Das Ende eines Kometenlebens
von
Stefan Deiters astronews.com
3. Dezember 2013
Inzwischen bestehen kaum noch Zweifel: Der Komet C/2012 S1 (ISON)
hat seinen nahen Vorüberflug an der Sonne am vergangenen Donnerstag nicht
überstanden. Selbst wenn ein Bruchstück des Kerns die Sonnenpassage überlebt
haben sollte, dürfte spätestens seit dem Wochenende auch davon nur noch Staub übrig sein.
Trotzdem hat ISON die Astronomen nicht enttäuscht.
Die Entwicklung des Kometen ISON bis Sonnabendmorgen in
Bildern der Sonnensonde SOHO. Die Aufnahme der Sonne in der
Mitte stammt vom Solar Dynamics Observatory.
Bild: ESA / NASA / SOHO / SDO / GSFC [Großansicht] |
Noch ist es zu früh, um die Geschichte der letzten Tage des Kometen C/2012 S1
(ISON) in allen Details aufschreiben zu können, doch verdichten sich inzwischen
die Indizien dafür, dass vom Kometenkern seit dem Wochenende nur noch Staub
übrig ist. Der Komet hatte auf seiner Bahn um die Sonne am Donnerstagabend der
vergangenen Woche unser Zentralgestirn in einem Abstand von nur rund 1,1
Millionen Kilometer passiert. Seine Oberfläche dürfte dabei Temperaturen von
rund 2.000 Grad Celsius ausgesetzt gewesen sein.
Kometen bestehen aus einer Mischung aus Gestein, Staub und Eis. Wenn sie sich
der Sonne nähern, heizt sich ihre Oberfläche auf. Das Eis verdampft, Gas und
Staub
gelangen ins All und es bildet sich ein oft eindrucksvoller Schweif aus. Dies war
auch beim Kometen ISON der Fall. Bei Kometen, die sich der Sonne aber zu weit
nähern, besteht die Gefahr, dass der Kern instabil wird, zerbricht und sich dann
vollkommen auflöst. So verfolgten Astronomen in der letzten Woche mit großer Spannung, welches
Schicksal ISON erwarten würde.
Anfangs schien die Sache klar zu sein: Auf den Bildern der Sonnensonde SOHO
war deutlich zu erkennen, wie der Komet bei Annäherung an die Sonne schwächer
wurde und sich schließlich sogar aufzulösen schien. Gleichzeitig war auf
Bildern des Solar Dynamics Observatory der NASA keine Spur von dem Kometen
auszumachen, was viele Wissenschaftler zu der Annahme verleitete, dass ISON
komplett zerfallen war.
Doch der Komet überraschte die Forscher: Plötzlich tauchte nämlich wieder
etwas auf der vorausberechneten Bahn des Kometen auf und wurde tatsächlich von
Stunde zu Stunde heller. Waren es lediglich Trümmerteile von ISON oder hatte
sogar ein kleiner Restkern die Sonnenpassage überstanden? Wäre letzteres der Fall,
hätte der Komet durchaus noch einmal am nächtlichen Himmel sichtbar werden könne, wenn
wohl auch nur mit dem Fernglas und nicht mit bloßem Auge.
Auch einige Tage später ist nicht wirklich klar, was genau auf den Bildern der Sonnensonde SOHO am Freitag als heller Punkt mit deutlichem Schweif zu erkennen war. Spätestens am Sonnabend
hatte sich das Bild nämlich wieder geändert: Ein heller Kern war nun
nicht mehr zu sehen und die Reste des Schweifs wurden schnell wieder schwächer. Was auch immer
es um die Sonne geschafft hatte, war wohl jetzt auch zu Staub zerfallen.
Weitere Beobachtungen der potentiell noch vorhandenen Reste von ISON können vielleicht helfen, das Rätsel
um die letzten Tage des Kometen zu lösen. Insbesondere hoffen Astronomen darauf, den
Kometen Ende Dezember auch mit dem Weltraumteleskop Hubble beobachten zu können.
Dann werden sich seine Überreste weit genug von der Sonne entfernt haben. Das Weltraumteleskop kann
nämlich keine
Objekte anvisieren, die sich zu nahe an der Sonne befinden.
Auch wenn ISON die Hoffnungen auf einen "Jahrhundertkometen" nicht erfüllt
hat, sind Wissenschaftler nicht unzufrieden: Seit seiner Entdeckung wurden mit
unzähligen Teleskopen Beobachtungen von ISON gemacht, so dass es über die
letzten Monate dieses Kometen mehr Daten gibt, als über jeden anderen
bislang untersuchten Kometen. Mit der Auswertung des Materials werden Astronomen
noch über Jahre beschäftigt sein.
ISON wurde im September 2012 mit einem Teleskop des International
Scientific Optical Network von zwei
russischen Astronomen entdeckt und trägt daher den Namen des Teleskopverbunds. Erste Berechnungen der Bahn von ISON hatten bald
gezeigt, dass der Komet aus der Oortschen Wolke stammt, einem vermuteten
Reservoir von eisigen Brocken aus der Entstehungszeit des Sonnensystems, das
unsere Sonne in großer Entfernung umgibt. Es dürfte der erste (und wohl auch
letzte) Besuch von ISON im inneren Sonnensystem gewesen sein.
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