Neue Beobachtungen stellen Theorie infrage
von Stefan Deiters astronews.com
8. Mai 2014
Neue Beobachtungen von zwei Sternhaufen mit dem
NASA-Röntgenteleskop Chandra und weiteren Teleskopen stellen die bisherige
Theorie über die Entstehung der Haufen infrage. Bislang war man nämlich davon
ausgegangen, dass sich Sternhaufen von innen nach außen bilden. Jetzt aber
entdeckte man gerade in den äußeren Bereichen die ältesten Sterne.

Der Sternhaufen
NGC 2024 im Flammennebel. Für dieses Bild wurden
Daten von Chandra und Spitzer kombiniert.
Bild: NASA / CXC / PSU / K.Getman, E.
Feigelson, M.Kuhn und das MYStIX Team (Röntgen);
NASA / JPL-Caltech (Infrarot) [Großansicht] |
Die meisten Sterne, darüber herrscht unter Astronomen heute weitgehend
Einigkeit, entstehen in Sternhaufen. Diese wiederum bilden sich aus einer
kollabierenden Wolke aus Gas und Staub. In derem Zentrum sammelt sich immer mehr Materie
an, die Gasdichte steigt und schließlich können Sterne entstehen. Dort wo die größte Gasdichte herrscht, sollte
auch als Erstes die Sternentstehung einsetzen. Das bedeutet, dass sich im Zentrum eines
Sternhaufens somit die ältesten Stern befinden müssten.
Neue Beobachtungen des NASA-Röntgenteleskops Chandra lassen an
dieser Vorstellung aber nun
Zweifel aufkommen: Astronomen haben zwei Sternhaufen untersucht, in denen gerade
sonnenähnliche Sterne entstehen: den Sternhaufen NGC 2024 im Flammennebel und den
Sternhaufen im Orionnebel. In beiden Haufen stellten sie fest, dass die Sterne
in den äußeren Bereichen der Haufen offenbar am ältesten sind.
"Unsere Ergebnisse widersprechen den Erwartungen", so Konstantin Getman von
der Penn State University, der die Untersuchungen leitete. "Das bedeutet,
wir
müssen noch etwas intensiver nachdenken und neue Ideen darüber entwickeln, wie sich Sterne
wie unsere Sonnen bilden."
Getman hatte mit seinen Kollegen zunächst mithilfe von Chandra die Helligkeit
der Sterne im Röntgenbereich bestimmt, um so ihre Masse zu ermitteln. Dann
beobachteten die Astronomnen die Sterne erneut im Infraroten, wobei dazu sowohl erdgebundene
Teleskope, als auch das Weltraumteleskop Spitzer zum Einsatz kamen. Durch den
Vergleich der Beobachtungen im Röntgen- und Infrarotbereich mit theoretischen
Modellrechnungen ermittelten die Forscher dann das Alter der Sterne in den
beiden Haufen.
Das Ergebnis unterschied sich deutlich von dem, was die theoretischen Modelle
über die Entstehung von Sternhaufen vorhersagten: Im Zentrum von NGC 2024
beispielsweise wiesen die Sterne ein Alter von rund 200.000 Jahren auf, während
sie in den Außenbereichen etwa 1,5 Millionen Jahre alt waren. Im Orionnebel
reichte die Altersspanne von 1,2 Millionen Jahren im Zentrum bis zu fast zwei
Millionen Jahren am Rand.
"Eine wichtige Schlussfolgerung unserer Untersuchung ist, dass das bisherige
einfache Modell, nach dem sich Sternhaufen von innen nach außen bilden, nicht
stimmt", unterstreicht Teammitglied Eric Feigelson von der Penn State
University. "Wir müssen uns also mit komplexeren Modellen beschäftigen, wie sie
aus aktuellen Studien über Sternentstehung folgen."
Es gibt verschiedene Theorien, wie sich die beobachtete
Altersverteilung erklären lassen könnte: Eine rechte simple Erklärung wäre, dass
im inneren Bereich eines Sternhaufen so viel dichtes Gas vorhanden ist, dass
hier auch noch dann neue Sterne entstehen können, wenn das Material in den
weniger dichten äußeren Bereichen schon längst verbraucht ist. Dies führt
natürlich mit der Zeit zu einer höheren Konzentration junger Sterne im Zentrum.
Eine weitere Möglichkeit wäre, dass ältere Sterne mit der Zeit aus dem
Zentrum des Haufens in die äußeren Regionen wandern oder gar durch
Wechselwirkungen mit anderen Sternen aus dem Zentralbereich hinausgekickt
werden. Schließlich könnten sich die beobachteten jungen Sterne auch in
gewaltigen Gasfilamenten gebildet haben, die ins Zentrum des Haufens strömen.
Im Sternhaufen des Orionnebels hatte es schon früher erste Hinweise auf eine
ungewöhnliche Altersverteilung gegeben, in NGC 2024 konnte das Phänomen jetzt
erstmals nachgewiesen werden. "Im nächsten Schritt wollen wir nun schauen, ob
sich diese Altersverteilung auch in anderen jungen Sternhaufen finden lässt", so
Michael Kuhn, ein Doktorand an der Penn State University.
Die Ergebnisse der Wissenschaftler sind in zwei Fachartikeln beschrieben, die
in der Zeitschrift The Astrophysical Journal erschienen sind.
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