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VLBI
Drei Schwarze Löcher in einem Quasar
Redaktion / Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie
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26. Juni 2014

Astronomen haben ein System von gleich drei einander umkreisenden supermassereichen Schwarzen Löchern entdeckt. Es befindet sich in einer Galaxie in mehr als vier Milliarden Lichtjahren Entfernung. Die Entdeckung könnte bedeuten, dass derart dicht gepackte Systeme von Schwarzen Löchern weitaus häufiger vorkommen als bisher angenommen.

Schwarzes-Loch-Trio

Szenario mit drei supermassereichen Schwarzen Löchern, von denen sich zwei in extrem geringem Abstand voneinander umkreisen. Bild: Roger Deane / NASA Goddard [Großansicht]

Ein internationales Forscherteam hat sogenannte VLBI-Beobachtungen durchgeführt, um die beiden eng benachbarten Schwarzen Löcher in diesem Tripelsystem im Detail zu untersuchen. Bei VLBI-Beobachtungen, VLBI steht für Very Long Baseline Interferometry, werden die Signale mehrerer großer Radioteleskope auf verschiedenen Kontinenten miteinander verknüpft. Dadurch können Details bis zu 50-mal feiner aufgelöst werden als mit dem Hubble-Weltraumteleskop in optischen Wellenlängen. Bei den Beobachtungen war auch das 100-Meter-Radioteleskop in Effelsberg im Rahmen des Europäischen VLBI-Netzwerks (EVN) beteiligt.

Astronomen gehen heute davon aus, dass die Verschmelzung von Galaxien für ihre Entwicklung im Verlauf der Geschichte des Universums eine wichtige Rolle spielt. Dadurch sollten bei einigen Galaxien zu bestimmten Zeiten auch Mehrfachsysteme von supermassereichen Schwarzen Löchern auftreten.

Das jetzt untersuchte Objekt wurde im Rahmen der Sloan-Himmelskartierung, des Sloan Digital Sky Survey (SDSS), entdeckt und trägt die Katalognummer SDSS J1502+1115. Es handelt sich dabei um einen Quasar, also den Kernbereich einer aktiven Galaxie, die sich in einer Entfernung von mehr als vier Milliarden Lichtjahren befindet. In dieser Galaxie wurde ein Dreifachsystem von supermassereichen Schwarzen Löchern mit einem Ausmaß von 25.000 Lichtjahren entdeckt, wobei zwei Komponenten einander in einem extrem geringen Abstand von weniger als 500 Lichtjahren umkreisen.

"Das Außergewöhnliche für mich dabei ist, dass diese beiden Schwarzen Löcher einen extremen Bereich von Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie erfassen; sie umkreisen einander mit gleich 300-facher Schallgeschwindigkeit", sagt Roger Deane von der University of Cape Town in Südafrika, der Erstautor eines Fachartikels über die Beobachtungen, die jetzt in der Zeitschrift Nature erschienen ist. "Und nicht nur das: Durch die Kombination der von Radioteleskopen auf vier Kontinenten empfangenen Signale konnten wir dieses exotische Sternsystem in einer Entfernung erkunden, die einem Drittel der kompletten Wegstrecke durch das Universum entspricht. Ich finde es aufregend, dass wir damit grad mal an der Oberfläche einer ganzen Liste zukünftiger Entdeckungen gekratzt haben, die durch das Square Kilometre Array möglich werden."

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Die Untersuchung derartiger Galaxiensysteme ist in mehrfacher Hinsicht von Interesse. Bei der Galaxienentwicklung spielen Schwarze Löcher eine wichtige Rolle, und die Verschmelzung von Schwarzen Löchern dürfte dafür den Schlüssel darstellen. Darüber hinaus stellen massereiche Systeme, die einander in so geringem Abstand umkreisen, nach der Allgemeinen Relativitätstheorie auch eine Quelle von Gravitationswellen dar. Die zukünftigen Radioteleskope wie das Square Kilometre Array (SKA) werden den Effekt dieser Gravitationswellen durch das Schrumpfen der Umlaufbahnen unmittelbar vermessen können.

