Ein neuer und sehr kalter Nachbar der Sonne
von Stefan Deiters astronews.com
28. April 2014
Astronomen haben einen neuen Nachbarn der Sonne entdeckt:
Mithilfe von Daten des Wide-field Infrared Survey Explorer (WISE) und
Beobachtungen des Infrarot-Weltraumteleskops Spitzer spürten sie in nur
7,2 Lichtjahren Entfernung einen Braunen Zwerg auf. Es handelt sich damit um das
viertnächste Sternsystem. Auf dem Braunen Zwerg herrschen arktische
Temperaturen.

Der jetzt
entdeckte Braune Zwerg WISE J085510.83-071442.5
in 7,2 Lichtjahren Entfernung in einer
künstlerischen Darstellung. Unsere Sonne ist als
heller Punkt rechts neben dem Braunen Zwerg zu
sehen.
Bild: NASA / JPL-Caltech / Penn State
University [Großansicht] |
Zu den Sternen, die sich in relativer Nachbarschaft zu unserer Sonne
befinden, ist ein weiteres Exemplar hinzugekommen: Das Objekt mit der
Bezeichnung WISE J085510.83-071442.5 ist mit einer Entfernung von nur 7,2
Lichtjahren sogar das viertnächste Sternsystem und gleichzeitig der wohl
"kälteste" Braune Zwerg, der bislang entdeckt wurde. Auf dem Objekt ist es kaum
wärmer als am Nordpol der Erde.
"Es ist schon toll, einen neuen Nachbarn des Sonnensystems zu entdecken, der
uns so nahe ist", freute sich Kevin Luhman vom Center for Exoplanets and
Habitbale Worlds an der Pennsylvania State University in
University Park. "Und angesichts seiner extrem niedrigen Temperaturen sollte uns
das Objekt einiges über die Atmosphären von Planeten verraten, die ähnlich
niedrige Temperaturen haben."
Braune Zwerge, so die Theorie der Astronomen, sind Objekte, die wie
normale Sterne aus dem Kollaps einer Gaswolke entstehen, dann allerdings nicht
ausreichend Material auf sich vereinen können, um die Fusionsprozesse in ihrem
Inneren dauerhaft zu starten. Entsprechend lichtschwach und kühl sind diese
Objekte. WISE J085510.83-071442.5 ist dabei ein ganz extremer Fall: Die
Temperatur des Braunen Zwergs liegt zwischen -48 und -13 Grad Celsius. Zuvor
entdeckte Braune Zwerge wiesen mindestens noch in etwa Raumtemperatur auf.
Der Fund gelang Luhman durch Auswertung von Daten des Wide-field Infrared Survey Explorer (WISE). Der Satellit hatte während
seiner Hauptmission den gesamten Himmel im Infraroten zwei Mal erfasst und
einige Regionen sogar drei Mal beobachtet. Bei Beobachtungen im Infraroten
fallen auch kalte und dunkle, im sichtbaren Bereich des Lichts nicht erkennbare
Objekte auf.
Uns relativ nahe Objekte scheinen sich zudem auf Aufnahmen der gleichen
Himmelsregion, die in einem gewissen zeitlichem Abstand gemacht wurden,
vergleichsweise schnell vor dem Hintergrund entfernterer Sterne zu bewegen.
Dieses Phänomen kennt jeder aus dem Alltag: Tieffliegende Flugzeuge bewegen sich
am Himmel auch scheinbar schneller als Flugzeuge, die in großer Höhe über uns
hinwegziehen.
"Das Objekt hat sich in den WISE-Daten sehr schnell bewegt", erinnert sich
Luhman. "Das hat uns verraten, dass es sich um etwas Besonderes handelt."
Nachdem die schnelle Bewegung von WISE J085510.83-071442.5 im März des
vergangenen Jahres aufgefallen war, machte Luhman zusätzliche Beobachtungen mit
dem Infrarot-Weltraumteleskop Spitzer und dem
Teleskop Gemini South in Chile. Mit deren Hilfe konnte die Temperatur
und die Entfernung von WISE J085510.83-071442.5 bestimmt werden.
"Es ist schon beachtlich, dass wir auch nach Jahrzehnten gründlicher
Beobachtung noch immer nicht alle nächsten Nachbarn der Sonne kennen", so
Michael Werner, der Projektwissenschaftler für Spitzer am Jet
Propulsion Laboratory der NASA. "Dieses tolle neue Ergebnis zeigt die
Bedeutung von Beobachtungen des Universums mit neuen Werkzeugen wie den
Infrarotaugen von WISE und Spitzer."
Die Astronomen schätzen, dass WISE J085510.83-071442.5 nur eine Masse von
etwa der drei- bis zehnfachen Masse des Jupiter hat. Damit könnte es sich bei
dem Objekt auch um einen Gasplaneten handeln, der aus seinem Sonnensystem
hinausgeschleudert wurde und nun allein durch das All vagabundiert. Allerdings
halten es die Wissenschaftlicher für wahrscheinlicher, dass WISE
J085510.83-071442.5 ein Brauner Zwerg ist - und damit nicht nur der kälteste,
sondern auch einer der masseärmsten bekannten Braunen Zwerge.
Über die Entdeckung berichtet Luhman in der Zeitschrift Astrophysical
Journal Letters.
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