Verschmelzungen beschleunigten Sterne
Redaktion
/ Pressemitteilung des Leibniz-Instituts für Astrophysik Potsdam (AIP) astronews.com
31. März 2014
Astronomen haben eine Erklärung dafür gefunden, warum Sterne
mit hohem Alter in unserer Milchstraße offenbar sehr unterschiedliche vertikale
Geschwindigkeiten aufweisen. Zu tun hat dies vermutlich mit zahlreichen
Verschmelzungen unserer Heimatgalaxie mit kleineren Galaxien. Die Studie verrät
so auch etwas über die Entstehungsgeschichte der Milchstraße.
Ausschnitte aus einer Simulation der Entwicklung
der Milchstraße.
Bild: AIP |
Ein Team von Wissenschaftlern unter der Leitung von Ivan Minchev vom
Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP) hat einen Weg gefunden, die
Entstehungsgeschichte der Milchstraße in neuer Detailtiefe zu rekonstruieren.
Maßgeblich für die vor einigen Wochen publizierten Ergebnisse ist die
Untersuchung eines Datensets von Sternen im Umkreis der Sonne.
Die Astronomen untersuchten, wie die Bewegung von Sternen senkrecht zur
galaktischen Scheibe von ihrem Alter abhängt. Da eine direkte Bestimmung des
Alters von Sternen schwierig ist, analysierten sie zunächst die chemische
Zusammensetzung der Sterne: Hier verrät des Verhältnis von Magnesium zu Eisen
(Mg/Fe) ein hohes Alter. Für ihre Studie nutzte das Team von Minchev
hochaufgelöste Daten des RAdial Velocity Experiments (RAVE) über Sterne
im weiteren Umkreis der Sonne.
Die Wissenschaftler stellten so fest, dass die Faustformel "je älter ein
Stern ist, desto schneller bewegt er sich senkrecht zur galaktischen Scheibe"
nicht für jene Sterne mit dem höchsten Magnesium-Eisen-Verhältnis zutrifft. Bei
diesen ist ganz im Gegenteil ein extremer Abfall der vertikalen Geschwindigkeit
zu beobachten.
Die Wissenschaftler verglichen daraufhin die Beobachtungsdaten mit
astronomischen Simulationen. Eine Erklärung für ihre Beobachtungen fanden sie in
den sogenannten "Merger-Effekten", bei denen kleinere Galaxien in den
Galaxienorbit eintreten. Astronomen gehen von Hunderten solcher Kollisionen in
der Entstehungsgeschichte der Milchstraße aus.
Merger-Effekte wirken sich insbesondere auf die Sterne am Galaxienrand aus,
da diese den Kräften der eindringenden Körpern unmittelbar ausgesetzt sind. Dies
führt zu einer Geschwindigkeitssteigerung der betroffenen Sterne und zu einer
Erhöhung ihres Bewegungsradius senkrecht zur galaktischen Scheibe.
Sterne, die sich eher im Zentrum der Milchstraße befinden, sind hingegen nur
wenig beeinflusst von eindringenden Galaxien und keiner zusätzlichen
Bewegungsenergie ausgesetzt. Sie migrieren erst zeitversetzt, bedingt durch von
Mergern ausgelöste Spiralkräfte, vom Galaxienzentrum weg Richtung Sonne und
verfügen über eine vernachlässigbare senkrechte Bewegungsgeschwindigkeit.
Dies erklärt warum wir heute Sterne im Umkreis der Sonne beobachten können,
die zwar ein ähnliches Alter haben, sich in ihrer Geschwindigkeit jedoch stark
voneinander unterscheiden. "Mit unseren Ergebnissen wird es möglich sein, die
Entwicklung unserer Heimatgalaxie genauer als zuvor nachzuzeichnen und zwar
indem wir uns anschauen, welche Sterne um uns herum sind und wie sich diese
bewegen", so Minchev. "Darüber können wir ableiten, welche Sterne wann und von
wo ihren Weg vom Zentrum der Milchstraße in die äußere Galaxis angetreten haben.
Unser Verständnis der Entwicklung der Milchstraße wird dadurch ein besseres
werden."
Über ihre Resultate berichteten die Wissenschaftler im Januar in der
Fachzeitschrift Astrophysical Journal Letters.
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