Kometensonde hat ihr Ziel erreicht
Redaktion
/ Pressemitteilungen des DLR astronews.com
6. August 2014
Rosetta ist am Ziel: Am Vormittag fand die
entscheidende Zündung der Triebwerke der Kometensonde statt, durch die die Sonde
so abgebremst wurde, dass sie sich nun zusammen mit dem Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko
der Sonne nähert. Jetzt beginnt die Kartierung der Oberfläche des Kometenkerns
und die Suche nach einem Landeplatz für den Lander Philae.

Komet 67P/Churyumov-Gerasimenko aufgenommen
von Rosettas OSIRIS-Kamera am 3. August 2014 aus
einer Entfernung von 285 Kilometern. Das Bild hat
eine Auflösung von 5,3 Meter pro Pixel.
Bild: ESA / Rosetta / MPS für OSIRIS Team
(MPS / UPD / LAM / IAA / SSO / INTA / UPM / DASP
/ IDA) [Großansicht] |
Über 6,4 Milliarden Kilometer hat die ESA-Raumsonde Rosetta zurückgelegt, hat
an Planeten Schwung geholt, zwei Asteroiden im Vorbeiflug angeschaut und von der
zehnjährigen Flugzeit mehr als zweieinhalb Jahre im Sparmodus verschlafen - am
6. August 2014 kam sie mit dem Lander Philae an Bord um 11.30 Uhr MESZ an ihrem Zielkometen an. Nun startet die
Kartierung des Kometen, der anscheinend aus zwei miteinander verbundenen Teilen
besteht und auf dem Philae am 11. November 2014 aufsetzen soll.
404 Millionen Kilometer ist die Raumsonde nun
von der Erde entfernt. Schon während des Anflugs hat Churyumov-Gerasimenko für
Überraschungen gesorgt: Statt eines kartoffelförmigen Körpers blickten die
Kometenforscher auf einen Körper, der ähnlich wie eine Ente aus Kopf und Körper
bestand. Die erste Temperaturmessung zeigte dann, dass auf Lander Philae kein
Komet mit viel Eis, sondern mit einer staubigen und wahrscheinlich sehr rauen
Oberfläche wartet.
"Mit der Ankunft am Kometen werden wir jetzt aus 100
Kilometern Höhe noch deutlich mehr über Churymov-Gerasimenko erfahren",
freut sich
Kometenforscher Dr. Ekkehard Kührt vom DLR-Institut für Planetenforschung,
"Spannend und einmalig sind vor allem die ausgiebigen Untersuchungen aus der
nahen Distanz." Elf Instrumente reisen auf der Raumsonde Rosetta mit, zehn
Instrumente befinden sich an Bord von Lander Philae und werden die ersten Daten
direkt von einer Kometenoberfläche aus liefern.
Bodenbeschaffenheit, Temperatur,
physikalische Zusammensetzung des Kometenkerns, organische Moleküle - alles ist
für die Kometenforscher interessant, denn Churyumov-Gerasimenko, der aus Eis und
Staub besteht, ist sehr wahrscheinlich aus besonders ursprünglichem Material
gebildet, das sich bei seinem Flug durch die kalten Regionen des Sonnensystems
weniger verändert hat als andere Himmelskörper: "Wir begegnen einem Zeitzeugen
aus der Entstehung unseres Sonnensystems vor 4,5 Milliarden Jahren", so Kührt.
"Kometen haben die Vergangenheit wie ein
Kühlschrank in gefrorenem Zustand konserviert und tragen dadurch noch viele
Merkmale aus den Anfängen des Sonnensystems in sich. Allerdings kann man auf den
ersten Bildern erkennen, dass auch am Kometen die Zeit nicht spurlos vorbei
gegangen ist", betont Kührt. "Zahlreiche exotische Strukturen auf der Oberfläche
deuten auf eine gewisse Entwicklung hin, die es nun zu verstehen gilt." Außerdem
könnten Kometen und ihre Einschläge dafür gesorgt haben, dass Wasser und
Moleküle für die Entstehung von Leben zur Erde gelangten.
