Mit Neutronen der Dunklen Energie auf der Spur
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der TU Wien astronews.com
23. April 2014
Auch im Labor sind Wissenschaftler auf der Suche nach neuen
Teilchen und Abweichungen vom Standardmodell der Physiker, die etwa die Dunkle
Energie und die Dunkle Materie erklären könnten. Mit der in Wien entwickelten
Gravitations-Resonanz-Methode konnte nun der mögliche Parameterbereich für
hypothetische Teilchen deutlich eingeschränkt werden.
Neutronen zwischen parallelen Platten geben
Aufschluss über mögliche bislang unentdeckte
Kräfte im Universum.
Bild: TU Wien |
Alle Teilchen, die wir heute kennen, machen nur fünf Prozent der Masse und
Energie im Universum aus. Der große Rest - die "Dunkle Energie" und die "Dunkle
Materie" – bleibt bis heute mysteriös. Ein Team der Technischen Universität Wien
führte gemeinsam mit Forschern des Institut Laue-Langevin in Grenoble jetzt
hochsensitive Untersuchungen von Gravitations-Effekten auf winzigen Abständen
durch. Damit wollen sie den Bereich, in dem man neue Teilchensorten oder
zusätzliche Naturkräfte vermuten könnte, hunderttausend Mal stärker einschränken
als bisher.
Die Dunkle Materie kann man zwar nicht sehen, sie wirkt aber durch ihre
Gravitationskraft auf die bekannte Materie ein, etwa auf die Rotation von
Galaxien. Die Dunkle Energie hingegen ist dafür verantwortlich, dass sich das
Universum immer schneller ausdehnt. Dunkle Energie kann man mit einer
zusätzlichen physikalischen Größe beschreiben, mit Albert Einsteins
kosmologischer Konstante.
Eine Alternative dazu stellen die sogenannten Quintessenz-Theorien dar:
"Vielleicht ist der leere Raum gar nicht leer, sondern erfüllt von einem bisher
unbekannten Feld, vergleichbar mit dem Higgs-Feld", erklärt Prof. Hartmut Abele
vom Atominstitut der TU Wien. Benannt wurden diese Theorien nach der von
Aristoteles postulierten Quintessenz, einem hypothetischen fünften Element neben
den vier antiken Urstoffen.
Andersartige Teilchensorten und zusätzliche Naturkräfte müssten sich
allerdings auch in Experimenten auf der Erde nachweisen lassen. Abele
entwickelte daher mit seinem TU-Kollegen Tobias Jenke ein extrem sensitives
Instrument, mit dem an der Neutronenquelle des ILL in Grenoble die
Gravitationskraft vermessen werden konnte. Neutronen sind dafür optimal
geeignet: Sie sind elektrisch neutral und kaum polarisierbar. Auf sie kann im
Experiment bloß die Gravitation wirken - und allenfalls auch neue, bisher
unbekannte Zusatzkräfte.
Für das Experiment werden die Neutronen abgekühlt und zwischen zwei parallele
Platten hindurchgeschickt. Nach den Gesetzen der Quantenphysik kann sich das
Neutron dabei nur in ganz bestimmten Zuständen mit ganz bestimmten Energien
befinden, die von der Stärke der Kraft abhängt, die von der Gravitation auf das
Teilchen ausgeübt wird. Indem man die untere Platte vibrieren lässt, kann man
die Neutronen zwischen den Zuständen hin und her wechseln lassen. So lassen sich
die Abstände der Energieniveaus vermessen.
"Das Experiment ist ein wichtiger Schritt zur Modellierung gravitativer
Wechselwirkungen bei sehr kleinen Distanzen. Die Neutronen am ILL und die
Messinstrumente aus Wien bilden zusammen das beste Werkzeug, um nach winzigen
Abweichungen von der Newton'schen Gravitationstheorie zu suchen, die von manchen
Theorien vorhergesagt werden", sagt Peter Geltenbort vom ILL Grenoble.
Wie leicht eine solche Abweichung aufzufinden ist, hängt von verschiedenen
Parametern ab - zum Beispiel von der Stärke der Kopplung eines hypothetischen
neuartigen Feldes an die bekannte Materie. Bestimmte Wertebereiche für diese
Parameter gelten längst als ausgeschlossen: Gäbe es eine "Quintessenz" mit
solchen Kopplungsstärken, hätte man sie bereits in anderen
Präzisions-Experimenten finden müssen. Doch noch immer blieb ein großer
"erlaubter" Parameterbereich, in dem sich neue physikalische Phänomene
verstecken könnten.
Mit der Neutronen-Methode lassen sich nun allerdings Theorien in diesem
Bereich testen: "Bisher konnten wir bei unseren Messungen keine Abweichungen zum
bekannten Newton'schen Gravitationsgesetz finden", so Abele. "Dadurch können wir
nun einen weiten Bereich von Parametern ausschließen." Die Messergebnisse legen
nun ein Limit für den Kopplungsparameter fest, das hunderttausend Mal unterhalb
der Grenzen liegt, die sich aus anderen Messmethoden ergaben.
Auch wenn sich auf diese Weise bestimmte hypothetische Teilchen ausschließen
lassen, ist es freilich noch immer möglich, dass sich unterhalb dieser
verbesserten Nachweisgrenze neuartige Physik versteckt. Die von den Wiener
Wissenschaftlern entwickelte Gravitations-Resonanz-Methode soll daher nun noch
weiter verbessert werden. Einige Größenordnungen an Genauigkeits-Verbesserung
scheinen noch möglich. Wenn sich auch dann keine Hinweise auf Abweichungen von
den bekannten Kräften ergeben, könnte Albert Einstein schließlich noch Recht
behalten: Seine kosmologische Konstante erscheint dann immer plausibler.
Einen Fachartikel über die Untersuchungen hat das Team inzwischen zur
Veröffentlichung eingereicht.
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