Keine Sonderregeln im Milchstraßenzentrum
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Bonn astronews.com
15. April 2014
Läuft die Sternentstehung im Milchstraßenzentrum anders ab?
Zumindest die dort zahlreich vorkommenden isolierten massereichen Sterne
schienen bislang darauf hinzudeuten. Astronomen der Universität Bonn und der TU
Berlin haben nun aber mithilfe von Simulationen gezeigt, dass das Auftreten der
Einzelgänger auch anders erklärt werden kann.

Das Foto zeigt zwei der drei
Starburst-Zentren, in denen viele der Sterne im
Zentrum der Milchstraße entstanden sind - den
Arches- und den Quintuplet-Haufen.
Bild: NASA/JPL-Caltech / Spitzer
Weltraum-Teleskop / S. Stolovy [Gesamtansicht] |
In der Zentralregion unserer Heimatgalaxie, der Milchstraße, bilden sich in
großem Tempo neue Sterne. Manche von ihnen sind wahre Schwergewichte: Ihre Masse
übersteigt die der Sonne um den Faktor 20 oder mehr. Man findet solche
massereichen Sterne auch andernorts in der Milchstraße. Auffällig ist, dass sie
dort nur selten einzeln vorkommen, sondern fast ausschließlich in Gruppen.
In der Zentralregion scheint das anders zu sein. Teleskopaufnahmen dieses
Gebiets zeigen eine erstaunliche Menge einzelner massereicher Sterne, die
scheinbar völlig isoliert liegen. Als Ursache vermuteten viele Astronomen
bislang besondere Entstehungsbedingungen, die aus überzeugten "Rudelgängern"
stellare Eigenbrödler machten.
Möglicherweise ist der Grund aber profaner als bislang gedacht. In der
zentralen Region der Milchstraße gibt es drei sogenannte Starburst-Sternhaufen.
In ihnen haben sich vor einigen Millionen Jahren sehr viele Sterne gebildet,
darunter auch massereiche Giganten. Die rätselhaften Einzelgänger scheinen aber
zu weit entfernt zu sein, um ebenfalls aus diesen Starburst-Zentren zu stammen.
Doch ist das wirklich so? Aufgrund der großen Anzahl von Sternen in der
Zentralregion müssen dort starke Gravitationskräfte herrschen - Astronomen
sprechen auch von Gezeitenkräften. Diese zerren an den Starburst-Zentren und
sollten sie, so zumindest die Vermutung von Astronomen der Universität Bonn und
der TU Berlin, im Laufe der Zeit deutlich verformt haben.
"In Computersimulationen sehen wir, dass die Starburst-Haufen durch die
Gezeitenkräfte lange armähnliche Strukturen ausbilden", erläutert Maryam Habibi,
die Erstautorin einer jetzt in der Fachzeitschrift Astronomy & Astrophysics
veröffentlichten Studie. "Die Simulation postuliert, dass sich entlang dieser
Arme massereiche Sterne von ihrer Geburtsstätte wegbewegen - und zwar genau
dorthin, wo wir sie tatsächlich sehen."
Damit löst sich möglicherweise ein langjähriges Rätsel um den Zentralbereich
der Milchstraße: Die scheinbar isolierten Giganten könnten zum größten Teil in
den bekannten Starburst-Zentren entstanden sein. Im Teleskopbild wirken sie
heute isoliert, weil sie sich inzwischen weit von ihrem Ursprung entfernt haben.
Ihre Nachbarsterne, die den Gezeitenarm bevölkern, sind so klein und
leuchtschwach, dass sie von der Erde aus mit Teleskopen nicht auszumachen sind.
Das könnte bedeuten, dass in der Zentralregion der Milchstraße bei der
Sternentstehung also keine Sonderregeln gelten: Auch dort entstanden massereiche
Sterne nicht einzeln, sondern in Gruppen.
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