Nun beginnt die Landeplatzauswahl, bei der auf dem
entenförmigen Körper für Landegerät Philae mit den Daten der Kameras und der
anderen wissenschaftlichen Instrumente die rechte Stelle ausgesucht wird. Dabei
müssen zahlreiche Kriterien berücksichtigt und manchmal auch der goldene
Mittelweg gefunden werden. "Wir benötigen zum Beispiel einerseits Sonne, damit
die Batterien mit den Solarzellen immer wieder aufgeladen werden können,
andererseits darf der Komet an seiner Oberfläche nicht schon zu heiß sein und zu
stark ausgasen", erläutert DLR-Wissenschaftler Dr. Stephan Ulamec, Leiter
des Lander-Teams.
Rund 450 Millionen Kilometer Entfernung von der Sonne sind dafür
günstig. Aber auch Rauigkeit der Oberfläche und die Beschaffenheit des Bodens
sind entscheidend für eine sichere Landung. Nicht zuletzt ist eine gute
"Sichtverbindung" zur Raumsonde Rosetta wichtig, um die gemessenen Daten der
zehn Instrumente regelmäßig über diese Verbindung zur Erde zu funken und vom Lander-Kontrollzentrum im DLR Köln Kommandos an den Lander zu senden. Ende
August wird eine erste Auswahl stattfinden, bei der Wissenschaftler und
Ingenieure des DLR und weitere Partner des Lander-Konsortiums unter Leitung des
DLR bis zu fünf mögliche Landestellen festlegen.
"Günstige Gebiete für eine
Landung befinden sich am Kopf sowie zum Teil auf dem größeren Kometenteil - der
schmale Grat fällt eher heraus", sagt Ulamec. Mitte
September werden dann aus diesen "Top Five" die beiden besten Landeplätze
herausgefiltert. Mitte Oktober - ein Monat vor der Landung - fällt dann die
Entscheidung, an welchem Ort auf Churyumov-Gerasimenko das Landegerät Philae
aufsetzen soll.
Da die
Laufzeit der Kommandos 30 Minuten von der Erde zu Sonde und Lander dauern,
werden die Ingenieure beim Landevorgang selbst nicht mehr eingreifen können.
Stattdessen wird wenige Stunden, bevor Philae von Rosetta aus wenigen Kilometern
Höhe getrennt wird, von den DLR-Ingenieuren eine Computersequenz für den Abstieg
und die Landung an die Raumsonde gesendet. Mit gerade einmal etwa mehr als drei
Stundenkilometern sinkt Philae dann auf den Kometen hinunter.
Damit er dort
aufgrund der geringen Anziehungskraft von Churyumov-Gerasimenko nicht gleich
wieder abprallt, werden unverzüglich zwei Harpunen in den Kometenboden gefeuert,
die den Lander auf dem kleinen Himmelskörper verankern. Zusätzlich drehen sich
Eisschrauben in den Füßen des Landegeräts in den Boden, und eine Kaltgasdüse an
der Oberseite von Philae drückt den Lander sanft in Richtung Komet.
"Ob alles gut verlaufen ist, erfahren wir erst 30 Minuten nach der Landung,
wenn wir im Kontrollzentrum die Daten erhalten", sagt Ulamec. Auch die
ROLIS-Kamera des DLR, die an der Unterseite des Landers sitzt, wird dann ihre
ersten Bilder vom Abstieg des Landegeräts senden. Gemeinsam werden Rosetta und
Philae den Kometen dann auf seinem Weg in Richtung Sonne begleiten - und
beobachten, wie Churyumov-Gerasimenko zunehmend aktiver wird, Gas verströmt und
Staubpartikel ins All schleudert. "Die kontinuierliche Untersuchung aus einem
Orbit und direkt von der Kometenoberfläche aus sind beides Premieren, die noch
keine andere Mission erfüllt hat", sagt DLR-Kometenforscher Dr. Ekkehard Kührt.
"Unser Wissen über diese noch immer geheimnisvollen Himmelskörper wird mit der
Rosetta-Mission deutlich anwachsen."
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