Mit modularen Satelliten gegen Weltraummüll
Redaktion
/ Pressemitteilung der TU Berlin astronews.com
6. Februar 2014
Forscher der Technischen Universität Berlin wollen die
Raumfahrt grüner machen. Die Experten arbeiten an einem Konzept, mit dessen
Hilfe man Satelliten nach einem Baukastenprinzip zusammensetzen und so einfacher
im All warten und reparieren kann. Dies soll unter anderem dazu beitragen,
Weltraummüll zu vermeiden, der schon jetzt eine Gefahr für die Raumfahrt
darstellt.

Schon heute umkreisen unzählige
Trümmerteile und ausgediente Satelliten die Erde.
Bild: ESA |
Der Menschheit ist inzwischen gelungen, auch im Weltall tonnenweise Schrott
zu hinterlassen. Nach Angaben des US Space Surveillance Network
schwirrten im April 2013 etwa 6.300 Tonnen Raumfahrtmüll unkontrolliert um die
Erde. Vor fünf Jahren, am 10. Februar 2009, passiert es dann: Erstmals
kollidierte ein aktiver mit einem abgeschalteten Satellit. Bei dem Crash wurden
beiden Satelliten zerstört. Der Müll gefährdet also ganz konkret die Raumfahrt.
Das betrifft jedoch auch das Leben auf der Erde, denn ohne Satelliten
funktioniert auf dem blauen Planeten kaum noch etwas. Ganze Wirtschaftszweige
wie die Logistik, der Verkehr, die Wettervorhersage und die Wissenschaft
sowieso, von der gesamten Kommunikation ganz zu schweigen - sie alle hängen von
Satelliten ab. Auch in der Landwirtschaft kommen sie mittlerweile zum Einsatz.
Wie das Problem des Weltraummülls in den Griff zu bekommen ist, ist deshalb
in der Raumfahrt, aber auch in der Wissenschaft von nicht unwesentlicher
Bedeutung. Herumvagabundierende Satelliten und bei Kollisionen freigesetzte
Teile einzusammeln und sie auf sogenannte "Friedhoforbits" zu schießen, wo sie
keine Gefahr mehr darstellen, beziehungsweise sie in die Erdatmosphäre zu
bringen und dort verglühen zu lassen, ist eine Strategie.
Im Bereich Raumfahrttechnik der Technischen Universität Berlin arbeiten
Forscher jetzt an einer Alternative: Raumfahrtmüll soll von vornherein vermieden
beziehungsweise minimiert werden. In dem Projekt "iBOSS" - Intelligente
Baukastenkonzepte für das On-Orbit-Satelliten-Servicing" verfolgen die
TU-Forscher zusammen mit ihren Kooperationspartnern deshalb das Ziel, Satelliten
im Weltall zu reparieren.
Das klingt allerdings leichter, als es ist. "Bislang werden Satelliten so
konstruiert und gebaut, dass sie nicht zu reparieren sind. Es sind monolithische
Systeme, man könnte auch sagen Wegwerfsysteme", erklärt Jana Weise, die
Koordinatorin des iBOSS-Projekts. "Der Austausch von defekten oder veralteten
Baugruppen ist nicht vorgesehen. Das wäre jedoch ein Weg, die Lebensdauer von
Satelliten zu verlängern und sie am Ende vielleicht auch zu entsorgen."
In der ersten Projektphase haben Weise und ihre Kollegen daran geforscht, wie
ein Satellit gebaut werden muss, damit er überhaupt gewartet werden kann. Ihre
Lösung: ein Baustein-Konzept. "Wir haben den Satelliten in die Komponenten
seiner einzelnen Subsysteme wie etwa die Energieversorgung, die Lageregelung,
die Kommunikation und viele weitere zerlegt", erklärt Weise das Prinzip.
"Diese Komponenten verpacken wir in Bausteine, die jeweils eine
standardisierte Grundgröße oder auch das Vielfache dieser Grundgröße aufweisen.
In einem Modul zum Beispiel ist die Sternkamera untergebracht. In einem anderen
der Tank, wiederum in einem anderen die Batterie und in einem vierten das
Funksystem. Bei einem Defekt, zum Beispiel der Batterie, was nicht selten der
Fall ist, kann dann der entsprechende Baustein herausgelöst und dem Satelliten
ein neuer Batteriebaustein eingesetzt werden," so Weise weiter.
Die Modularisierung der Satelliten ermöglicht dabei nicht nur eine Reparatur,
sondern auch den Austausch veralteter Systeme durch moderne. Wartung und
Modernisierung würden so die Lebensdauer eines Satelliten verlängern und Müll
vermeiden. Das Baustein-Prinzip bringt aber eine weitere wissenschaftliche
Herausforderung mit sich. Es entstehen Schnittstellen: mechanische, elektrische,
thermische und die Datentransferschnittstelle.
Die mechanische Schnittstelle betrifft die Kopplung der Bausteine
miteinander. Die Verbindungen müssen einerseits stabil, andererseits wieder
lösbar sein. Diese Anforderung gilt für alle vier Schnittstellen. Die
elektrische Schnittstelle muss gewährleisten, dass alle Systeme in den
Bausteinen trotz fehlender durchgehender Kabel mit Energie versorgt werden. Das
Gleiche gilt für die Datenübertragungsschnittstelle: Die Kamera in Baustein C
muss den Befehl vom Computer in Baustein A erhalten, ein Bild zu machen oder die
Daten zur Erde zu funken.
Die thermische Schnittstelle schließlich muss garantieren, dass alle Systeme
in den für sie angemessenen Temperaturbereichen arbeiten. Batterien zum Beispiel
reagieren auf Kälte sehr empfindlich, weshalb es notwendig werden kann, Wärme
von einem Baustein zu einem anderen zu transferieren. Die Entwicklung einer
wartungsfähigen Satellitenarchitektur und intelligenter Schnittstellen (bis auf
die mechanische) gehören zu den Aufgaben der TU-Forscherinnen und -Forscher.
Neben der Betrachtung von Regelungskonzepten in modularisierten
Satellitensystemen wird das Schnittstellenproblem einer der Schwerpunkte in der
zweiten Projektphase sein, die über drei Jahre bis 2015 läuft. "Der
Nachhaltigkeitsgedanke kommt in der Raumfahrt bislang kaum vor. Mit unserem
Baustein-Konzept, bestehend aus reparaturfähigen standardisierten Modulen,
wollen wir beginnen, auch die Raumfahrt 'grün' zu machen", blickt Weise in die
Zukunft. Die Reparatur der Satelliten würde dann ein sogenannter
Service-Satellit übernehmen, der mit allen dazu benötigten Fähigkeiten
ausgestattet ist.
Das Projekt "iBOSS" wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und
Technologie gefördert.
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