Der Klecks im All sind drei Galaxien
von Stefan Deiters astronews.com
25. November 2013
Vor wenigen Jahren entdeckten Astronomen in großer
Entfernung einen eigentümlichen Klecks im All, den wir zu einer Zeit sehen, in
der unser Universum gerade einmal 800 Millionen Jahre alt war. Neue
Beobachtungen zeigen jetzt, um was es sich bei diesem Himiko getauften Objekt
handelt: Es sind drei Ur-Galaxien, die vor einer Verschmelzung stehen.
Himiko (Kasten) in einem Übersichtsbild von
Hubble (links) und in einer Nahaufnahme von
Hubble (rechts oben). Rechts unten ein Bild aus
Beobachtungen von Hubble, dem
Infrarot-Weltraumteleskop Spitzer und dem
Subaru-Teleskop. Der Halo aus Gas ist hier
deutlich zu erkennen.
Bild: NASA/Hubble, NASA/Spitzer,
NAOJ/Subaru [Großansicht] |
Als man den eigentümlichen Klecks am Himmel im Jahr 2009 entdeckte, wusste man
nicht, um was es sich bei dieser Ansammlung aus Gas eigentlich genau handelt. Sie war mit
einem Durchmesser von 55.000 Lichtjahren nämlich größer als alle ähnlichen Objekte, die
man bislang in dieser Entfernung entdeckt hatte. Die Distanz zu dem Objekt ist so groß, dass wir
das Universum hier in einem nur rund 800 Millionen Jahre alten Zustand sehen. Der
Klecks wurde von den Wissenschaftlern Himiko getauft, nach einer sagenumwobenen
japanischen Königin.
Neue Beobachtungen haben nun gezeigt, um was es sich bei Himiko tatsächlich
handelt. Und diese Entdeckung dürfte noch spektakulärer sein als das
ursprüngliche Aufspüren
des Flecks: Das Objekt besteht aus drei sehr einfachen Galaxien,
die in eine gewaltige Blase aus Gas eingebettet sind.
"Dieses ungewöhnlich seltene Dreifachsystem, das wir zu einer Zeit sehen, in
der das Universum gerade einmal 800 Millionen Jahre alt war, liefert uns
wichtige Einblicke in die frühste Phase der Galaxienentwicklung während einer
Epoche, die man als 'kosmische Morgendämmerung' bezeichnet, in der das Universum
erstmals im Licht der Sterne erleuchtete", beschreibt Richard Ellis, Professor
für Astronomie am California Institute of Technology die Bedeutung der
Entdeckung. "Was die Sache noch interessanter macht ist, dass die Galaxien
offenbar dabei sind, zu verschmelzen und sich eventuell einmal zu etwas
entwickeln könnten, was der Milchstraße ähnlich ist."
Nach der ursprünglichen Entdeckung hielt man Himiko zunächst für eine
einzelne Galaxie, womit das System aber für diese frühe Phase in der Geschichte
des Universums eine ungewöhnlich hohe Masse gehabt hätte. "Die neuen
Beobachtungen zeigten dann, dass es sich nicht um eine einzelne Galaxie handelt,
sondern um drei deutlich unterscheidbare helle Quellen, in denen intensive
Sternentstehung die gewaltige Wolke aus Gas aufheizt und ionisiert", erklärt
Masami Ouchi von der Universität in Tokyo, der das internationale Beobachterteam
leitete.
Doch trotz dieser Entdeckung, die die Astronomen mithilfe des
Weltraumteleskops Hubble machten, bleibt Himiko rätselhaft: In Regionen mit
intensiver Sternentstehung sollten sich nämlich auch schwere Elemente wie
Kohlenstoff, Silizium und Sauerstoff nachweisen lassen, die im Inneren von
massereichen Sternen entstehen. Diese beenden ihr nukleares Leben sehr schnell als Supernova
und reichern dadurch
das sie umgebende Gas mit diesen Elementen an.
"Wenn dieser Staub dann von der ultravioletten Strahlung von massereichen
jungen Sternen erwärmt wird, sendet er Radiowellen aus", erklärt Teammitglied
Kotaro Kohno von der Universität in Tokyo. "Eine solche Strahlung konnten wir in
Himiko aber nicht feststellen." Für die Suche nutzten die Astronomen das
Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA), einen Radioteleskopverbund
in der chilenischen Atacamawüste.
"Zu unserer Überraschung zeigten die Beobachtungen mit ALMA, dass es
überhaupt kein Signal von Kohlenstoff dort gibt, also von einem Element, das
sehr schnell in jungen Sternen entsteht. Angesichts der Empfindlichkeit von ALMA
ist dies wirklich bemerkenswert", so Ouchi. "Wie nun die große Aktivität in
Himiko zu dieser sehr ursprünglichen chemischen Zusammensetzung passt, ist schon
sehr rätselhaft."
Eventuell, so spekulieren die Astronomen, könnte ein großer Teil des Gases in
Himiko noch in dem ursprünglichen Zustand sein, in dem es direkt nach dem
Urknall war. Ist dies tatsächlich der Fall, würde es sich bei Himiko somit um eine Urgalaxie handeln,
also eine Galaxie, die gerade aus dem ursprünglichsten Material überhaupt entsteht - das wäre eine
kleine Sensation für Astronomen, die sich mit der Entwicklung von Galaxien
beschäftigen.
"Normalerweise sind Astronomen begeistert, wenn sie ein Signal von einem
Objekt entdecken", fasst Ellis die Situation zusammen. "In diesem Fall ist das
Fehlen von Signalen von schweren Elementen das Ergebnis, das am meisten
begeistert." Über ihre Resultate berichten die Wissenschaftler in der
Fachzeitschrift The Astrophysical Journal.
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