Schwerelose Seifenblasen sind äußerst stabil
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt astronews.com
9. Juli 2014
Das von Schülern im Rahmen eines Wettbewerbs vorgeschlagene
Seifenblasen-Experiment hat teilweise sogar die Experten überrascht: Bei den
Versuchen, die der deutsche ESA-Astronaut Alexander Gerst kürzlich auf der ISS
durchführte, erwiesen sich die Seifenblasen als erstaunlich stabil. Allerdings
lief nicht alles ganz nach Plan.
Der deutsche
ESA-Astronaut Alexander Gerst bei dem
Seifenblasen-Experiment auf der ISS.
Bild: DLR [Großansicht] |
Kaum zieht die Schwerkraft nicht mehr an ihnen, beweisen Seifenblasen
erstaunliche Stabilität: In der Schwerelosigkeit leben sie deutlich länger, ein
Nadelstich macht ihnen nichts aus, und auch zusätzliche farbige Flüssigkeit
haftet ohne Probleme an der stabilen Seifenblase. Das sind die erstaunlichen
Ergebnisse, die Astronaut Alexander Gerst mit einem Versuch auf der
Internationalen Raumstation ISS herausgefunden hat.
Das Experiment hatte sich im Schülerwettbewerb "Aktion 42", den das Deutsche
Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) mit der europäischen Weltraumorganisation
ESA und der Stiftung Jugend forscht durchführte, als Gewinnervorschlag
durchgesetzt. Ausgerüstet mit einem Strohhalm, einer Tüte mit dem Haarshampoo
der ISS-Bewohner und einer Stoppuhr hat Alexander Gerst das Geheimnis gelüftet,
wie lange Seifenblasen in der Schwerelosigkeit überleben: Seifenblase um
Seifenblase hält in der ISS mühelos im Durchschnitt eine Minute lang.
"Die sind schon sehr stabil", wunderte sich Alexander Gerst beim Experiment
im europäischen Forschungslabor Columbus, als die erste Seifenblase
erst nach 55 Sekunden platzte. "Auf der Erde haben wir rund 100 Seifenblasen
getestet und nur wenige blieben so lange stabil", betont Dr. Matthias Sperl vom
DLR-Institut für Materialphysik im Weltraum. Er betreut das Experiment in der
ISS vom Boden aus. "Gerade einmal nach durchschnittlich 20 bis 30 Sekunden
platzten die Seifenblasen unter Schwerkraft. Und Alexander Gerst macht gerade
einmal eine Handvoll Seifenblasen, und alle erreichen eine extrem hohe
Lebensdauer."
Dass die Seifenblasen im Weltall so viel länger leben, liegt daran, dass dort
keine Erdanziehungskraft an den Bestandteilen der Seifenblasen zieht: Die Hülle,
die aus einer Wasserschicht zwischen zwei Seifenschichten besteht, kann so
stabil bleiben. Auf der Erde hingegen läuft die Wasserschicht der Hülle in
Richtung Boden und sammelt sich am unteren Ende - oben besteht die Seifenblase
dann nur noch aus den beiden äußeren Seifenschichten. Die Hülle wird immer
dünner, bis sie schließlich reißt, und die Seifenblase platzt.
Warum aber die Seifenblasen in der ISS nicht unsterblich sind, kann Sperl
nicht genau definieren: "Dort oben wird die Luft durch die Ventilation bewegt,
das könnte ein Grund sein", schätzt er. "Beim freien Schweben würden die Blasen
außerdem an den Wänden der ISS zerplatzen, hält man sie deshalb mit einem
Strohhalm fest, übt auch das wieder einen Einfluss auf die empfindlichen
Seifenblasen aus."
Die deutlich größere Stabilität stellten die Seifenblasen in weiteren
Versuchen unter Beweis: Selbst eine Sicherheitsnadel, die der Astronaut direkt
in die Hülle stach, brachte die Seifenblasen nicht zum Platzen. "Die Wand der
Seifenblase ist unter Schwerelosigkeit einfach dicker und gleichmäßiger als auf
der Erde", erläutert DLR-Projektleiter Sperl.
Überrascht hat ihn dennoch der Ausgang des Experiments, farbiges Wasser auf
der Seifenblase aufzutragen. Als rote Tupfen blieben sie auf der Hülle der
Seifenblase "hängen" oder sammelten sich entlang der Hülle. "Auf der Erde würde
schon alleine die Pipette beim Auftragen der Farbe die Seifenblase platzen
lassen, oder die farbigen Tropfen würden durch die Seifenblase einfach
hindurchfallen." Im Weltall hingegen ist die Seifenblase so stabil, dass dies
nicht geschieht.
Die Ergebnisse der Experimente könnten auf der Erde beispielsweise auf die
Produktion von Schäumen angewendet werden. In der Industrie kommt es oftmals
darauf an, besonders stabile Schäume herzustellen - und dafür müssen die
einzelnen Prozesse verstanden und kontrolliert werden. "Wenn wir hier oben
herausfinden, wie es im Prinzip funktioniert, könnte man vielleicht auch auf
Erde unter Gravitation Schaumblasen mit dichteren Hüllen produzieren", sagt
Astronaut Gerst.
Vorgeschlagen hatten das Experiment Schüler aus Baden-Württemberg, Sachsen
und Bayern, die ihre Idee beim bundesweiten Schülerwettbewerb "Aktion 42"
eingereicht hatten. Dafür durften sie nur Gegenstände aus einer Liste mit 42
Objekten aussuchen, die bereits auf der Internationalen Raumstation ISS
verwendet werden. Für Gerst wurden dann exakte Ablaufpläne erstellt, die er -
wie bei einem "normalen" Experiment auf der ISS - Schritt für Schritt
abarbeitete. Zuvor hatte er das Experiment mit Shampoo, Strohhalm und Stoppuhr
während seines Trainings durchgeführt und auch auf einem Parabelflug in den
kurzen Phasen der Schwerelosigkeit getestet.
Ein Teil des Schülerexperiments hingegen verlief allerdings anders als
erwartet: Als Astronaut Alexander Gerst die Auswirkung von Schall auf die
Seifenblasen testen wollte und Lautsprecher mit Techno-Musik einsetzte, machte
die Ventilation der Raumstation ihm einen Strich durch die Rechnung.
"Letztendlich können wir nicht sagen, ob der Schall oder die Ventilation für
Bewegung gesorgt haben", erklärt Dr. Matthias Sperl. "Die Musik war nicht stark
genug gegenüber der Ventilation auf der Raumstation. Aber es sind halt
Experimente - und nicht immer sieht man die erwarteten Effekte deutlich genug."
Die Experimente an Bord der ISS sind auch in einem kleinen Film zu sehen, der
bei Youtube zu
finden ist.
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