Neues vom Ende des Jahrhundertkometen
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung astronews.com
16. Juli 2014
Der Komet ISON wurde fast das gesamte letzte Jahr über als
Jahrhundertkomet gehandelt, der über die Weihnachtszeit sogar mit bloßem Auge am
Himmel zu sehen sein sollte. Leider überstand ISON die dichte Passage an der
Sonne Ende November nicht. Die Auswertung von Daten des Instruments SUMER an
Bord der Sonnensonde SOHO lieferte nun neue Details über das Ende des Kometen.

Aufnahmen des Spektrographen SUMER an Bord
des Sonnenobservatoriums SoHO lieferten am 28.
November 2014 um 18.01 Uhr dieses Bild des
Schweifs des Kometen ISON.
Bild: MPS [Großansicht] |
Als der Komet ISON im Herbst 2012 entdeckt wurde, war schnell die Rede von
einem Jahrhundertkometen. Nur 1,8 Millionen Kilometer sollten den Schweifstern
am 28. November 2013 von der Sonne trennen. Wegen seiner großen Helligkeit und
der frühen Entdeckung versprach ISON ein dankbares Forschungsobjekt zu werden -
und, sollte er den Sonnenvorbeiflug überstehen, eine beeindruckende
Himmelserscheinung in der folgenden Adventszeit.
Doch dazu kam es nicht: Bereits Stunden vor der Sonnenpassage wurde der
Schweif des Kometen immer blasser. Nach und nach wurde klar, dass ISON seine
Aktivität eingestellt oder sich ganz und gar in Gas und Staub aufgelöst hatte.
Was genau am 28. November 1,8 Millionen Kilometer von der Sonne entfernt
geschah, ist noch immer nicht hundertprozentig klar. Zerbrach der Komet, bevor
er den sonnennächsten Punkt erreichte? Oder hielt er der unbeschreiblichen Hitze
noch etwas länger Stand? Verbarg sich unter dem Staubschweif, der sich nach dem
Vorbeiflug zeigte, gar noch ein fester Kern?
"Unsere Messungen und Rechnungen deuten daraufhin, dass ISON bereits vor dem
Sonnenvorbeiflug die Puste ausging", so Dr. Werner Curdt vom Max-Planck-Institut
für Sonnensystemforschung (MPS), der die jetzt vorgestellte Studie leitete.
Demnach gab es etwa 8,5 Stunden, bevor der Komet an der Sonne vorbeifliegen
sollte, einen kurzen, heftigen Ausbruch, der eine größere Staubmenge freisetzte.
Danach kam die Staubproduktion innerhalb weniger Stunden endgültig zum Erliegen.
Schlüssel zu den neuen Rechnungen waren Bilder des Staubschweifs, welche die
MPS-Forscher am 28. November zwischen 17.56 und 18.01 Uhr, also zum Zeitpunkt
des Vorbeiflugs, mit dem Instrument SUMER (Solar Ultraviolet Measurements of
Emitted Radiation) an Bord des Sonnenobservatoriums SOHO (Solar and
Heliospheric Observatory) aufnahmen. Bereits Stunden zuvor hatten
beeindruckende Aufnahmen des Koronographen LASCO (Large Angle and
Spectrometric Coronagraph), der ebenfalls an Bord der Raumsonde um die
Sonne kreist, den langgezogenen Schweif des heranrasenden Kometen gezeigt.
Um Strukturen in der Umgebung der alles überstrahlenden Sterns sichtbar zu
machen, blendet das Instrument die Sonnenscheibe aus – ähnlich wie eine
künstliche Sonnenfinsternis. ISONs Flugroute führte den Kometen jedoch so nah an
unser Zentralgestirn heran, dass auch er in der entscheidenden Stunde hinter
dieser Blende verschwand. "Das einzige Instrument, das zu diesem Zeitpunkt
brauchbare Daten von ISON lieferte, war SUMER", so Curdt, der das SUMER-Team
seit 2002 leitet. "Für alle Beteiligten war dies eine riesige Herausforderung",
fügt er hinzu.
Das Aufspüren vergleichsweise lichtschwacher Kometen gehört nämlich in der
Regel nicht zu den Aufgaben des Instruments. Vielmehr wurde der Spektrograph
entwickelt, um das Licht aus der Atmosphäre der Sonne in seine einzelnen
Wellenlängen zu zerlegen und so Plasmaflüsse, Temperaturen und Dichten zu
untersuchen. Indem die Forscher den Eintrittsspalt für das Licht weit öffneten,
konnten sie das Instrument wie eine Art Kamera betreiben - und so Bilder des
Schweifs aufzeichnen.
Dabei erfassten sie das ultraviolette Licht der Wellenlänge 121,6 Nanometer,
mutmaßlich an Staubteilchen reflektiertes Sonnenlicht. Die SUMER-Aufnahmen
zeigen einen leicht gekrümmten, spitz zulaufenden Schweif mit einer Länge von
mindestens 240.000 Kilometern. Anzeichen für einen besonders hellen Bereich an
der vorausberechneten Kometenposition, der auf einen aktiven Kern deuten könnte,
finden sich nicht.
Um zu verstehen, welche Prozesse diese Schweifform erzeugten, verglichen die
Forscher die Bilder in einem nächsten Schritt mit Simulationsrechnungen. Darin
berechnen sie die Gestalt des Schweifs unter bestimmten Annahmen für die Größe
der Staubteilchen, ihre Geschwindigkeit sowie den Zeitpunkt ihres Austritts.
"Unter der Annahme, dass ISON während der SUMER-Beobachtungen noch aktiv war,
ließen sich die Bilder nicht rekonstruieren", erklärt Kometenforscher Dr.
Hermann Böhnhardt vom MPS. Den Rechnungen zufolge muss ISON seine
Staubproduktion bereits Stunden zuvor eingestellt haben.
Ob der Kern sich zu diesem Zeitpunkt bereits vollständig aufgelöst hatte, sei
nicht zweifelsfrei zu klären, so Böhnhardt. Einiges spreche dafür - etwa der
deutliche Anstieg der Staubproduktion etwa 8,5 Stunden zuvor. Rund 11.500 Tonnen
Staub muss der Komet zu diesem Zeitpunkt emittiert haben, so die Berechnungen
der Forscher. Diese Menge würde zusammengeballt eine Kugel mit einem Durchmesser
von 280 Metern ergeben.
Möglicherweise sind einzelne inaktive, "tote" Bruchstücke des Kernes
übriggeblieben. Irgendwelche "Lebenszeichen" wurden jedoch nicht beobachtet und
die Reste des Kometen werden sich in den Weiten des Weltalls verlieren und
günstigenfalls als Sternschnuppe auftauchen.
Über ihre Ergebnisse berichten die Forscher jetzt in einem Fachartikel, der
in der Zeitschrift Astronomy & Astrophysics erschienen ist.
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