Geschützt durch Mantel aus Dunkler Materie?
von Stefan Deiters astronews.com
26. Mai 2014
Im Halo unserer Milchstraße befinden sich unzählige Wolken
aus Wasserstoff, die sich mit hoher Geschwindigkeit durchs All bewegen. Eine
jetzt vorgestellte Studie, die auf Daten des Radioteleskops in Green Bank
basiert, deutet darauf hin, dass eine dieser Wolken offenbar von einem Mantel aus Dunkler
Materie umgeben ist. Handelt es sich um den Rest einer Zwerggalaxie?

Falschfarbenaufnahme
der Smith-Wolke, die auf Daten des
Green-Bank-Radioteleskops basiert.
Bild: NRAO / AUI / NSF [Großansicht] |
Im Halo unserer Milchstraße bewegen sich Hunderte von Wolken mit hoher
Geschwindigkeit durchs All, die hauptsächlich aus Wasserstoff bestehen und in
denen sich so gut wie keine Sterne bilden. Aus diesem Grund sind sie auch nur
äußerst schwer zu beobachten. Sie verraten sich beispielsweise im Radiobereich
und können hier mithilfe empfindlicher Radioteleskope beobachtet werden. Diese
detektieren nämlich das schwache Signal von neutralem Wasserstoff.
Eine dieser sogenannten Hochgeschwindigkeitswolken ist die "Smith-Wolke", die
seit den 1960er Jahren bekannt ist. Würde man die Wolke am Nachthimmel mit
bloßem Auge sehen können, würde sie fast so groß erscheinen wie das bekannte
Sternbild Orion. Die Wolke ist gegenwärtig etwa 8.000 Lichtjahre von der
galaktischen Scheibe unserer Milchstraße entfernt und bewegt sich mit einer
Geschwindigkeit von mehr als 240 Kilometern pro Sekunde. Die Scheibe dürfte sie
somit in etwa 30 Millionen Jahren erreichen.
Theoretisch sollten solche Wolken, die nur aus Wasserstoffgas bestehen, eine
Passage der dichten Scheibenregion der Milchstraße nicht überstehen. Der
gravitative Einfluss der zahlreichen hier vorhandenen Sterne müsste eigentlich
dafür sorgen, dass sie sich während des Flugs durch die Scheibe auflöst. Bei der
Smith-Wolke ist dies jedoch offenbar anders: Beobachtungen deuten nämlich darauf
hin, dass die Wolke bereits schon einmal vor vielen Millionen Jahren die Scheibe
unserer Galaxie passiert hat.
"Die Smith-Wolke ist wirklich etwas ganz Besonderes", meint auch Matthew
Nichols vom Observatoire de Sauverny in der Schweiz. "Sie ist schnell,
vergleichsweise ausgedehnt und zudem noch so nahe, dass wir sie detailliert
untersuchen können. Sie scheint außerdem ein Geheimnis zu besitzen, da ein
Objekt wie dieses eine Reise durch die Milchstraße nicht überstehen sollte.
Allerdings deutet alles darauf hin, dass sie dies irgendwie geschafft hat."
Durch eine sorgfältige Auswertung der Beobachtungsdaten und die Modellierung
der Wolke glauben die Astronomen nun herausgefunden zu haben, warum dies so ist:
Die Smith-Wolke muss von einer signifikanten Hülle aus Dunkler Materie umgeben sein.
Dunkle Materie ist nicht direkt beobachtbar, sondern es lässt sich nur indirekt
durch ihre Gravitationswirkung auf sie schließen. Um was es sich bei Dunkler
Materie handelt, weiß man bislang nicht.
"Basierend auf der ermittelten Bahn der Wolke, konnten wir zeigen, dass eine
Wolke ohne Dunkle Materie eine Passage der Scheibe nie überleben würde", so Jay
Lockman vom National Radio Astronomy Observatory in Green Bank im US-Bundesstaat
West Virginia. "Einer Wolke mit Dunkler Materie hingegen sollte dies ohne
weiteres möglich sein und das Ergebnis wäre ein Objekt, dass genauso aussieht,
wie die Smith-Wolke heute."
Die meisten Hochgeschwindigkeitswolken stammen, so die Überzeugung der
Astronomen, aus der Milchstraße und sind beispielsweise Überreste von der
Entstehung unserer Heimatgalaxie oder durch Gas entstanden, das durch
Supernova-Explosionen ins All geblasen wurde. Es gibt aber auch Objekte, die
einen außergalaktischen Ursprung haben. Der vermutete Halo aus Dunkler Materie
bei der Smith-Wolke würde darauf hindeuten, dass auch sie zu dieser Minderheit
gehört.
"Sollte sich der Befund bestätigen, wäre die Smith-Wolke eine verhinderte
Galaxie", so Nichols. "Eine solche Entdeckung würde uns dann eine untere Grenze
dafür liefern, wie klein Galaxien sein können." Der Fund
könnte den Astronomen also vielleicht auch etwas über die Vorgänge rund um die
Bildung von Sternen in den Anfangsjahren der Milchstraße verraten.
Über ihre Untersuchung berichten die Wissenschaftler in einem Fachartikel,
der in den Monthly Notices of the Royal Astronomical Society erscheinen
soll.
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