür liefert das DLR unter anderem die Informationen, was der jeweilige
Landeplatz für den Lander selbst bedeuten würde: Reichen die Sonnenstunden,
beispielsweise um die Batterien für den wissenschaftlichen Betrieb aufzuladen,
und in welchem Zeitraum haben diese wieder genügend Energie? Wie wirken sich die
Temperaturen vor Ort auf Philae aus: Kann der Lander überhitzen oder unter Kälte
leiden?
Die übrigen Partner liefern Informationen beispielsweise zu den Flugbahnen
von Orbiter und Lander oder zu der Menge an Sonnenlicht, die den Lander am
jeweiligen Standort erreichen wird. Basis für diese Einschätzungen sind die
Aufnahmen der Kameras an Bord des Orbiters, die Form und Oberfläche des Kometen
zeigen. Aber auch Instrumente wie VIRTIS an Bord von Rosetta konnten
schon Informationen wie die durchschnittliche Temperatur an der
Kometenoberfläche liefern. Erste Daten liegen auch bereits für die Rotation des
Kometen, seine Hülle aus Gas und Staub oder das Ausmaß des Ausgasens vor.
Dabei wird die erste Auswahl von nicht mehr als fünf möglichen Landeplätze
schwierig genug: Der Komet, der aus zwei miteinander verbundenen Teilen besteht,
bietet wenig ebene, einheitliche Flächen, auf denen Philae sicher
landen könnte. Immerhin haben die sogenannten Lande-Ellipsen, in denen der
tatsächliche Landeort liegt, einen Radius von etwa 500 Metern: "Exakter können
wir den Landeplatz nicht kalkulieren", erklärt DLR-Wissenschaftler Ulamec. Da
ein Steuerungssignal von der Erde zum Lander über 30 Minuten benötigen würde,
muss Philae seine Landung nämlich selbst - automatisch über eine vorab
vom DLR programmierte Ablaufprozedur und ohne korrigierende Hilfe in Echtzeit
aus dem Kontrollzentrum - bewältigen.
Gebiete mit großen Steinbrocken oder Spalten will das Lander-Team deshalb
vermeiden, um das Risiko für Lander Philae möglichst gering zu halten.
Und auch wenn bei der Landung unverzüglich zwei Harpunen in den Kometengrund
geschossen werden, um Philae zu verankern - ein Hang mit einer Neigung
von mehr als 45 Grad würde dennoch für einen solchen Landeplatz ein
Ausschlusskriterium sein. "Wir wollen zudem auch nicht an einer Stelle landen,
an der entweder 24 Stunden Tag oder 24 Stunden Nacht herrschen", erläutert
Ulamec. Dies wäre für die Energieversorgung und die Temperatur des Landers
selbst ungünstig.
Nach einer ersten Phase, in der alle zehn Instrumente an Bord von Philae
mindestens einmal zum Einsatz kommen, soll der Lander möglichst lange über
Solarenergie versorgt werden. Diese zweite Phase würde dann weitere
wissenschaftliche Untersuchungen ermöglichen. Zudem wünschen sich auch die
wissenschaftlichen Nutzer einen Landeplatz mit einem Tag- und Nachtrhythmus, um
den Kometen unter möglichst verschiedenen Bedingungen zu erforschen.
Letztendlich wird die Auswahl ein stetes Abwägen bleiben: Wie sicher und
risikoarm soll die Landung sein? Oder soll man ein Risiko in Kauf nehmen und
somit vielleicht einen schwierigeren Landeplatz auswählen, bei dem aber die
Lebensdauer des Landers für die wissenschaftlichen Untersuchungen länger wäre?
Landet man beispielsweise in einem Krater am "Kopf" des Kometen, ist dort im
Inneren wohl sehr wahrscheinlich flaches Gelände - doch die Sonnenstunden sind
geringer als am Äquator von Churyumov-Gerasimenko.
Ist die Entscheidung für mögliche Landestellen am 24. August gefallen,
beginnt die Detailarbeit von neuem: Mit den jeweils aktuellsten Informationen
der Instrumente werden Berechnungen durchgeführt, ob diese Landestellen mit dem
Orbiter erreicht werden können, damit Philae schließlich zielsicher auf
den Kometen sinken kann. Bis zum 14. September 2014 muss dann die Entscheidung
fallen, welche beiden Landestellen ins Finale gehen.
Mitte Oktober steht dann fest: Wo wird Philae im November landen?
Nur wenn der Komet noch rund 450 Millionen Kilometer von der Sonne entfernt ist,
ist die Zeit für eine Landung am günstigsten. Schon in den vergangenen Monaten
hat Churyumov-Gerasimenko bei seinem Flug in Richtung Sonne unter Beweis
gestellt, wie aktiv er sein kann, wenn seine eisigen Bestandteile durch die
Hitze gasförmig werden und Staubteilchen mit ins All reißen.
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