Forschung im Erdorbit ohne ISS
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt astronews.com
21. Juli 2014
In der Nacht zu Sonnabend startete von Baikonur aus der
vermutlich letzte Satellit der FOTON-Reihe, auf dem bis September
wissenschaftliche Experimente im Erdorbit durchgeführt werden sollen.
Anschließend kehrt die Kapsel wieder zur Erde zurück, so dass die Proben
entnommen und analysiert werden können. An Bord befinden sich auch vier deutsche
Experimente.
Das
Probenmagazin des POLIZON-2-Ofens kann zwölf
Experimente aufnehmen, die während des
zweimonatigen Flugs nacheinander im Ofen
prozessiert werden.
Bild: Kayser-Threde GmbH [Großansicht] |
Forschung in Schwerelosigkeit ist sein Ziel: Am 18. Juli 2014 ist um 22.50
Uhr MESZ der russische Forschungssatellit FOTON-M4 mit einer Sojus-Rakete
vom Weltraumbahnhof Baikonur ins All gestartet. FOTON-M4 wird die Erde
zwei Monate lang in einer Höhe von fast 600 Kilometern - also rund 200 Kilometer
höher als die Internationale Raumstation ISS - umkreisen, bevor seine
kugelförmige Landekapsel mit den Experimentanlagen und Proben Ende September
wieder zurückkehrt. An Bord sind auch vier deutsche Experimente, deren Mitflug
das Raumfahrtmanagement des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR)
ermöglicht hat.
Wissenschaftler der Universität Freiburg und des Freiburger
Materialforschungszentrums wollen in den kommenden Wochen die FOTON-Kapsel
für vier Experimente zum Wachstum von Halbleiterkristallen nutzen. Ihr Ziel ist
es, Kristalle mit möglichst hoher Qualität zu erzeugen. Dabei verwenden sie für
die drei verschiedenen Halbleitermaterialien - Germanium-Gallium,
Germanium-Silizium und Cadmium-Zink-Tellur - das gleiche Verfahren wie auf der
Erde: Das Ausgangsmaterial wird aufgeschmolzen und anschließend von einer Seite
so abgekühlt, dass der neue Kristall von dort aus zu wachsen beginnt.
Was ist also unter Schwerelosigkeit anders? Im Gegensatz zum Erdlabor tritt
unter Schwerelosigkeit die schwerkraftbedingte Konvektion in Schmelzen mit
Temperaturunterschieden nicht auf. Daher können Wissenschaftler auf FOTON
unabhängig davon und ungestört den Vorgang des Kristallwachstums sowie den
Einfluss von Magnetfeldern und von Vibrationen studieren, die auf der Erde für
die Kontrolle von Strömungen in der Schmelze eingesetzt werden sollen.
"Technischer Fortschritt wird oft erst möglich durch Materialien, die dem
neuesten Stand der Forschung entsprechen. Vor allem Zukunftsbranchen wie die
Elektronikindustrie hängen stark von den Innovationen ab, die in der
Materialforschung erzielt werden. Essentiell für diesen Industriezweig sind die
Halbleitermaterialien, ohne die elektronische Bauelemente nicht möglich wären:
Solarzellen, Leuchtdioden und Transistoren sind nur einige von vielen
Anwendungsfeldern. Nimmt die Leistungskapazität zu, steigen auch die
Anforderungen an die Qualität der Halbleiterkristalle", verdeutlicht Maria Roth,
zuständig für FOTON im DLR Raumfahrtmanagement, den Hintergrund. "Die
Experimente auf FOTON werden durchgeführt, um industrielle Prozesse auf
der Erde zu verbessern."
Herzstück der Experimentanlagen ist der russische POLIZON-2-Ofen, in dem die
Halbleiter-Proben aufgeschmolzen werden. Rund 100 Kilogramm wiegt die Apparatur.
Zu dem Gewicht trägt neben dem eigentlichen Schmelzofen vor allem das Magazin
bei, aus dem die insgesamt zwölf Proben nacheinander in den Ofen geschoben und
in das sie später wieder zurücktransportiert werden. Um den Ofen herum
gruppieren sich noch weitere sieben technologische und materialwissenschaftliche
sowie neun gravitations- und strahlenbiologische Experimentanlagen russischer
Wissenschaftler. Drei weitere Experimente zu Strahlenbiologie und eines zur
Temperaturmessung sind auf der Außenhaut von FOTON-M4 montiert.
Ende 2014 sollen im Labor auf der Erde Vergleichsexperimente mit dem
POLIZON-2-Flugofen ablaufen, bei denen die realen Flugdaten verwendet werden.
Danach werden alle Proben der Länge nach halbiert und sowohl von deutschen als
auch russischen Wissenschaftlern mit unterschiedlichen Methoden analysiert.
FOTON-M4 wird vermutlich der letzte in einer Serie von 16 Flügen des
FOTON-Programms sein. Ein neues System, bei dem der Satellit für sieben Jahre im
Orbit bleiben soll, wird derzeit in Russland untersucht. Dieser Satellit soll in
regelmäßigen Abständen zwecks Proben- und Anlagentausch an die Internationale
Raumstation ISS andocken. Damit müsste regelmäßig nur die Experimentausrüstung
in den Weltraum gebracht werden. Die Startkosten für fast sechs Tonnen
Satellitensystem und die Landung fielen dann im gesamten Zeitraum nur einmal an.
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