Zeuge einer turbulenten Vergangenheit
von Stefan Deiters astronews.com
4. Februar 2014
Die Zusammensetzung der Asteroiden im Asteroidengürtel
zwischen Mars und Jupiter verrät etwas über die Entstehungsgeschichte des
Sonnensystems. Dies ergab jetzt eine detaillierte Untersuchung unzähliger großer
Brocken in dieser Region. Die Vielfalt der Asteroiden deutet nämlich darauf hin,
dass die Asteroiden einst durch eine Wanderung der Gasplaneten erheblich
durcheinandergewirbelt wurden.
Jupiter könnte
dafür verantwortlich sein, dass sich im
Asteroidengürtel ganz verschiedene
Asteroidenarten finden lassen.
Bild: David A. Aguilar (CfA) |
Asteroiden gelten als stumme Zeugen der Entstehungsgeschichte unseres
Sonnensystems, handelt es sich bei ihnen doch um das Material, das nicht zur
Bildung von Planeten verwendet wurde. Die meisten Asteroiden befinden sich heute
in einem Gürtel zwischen den Planeten Mars und Jupiter oder jenseits der Bahn
des Planeten Neptun. Hier kreisen sie - in der Regel ungestört - auf ihren
Bahnen um die Sonne.
Nicht immer war die Situation allerdings im Sonnensystem so ruhig: So gibt es
beispielsweise Hinweise darauf, dass in den Anfangsjahren des Sonnensystems die
inneren Planeten einem gewaltigen Bombardement von Asteroiden ausgesetzt waren.
Eine neue Untersuchung der Objekte im Asteroidengürtel liefert nun neue Indizien
für diese turbulente Vergangenheit unserer kosmischen Heimat.
"Wir haben entdeckt, dass die Riesenplaneten die Asteroiden
durcheinandergewirbelt haben wie die Flocken in einer Schneekugel", vergleicht
Francesca DeMeo vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics. DeMeo
und ihr Kollege Benoit Carry vom Observatoire de Paris haben über
100.000 Asteroiden, die auf Bildern des Sloan Digital Sky Survey zu
sehen sind, systematisch kartiert und so eine Karte erstellt, die etwas über den
Ursprung der Objekte verrät.
Der Entstehungsort eines Asteroiden sollte auch seine Zusammensetzung
beeinflussen: Asteroiden, die sich in den äußeren Regionen des Sonnensystems
gebildet haben, dürften beispielsweise mehr Wasser in Form von Eis enthalten als
Brocken, die in den wärmeren Regionen in Sonnennähe entstanden sind.
Informationen dazu leiteten die beiden Astronomen aus dem Spektrum des
Asteroiden ab und beschränkten sich zudem auf Objekte mit einem Durchmesser von
mehr als fünf Kilometern.
Durch diese Größenbeschränkung wollten DeMeo und Carry sicherstellen, dass sie
eine möglichst komplette Erfassung der Objekte bis zur entsprechenden Grenzgröße
vor sich hatten, um so einen Bias durch die Beobachtungen auszuschließen. Die
noch verbliebenen Asteroiden wurde nun entsprechend ihrer Größe und
Zusammensetzung und ihrem aktuellen Ort im Sonnensystem gruppiert.
Bei den großen Asteroiden in ihrer Aufstellung ergibt sich das eher
traditionelle Bild: Die weit von der Sonne entfernten Asteroiden sind offenbar
tatsächlich auch in den kalten Regionen des Sonnensystems entstanden. Bei
kleineren Objekten war dies deutlich anders: So fanden sich Asteroiden, die in
Sonnennähe entstanden sein dürften, überall im Sonnensystem und die in kälteren
Regionen entstandenen Brocken zudem auch in signifikanter Zahl im
Asteroidengürtel und damit näher an der Sonne als erwartet.
Diese Mischung von unterschiedlichen Asteroidenarten im Asteroidengürtel liefert
ein weiteres Indiz für eine Theorie, nach der sich der Gasriese Jupiter in den
ersten Millionen Jahren des Sonnensystems Richtung Sonne bewegt hat und dabei
möglicherweise genau durch den Asteroidengürtel gewandert ist. Die Bahnen der
Asteroiden in dieser Region wurden dadurch gestört, ein Großteil der Asteroiden
in andere Bereiche des Sonnensystems abgelenkt. Zudem gelangten neue Brocken aus
weiter entfernten Regionen in den Asteroidengürtel.
Auch für die Geschichte der Erde ist diese - durch die neuen Untersuchungen
erneut unterstützte - Idee von Interesse: So gibt es schon seit längerer Zeit
die These, dass das irdische Wasser durch Einschläge von Asteroiden und Kometen
auf die Erde gelangt ist. Eventuell könnte also erst die Migration der
Gasplaneten in der Frühphase des Sonnensystems dafür gesorgt haben, dass
überhaupt ausreichend eisreiche Asteroiden im inneren Sonnensystem vorhanden
waren.
Auch für die Suche nach einer zweiten Erde um eine ferne Sonne ist diese Frage
von Bedeutung: Sollte es nämlich so sein, dass ein Bombardement aus Asteroiden
nötig ist, um einen Gesteinsplaneten mit Wasser zu versorgen, könnte dies die
Wahrscheinlichkeit für die Existenz von tatsächlich erdähnlichen Planeten
verringern.
Über ihre Untersuchung berichteten die Astronomen in der vergangenen Woche in
der Fachzeitschrift Nature.
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