Einblick ins Innere von Gasriesen
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Deutschen Elektronen-Synchrotrons (DESY) astronews.com
12. März 2014
Mithilfe des Röntgenlasers FLASH des Deutschen
Elektronen-Synchrotron (DESY) ist Wissenschaftlern quasi ein indirekter Blick
ins Innere von Gasriesen gelungen. Sie verfolgten, wie flüssiger Wasserstoff zu
Plasma wird, was Aufschluss über dessen Wärmeleitfähigkeit und inneren
Energieaustausch gibt. Diese Parameter sind für Planetenmodelle von großer
Bedeutung.

Der Wasserstoffstrahls in der
Experimentierkammer.
Bild: Sven Toleikis/DESY |
Die Atmosphäre von Gasplaneten besteht zum großen Teil aus Wasserstoff, dem
häufigsten chemischen Element im Universum. "Man weiß experimentell kaum etwas
über den Wasserstoff im Inneren solcher Planeten", erläutert Dr. Ulf Zastrau von
der Universität Jena. "Auch wenn die theoretischen Modelle schon sehr gut sind." Um dies ein wenig zu ändern, haben die Forscher daher mit kaltem, flüssigen
Wasserstoff experimentiert und diesen als eine Art Probe aus der
Planetenatmosphäre benutzt.
"Flüssiger Wasserstoff hat eine Dichte, wie sie den
unteren Atmosphärenschichten großer Gasplaneten entspricht", erklärt Zastrau.
Mit dem Röntgenlaser FLASH am Deutsches Elektronen-Synchrotron (DESY) haben die
Wissenschaftler den flüssigen Wasserstoff auf einen Schlag von minus 253 Grad
Celsius auf rund 12.000 Grad Celsius erhitzt und gleichzeitig die Eigenschaften
des Elements während des Erhitzens beobachtet.
Wasserstoff ist das einfachste Atom des Periodensystems, es besteht aus einem
Proton im Atomkern, das von einem einzelnen Elektron umkreist wird.
Normalerweise kommt Wasserstoff als hantelförmiges Molekül aus zwei Atomen vor.
Durch den Röntgenlaserblitz werden zunächst nur die Elektronen erhitzt, die nach
und nach ihre Energie an die etwa 2.000-mal schwereren Protonen abgeben, bis
sich ein thermisches Gleichgewicht einstellt.
Die Molekülbindungen brechen dabei auf, es entsteht ein sogenanntes Plasma
aus Elektronen und Protonen. Obwohl dazu viele Tausend Stöße zwischen Elektronen
und Protonen nötig sind, stellt sich das thermische Gleichgewicht bereits nach
knapp einer billionstel Sekunde (Pikosekunde) ein, wie die Untersuchungen
zeigen.
"Was wir machen, ist Labor-Astrophysik", so Zastrau. Bislang stützen sich
Forscher auf Rechenmodelle, wenn sie das Innere von Gasplaneten wie Jupiter
beschreiben. Wichtige Parameter sind dabei die sogenannten dielektrischen
Eigenschaften des Wasserstoffs, das sind unter anderem die Wärme- und die
elektrische Leitfähigkeit, denn in den großen Gasplaneten findet ein starker
Wärmetransport von innen nach außen statt.
"Die Untersuchung verrät uns die dielektrischen Eigenschaften des flüssigen
Wasserstoffs", ergänzt Teammitglied Dr. Philipp Sperling von der Universität
Rostock. "Wenn man weiß, welche thermische und elektrische Leitfähigkeit die
einzelnen Wasserstoffschichten in der Atmosphäre eines Gasplaneten haben, lässt
sich daraus das zugehörige Temperaturprofil berechnen."
Mit ihren Versuchen haben die Forscher zunächst einen Punkt im sogenannten
Phasendiagramm von Wasserstoff festgelegt. Um ein detailliertes Bild der
gesamten Planetenatmosphäre zu erstellen, müssen diese Versuche bei anderen
Drücken und Temperaturen wiederholt werden. Die Untersuchung erfordert großen
Aufwand, nicht zuletzt weil Wasserstoff normalerweise auf der Erde nicht in
flüssiger Form vorkommt.
