Riesen-Galaxienhaufen noch massereicher
von Stefan Deiters astronews.com
8. April 2014
Vor etwas mehr als zwei Jahren berichteten Astronomen von
der Entdeckung eines äußerst massereichen Galaxienhaufens in großer Entfernung.
Sie nannten das Objekt El Gordo - der Dicke. Neue Beobachtungen mit dem
Weltraumteleskops Hubble zeigten jetzt, dass der Galaxienhaufen noch
massereicher ist, als man ursprünglich angenommen hatte.
Hubbles Blick
auf El Gordo. Die errechnete Massenverteilung des
Haufens ist in Blau eingetragen.
Bild: NASA, ESA und J. Jee (University of
California, Davis) [Großansicht] |
Mithilfe des Weltraumteleskops Hubble haben Astronomen nun die Masse
des Galaxienhaufens ACT-CL J0102-4915 neu bestimmt. Das Objekt, über dessen
Entdeckung erstmals 2012 berichtet wurde (astronews.com berichtete), war schon
damals deutlich massereicher als erwartet und wurde von den Astronomen daher "El
Gordo" getauft, nach dem spanischen Wort für "der Dicke" oder "der Fette". Die
neuen Hubble-Beobachtungen ergaben nun, dass dieser Spitzname mehr als
berechtigt ist: El Gordo dürfte noch deutlich massereicher sein, als
ursprünglich angenommen.
Die Astronomen hatten auf den Hubble-Bildern präzise
ermittelt, wie die Masse des Haufens die Bilder noch entfernterer Galaxien
verzerrt und so eine Gesamtmasse von El Gordo errechnet, die der drei
billiardenfachen Masse unserer Sonne entspricht. Nach den neuen Daten ist der
Galaxienhaufen damit rund 43 Prozent massereicher als auf Grundlage von
Röntgenbeobachtungen anfangs errechnet worden war.
"Das alles macht es noch wahrscheinlicher, dass es sich hierbei
tatsächlich um ein sehr faszinierendes System im jungen Universum handelt",
unterstreicht James Lee von der University of California in Davis, der
die Beobachtungen leitete. Ein Teil der Masse des Haufens befindet sich in den
vielen Hundert Galaxien, die das System bilden. Ein deutlich größerer Teil
allerdings liegt in Form von heißem Gas vor, das im gesamten Haufen zu finden
ist. Hinzu kommt ein nicht unwesentlicher Anteil an Dunkler Materie.
Massereiche Galaxienhaufen sind in unserem näheren Universum nichts wirklich
Ungewöhnliches. In größerer Entfernung allerdings, und damit zu einer Zeit, in
der das Weltall deutlich jünger war als heute, kommen sie weitaus seltener vor.
El Gordo beispielsweise, der so weit von der Erde entfernt ist, dass wir ihn zu
einer Zeit sehen, in der das Universum nur etwa halb so alt war wie heute, ist
ein in dieser Entfernung bislang einzigartiges Objekt.
2012 hatte man die Masse des Haufens mithilfe von Daten über die Bewegung der
Haufengalaxien und aus Röntgenbeobachtungen des heißen Gases ermittelt. Bei El
Gordo scheint es sich allerdings um das Ergebnis der Kollision von zwei
Galaxienhaufen zu handeln. "Die Herausforderung war nun, herauszufinden, was
mitten in einer Verschmelzung von zwei Galaxienhaufen mit dem heißen Gas
passiert, das für die Aussendung von Röntgenstrahlen verantwortlich ist, und mit
der Bewegung der Haufengalaxien", erklärt John Hughes von der Rutgers
University. "Wegen des komplizierten Verschmelzungsprozesses war die Frage,
wie zuverlässig die Massenabschätzungen sind, die wir auf Grundlage dieser
Beobachtungen gemacht haben."
Hier genau konnten nun die neuen Hubble-Beobachtungen helfen: "Wir
brauchten dringend eine unabhängige und robuste Möglichkeit, die Masse des
Haufens abzuschätzen, auch angesichts seiner Ausnahmestellung", erklärt Felipe
Menanteau von der University of Urbana-Champaign. So erschien es als
durchaus wahrscheinlich, dass man wegen des speziellen Winkels, unter dem die
Haufenkollision von der Erde aus zu beobachten ist, einen Teil der
Bewegungsenergie der Verschmelzung gar nicht messen kann und somit die
Gesamtmasse bei einer dynamischen Abschätzung unterschätzt wird.
Mit Hubble war nun eine unabhängige Massenabschätzung möglich, indem
man auf den Hubble-Beobachtungen nach Hinweisen darauf suchte, wie die
Masse des Haufens den Raum krümmt. Erkennbar ist dies an den leicht verzerrten
Bildern von Galaxien, die - von der Erde aus betrachtet - weit hinter El Gordo
liegen. Als nächstes planen die Astronomen ein großes Mosaikbild zu erstellen,
das den gesamten Haufen zeigt. El Gordo ist so groß, dass er - trotz seiner
Entfernung - nicht mit nur einer Beobachtung von Hubble erfasst werden
kann.
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