Im Moment weiß man noch recht wenig über Systeme von Schwarzen Löchern in so geringem Abstand voneinander und über die unmittelbar abgestrahlten Gravitationswellen. "Unsere Entdeckung lässt nicht nur vermuten, dass dermaßen dicht zusammenstehende Paare von Schwarzen Löchern viel häufiger vorkommen als ursprünglich angenommen, sondern auch, dass Radioteleskope wie MeerKAT in Südafrika oder das afrikanische VLBI-Netzwerk direkt zur Entdeckung und zum Verständnis der Signale von Gravitationswellen beitragen werden", erklärt Matt Jarvis von der University of Cape Town und der University of Oxford. "In Zukunft wird uns das SKA das Auffinden und die detaillierte Untersuchung solcher Systeme im Detail ermöglichen, und damit ein wesentlich besseres Verständnis dafür, in welchem Maße massereiche Schwarze Löcher zur Bildung und Entwicklung von Galaxien in der Geschichte des Universums beitragen."

Die VLBI-Beobachtungstechnik war ausschlaggebend für die Entdeckung der beiden inneren Schwarzen Löcher; es handelt sich dabei um das Paar mit dem zweitkleinsten bisher bekannten Abstand zwischen supermassereichen Schwarzen Löchern. Roger Deane und seine Kollegen konnten zeigen, dass ein solches Paar von Schwarzen Löchern sich auch durch Beobachtungsergebnisse auf wesentlich größerer Längenskala verrät.

Die Bahnbewegung des Schwarzen Lochs drückt sich auch in der Orientierung der Materiestrahlen oder Jets aus, die dann nicht mehr linear abgestrahlt werden, sondern eine deutliche Verbiegung in eine helix- oder korkenzieherförmige Gestalt aufweisen. Wenn beide Komponenten nun so dicht zusammenstehen, dass sie selbst mit den besten Teleskopen nicht mehr getrennt werden können, ermöglichen die verbogenen Jets immer noch einen Rückschluss auf das zentrale System, ähnlich wie bei einer Leuchtfackel zur Bestimmung der Position auf hoher See.

Dadurch tut sich ein erfolgversprechender Weg auf, mit empfindlichen Radioteleskopen der Zukunft wie MeerKAT und vor allem dem SKA binäre Schwarze Löcher noch wesentlich effektiver aufzuspüren. "Wir haben damit sozusagen die erste Nadel im Heuhaufen des mittelalten Universums aufgespürt, und ich hoffe, dass wir noch wesentlich mehr davon und vor allem noch dichter zusammenstehende Paare von Schwarzen Löchern finden werden", so Hans-Rainer Klöckner vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie, der auch zum Team gehörte. "Diese engen Binärsysteme können uns nicht nur etwas darüber verraten, wie Schwarze Löcher wachsen und wie sie die Raumzeit in ihrer Umgebung beeinflussen, sondern auch etwas zum Verständnis des Zusammenspiels zwischen den Jets und der Akkretionsscheibe in der unmittelbaren Umgebung der Schwarzen Löcher beitragen."

Beobachtungen wie diese, die nur durch die enge Zusammenarbeit im Rahmen eines internationalen Teams und mithilfe von über die ganze Erde verteilten Instrumenten möglich werden, sind für die deutschen Astronomen ein schönes Beispiel dafür, warum sich auch Deutschland zukünftig an radioastronomischen Großprojekten beteiligen sollte. Insbesondere zeigen die jetzt vorgestellten Untersuchungen, was von dem geplanten SKA-Teleskop zu erwarten ist.

Deutschland gehörte bislang zum SKA-Konsortium, das den Bau des Teleskops gerade vorbereitet. Die Bundesregierung hatte aber Anfang Juni die Mitgliedschaft der Bundesrepublik gekündigt - eine Entscheidung, die bei deutschen Astronomen auf absolutes Unverständnis gestoßen ist. Sie hoffen nun, dass man in Berlin die Kündigung noch einmal überdenkt, damit deutsche Astronomen auch künftig Zugang zu erstklassigen Radioteleskopen haben werden.

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siehe auch
Square Kilometre Array: Beteiligung Deutschlands vor dem Aus? - 10. Juni 2014
Galaxien: Astronomen entdecken Doppel-Quasar - 9. Februar 2010
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Chandra: Zwei Schwarze Löcher vor Verschmelzung - 10. April 2006
Chandra: Schwarze Löcher im Doppelpack - 20. November 2002
Links im WWW
Preprint des Fachartikels bei arXiv.org
Max-Planck-Institut für Radioastronomie
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