Um Wasserstoffgas zu verflüssigen, muss es auf etwa 20
Grad über dem absoluten Nullpunkt der Temperatur, also auf -253 Grad Celsius
heruntergekühlt werden. "Wir nehmen extrem reinen Wasserstoff aus einer
handelsüblichen Gasflasche und pressen ihn durch einen Kupferblock, der von
flüssigem Helium gekühlt wird", beschreibt DESY-Forscher Dr. Sven Toleikis aus
dem Team.
In dem Kupferblock wird der Wasserstoff tiefgekühlt, wobei er kondensiert.
"Dabei muss die Temperatur sehr genau kontrolliert werden. Wird der Wasserstoff
zu kalt, gefriert er und verstopft die Leitung", sagt Toleikis. Mit einer
kleinen Heizung wird der Wasserstoff daher bei Bedarf wieder verflüssigt. Am
Ende des Kupferblocks ragt eine Düse wie ein Finger in die
Vakuum-Experimentierkammer. Aus ihrer Spitze fließt ein feiner
Wasserstoffstrahl, der nur einen fünfzigstel Millimeter (20 Mikrometer)
Durchmesser hat. Dieser Aufbau ist in jahrelanger Zusammenarbeit der Universität
Rostock mit DESY entstanden.
Um die Eigenschaften des flüssigen Wasserstoffs beim Verdampfen zu
untersuchen, beschossen die Forscher den feinen Strahl mit weicher
Röntgenstrahlung aus DESYs Freie-Elektronen-Laser FLASH. "Für die Untersuchung
haben wir die einzigartige Möglichkeit von FLASH benutzt, die einzelnen Blitze
aufzuteilen", erläutert Toleikis. "Die erste Hälfte des Blitzes heizt den
Wasserstoff auf, mit der zweiten Hälfte lassen sich dann seine Eigenschaften
untersuchen."
Mit der sogenannten Split-and-Delay-Einheit, die in Zusammenarbeit mit der
Universität Münster und dem Helmholtz-Zentrum Berlin entstanden ist, wird die
zweite Hälfte des Blitzes gezielt um winzige Sekundenbruchteile (bis zu 15
billionstel Sekunden) verzögert. Untersucht man das System auf diese Weise zu
leicht unterschiedlichen Zeiten, lässt sich in einer Art Superzeitlupe
beobachten, wie sich ein thermisches Gleichgewicht zwischen den Elektronen und
den Protonen im Wasserstoff einstellt.
Die Interpretation der Beobachtungsdaten war allerdings nicht einfach. "Wir
haben lange nicht genau verstanden, was im Experiment passiert", sagt der
Rostocker Arbeitsgruppenleiter Prof. Ronald Redmer. Die Forscher bedienten sich
zur Modellierung des Prozesses der sogenannten Dichtefunktionaltheorie, eines
Standardwerkzeugs der Quantenphysik, um Systeme mit vielen Elektronen korrekt zu
beschreiben. Dieses Standardverfahren funktioniert jedoch nicht für Systeme mit
zwei unterschiedlichen Temperaturen wie im FLASH-Experiment. "Erst nachdem wir
die Dichtefunktionaltheorie durch ein Zwei-Temperaturen-Modell erweitert haben,
ließ sich die Beobachtung richtig beschreiben", so Redmer.
"Unser Experiment hat uns die Möglichkeiten gezeigt, wie sich dichte Plasmen
mit Röntgenlasern untersuchen lassen", betont Dr. Thomas Tschentscher,
wissenschaftlicher Direktor am Röntgenlaser European XFEL, an dem 2017 erste
Experimente möglich sein werden. "Diese Methode öffnet den Weg für weitere
Untersuchungen, beispielsweise an dichteren Plasmen schwererer Elemente und
Gemische, wie sie im Inneren von Planeten vorkommen. Von den Ergebnissen
erhoffen wir uns unter anderem eine experimentell begründete Antwort auf die
Frage, warum die bisher außerhalb unseres Sonnensystems entdeckten Planeten
nicht in allen denkbaren Kombinationen von Eigenschaften wie Alter, Masse, Größe
oder Elementzusammensetzung auftreten, sondern bestimmten Gruppen zugeordnet
werden können."
Über ihre Untersuchungen berichtet das Team nun in einem Fachartikel in der
Zeitschrift Physical Review Letters.
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