Sternentstehung im Molekülnebel
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Astronomie astronews.com
13. Dezember 2013
Astronomen haben über mehrere Jahre das auch als
Whirlpool-Galaxie bekannte System Messier 51 untersucht und dabei festgestellt,
dass die Molekülwolken dort offenbar in diffuse Molekül-Nebelschwaden
eingebettet sind, die die gesamte galaktische Scheibe durchziehen. Der Druck,
den diese Nebelschwaden ausüben, bestimmt, ob sich in den Wolken neue Sterne
bilden oder nicht.
Molekülwolken in
der Whirlpool-Galaxie M51. Die blauen Strukturen
zeigen die Verteilung der Wasserstoffmoleküle in
M51 an, des Rohmaterials für die Sternentstehung.
Im Hintergrund ist ein Bild der Galaxie im
sichtbaren Licht zu sehen, aufgenommen mit dem
Weltraumteleskop Hubble.
Bild: PAWS team/IRAM/NASA HST/T. A.
Rector (University of Alaska Anchorage) |
Die meisten Sterne einer Galaxie werden im Inneren von riesigen Molekülwolken
geboren. Dabei handelt es sich um Ansammlungen von Wasserstoffmolekülen mit
Massen, die die Masse unserer Sonne um das Tausendfache oder gar um mehrere
Millionen Mal übersteigen. Kollabiert eine Gasregion im Inneren dieser Wolken
unter ihrer eigenen Schwerkraft, dann zieht sich das Gas darin so weit zusammen,
bis Druck und Temperatur so hoch sind, dass Kernfusionsprozessen einsetzen
können: Ein neuer Stern ist entstanden.
Eine neue Studien stellt jetzt allerdings die bisherigen Ansichten der
Astronomen über diese Stern-Geburtsstätten infrage. "In den letzten vier Jahren
haben wir die bislang vollständigste Kartierung solcher riesigen Molekülwolken
in einer Spiralgalaxie vorgenommen, die unserer eigenen Milchstraße sehr ähnlich
ist", erklärt Eva Schinnerer vom Max-Planck-Institut für Astronomie in
Heidelberg, die Leiterin der Untersuchung. "Dazu haben wir rekonstruiert, wie
viele Wasserstoff-Moleküle es dort gibt und wie das Molekülgas sowie die älteren
und die jüngeren Sterne der Galaxie verteilt sind. Dabei ergibt sich ein Bild,
das sich deutlich von dem unterscheidet, was Astronomen bislang über diese
Molekülwolken dachten."
Im Rahmen des PdBI Arcsecond Whirlpool Survey (PAWS) wurde die
sogenannte Whirlpool-Galaxie (Messier M51) ins Visier genommen, eine rund 23
Millionen Lichtjahre entfernte Spiralgalaxie im Sternbild Jagdhunde. Ergebnis
der Durchmusterung mit dem Plateau de Bure Interferometer (PdBI) in den
französischen Alpen und dem IRAM-30-Meter-Teleskop in der spanischen Sierra
Nevada ist ein Wolkenatlas, der mehr als 1.500 einzelne Molekülwolken
verzeichnet.
"Astronomen haben sich diese Molekülwolken früher immer als Einzelgänger
vorgestellt, die für sich alleine durch das extrem dünne Gas des interstellaren
Mediums driften", erläutert Teammitglied Annie Hughes vom MPIA. "In den Wolken,
so dachte man, sei der überwiegende Teil der Wasserstoffmoleküle einer Galaxie
gespeichert. Stattdessen haben wir jetzt gezeigt, dass sich in der
Whirlpool-Galaxie rund die Hälfte der Wasserstoffmoleküle in einer Art diffuser
Nebelschwaden befinden, welche die Molekülwolken umgeben und die gesamte Scheibe
der Galaxie ausfüllen!"
Den Spiralarmen von Spiralgalaxien - Verdichtungen, die sich durch die
Galaxie ausbreiten wie Wellen auf einem See - hatten die Astronomen bereits
früher eine wichtige Rolle bei der Sternentstehung zugewiesen: In den
Spiralarmen mit ihrem dichteren Gas seien die Bedingungen für die Geburt neuer
Sterne besonders günstig. Doch die Studie zeigt, dass auch die neu entdeckten
"Nebelschwaden" aus Gas eine wichtige Rolle spielen.
"Die Molekülwolken sind definitiv keine Einzelgänger", so Sharon Meidt vom
MPIA, die ebenfalls an der Studie beteiligt war. "Im Gegenteil: Ob sich in einer
dieser Wolken neue Sterne bilden, hängt entscheidend von der Wechselwirkung
zwischen der Wolke, den umgebenden Nebelschwaden und der großräumigen Struktur
der Galaxie ab. Bewegen sich die Nebelschwaden relativ zu den Spiralarmen der
Galaxie, dann nimmt der Druck in ihrem Inneren ab – Folge eines allgemeinen
Strömungsgesetzes, des Bernoulli-Gesetzes. Auch auf die Wolken im Inneren der
Nebelschwaden wirkt dann nur noch ein geringerer Außendruck. Dadurch wird es
unwahrscheinlich, dass solch eine Wolke kollabiert und neue Sterne bildet."
Jerome Pety vom Institut de Radioastronomie Millimétrique (IRAM),
das die für die Untersuchung benutzten Teleskope betreibt, fügt hinzu: "Dies ist
ein schönes Beispiel dafür, wie unsere Teleskope ihre Stärken ausspielen können.
Die Kombination aus langer Beobachtungszeit, der Notwendigkeit von
Detailschärfe, wie sie nur ein Interferometer liefern kann, und von
Überblicksbildern, wie sie unsere 30-Meter-Antenne liefern kann – das wäre so an
keinem anderen Observatorium möglich gewesen."
Doch mit dem neuen Ergebnissen ist die Arbeit nicht getan: "Bislang haben wir
mit der Whirlpool-Galaxie nur eine einzige Beispielgalaxie derart genau
untersucht", so Schinnerer. "Als nächstes müssen wir nachprüfen, wieweit sich
unsere Ergebnisse auf andere Galaxien übertragen lassen. Dafür eignet sich die
geplante Erweiterung NOEMA des Verbundteleskops auf dem Plateau de Bure als auch
das Verbundteleskop ALMA in Chile - mit ihnen können wir Wolkenatlanten für
Spiralgalaxien erstellen, die noch deutlich weiter entfernt sind als die
Whirlpool-Galaxie."
Über ihre Beobachtungen berichten die Wissenschaftler in mehreren Fachartikeln,
die jetzt in der Zeitschrift The Astrophysical Journal erschienen sind.
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