Aus einer Galaxie wurden zwei
von Stefan Deiters astronews.com
18. November 2013
Eigentlich wollten Astronomen mit den Radioteleskopen des
Very Large Array die Galaxie UGC 10288 genauer untersuchen. Doch dann
stellten sie fest, dass sie es nicht mit einer, sondern mit zwei Galaxien zu tun
hatten, die - von der Erde aus betrachtet - direkt hintereinanderliegen. Der
Fund bietet nun eine unerwartete Möglichkeit, mehr über die Galaxie im
Vordergrund zu erfahren.
Dieses Bild zeigt die Galaxie UGC 10288 in
verschiedenen Wellenlängenbereichen. Die
Radiodaten des VLA, auf denen sich die
neuentdeckte Galaxie im Hintergrund deutlich
erkennen lässt, sind blau dargestellt.
Bild: NASA/JPL-Caltech / NRAO / SDSS / NOAO /
University of Manitoba [Großansicht] |
Das Ziel der Astrononen war klar: Mithilfe des Karl G. Jansky Very Large
Array (VLA), einem Verbund von 27 Radioschüsseln in der Nähe von Socorro im
US-Bundesstaat New Mexiko, wollten die Forscher insgesamt 35 Galaxien im
Radiobereich genauer unter die Lupe nehmen. Eine dieser Galaxien war die über
100 Millionen Lichtjahre entfernte Spiralgalaxie UGC 10288, bei der wir von der
Erde aus fast direkt auf die Kante ihrer Scheibe blicken.
Mehrere Beobachtungen mit dem VLA in den Jahren 2011 und 2012 lieferten die
besten Ansichten im Radiobereich von UGC 10288, die bislang gemacht wurden und
zudem ein unerwartetes Ergebnis: Direkt hinter der Galaxie befindet sich
offenbar ein weiteres System mit starken Abstrahlungen im Radiobereich. Bislang
hatte man dessen Emissionen der Galaxie UGC 10288 zugeordnet. Die
Hintergrundgalaxie ist fast sieben Milliarden Lichtjahre von der Erde entfernt.
"Das hat das Bild komplett verändert, im wahrsten Sinne des Wortes", erinnert
sich Judith Irwin von der Queen's University im kanadischen Ontario.
"Wir haben nun ein anderes Verständnis der Eigenschaften von UGC 10288 und
außerdem eine ganz neue und unerwartete Möglichkeit, mehr über diese Galaxie zu
lernen."
Es sei, so die Astronomen, das erste Mal, dass eine solche Konstellation
entdeckt wurde. Besonders würde die Hintergrundgalaxie dadurch auffallen, dass
sie sehr starke Abstrahlungen im Radiobereich aufweist und zudem über
ausgedehnte Jets verfügt, also eng gebündelte Partikelstrahlen, die aus dem
Zentrum der Galaxie weit ins All hinausgeblasen werden.
Die Entdeckung hat bereits dazu geführt, dass die Wissenschaftler ihre
Abschätzung der Sternentstehungsrate von UGC 10288 korrigiert haben. In der
Spiralgalaxie scheinen doch nicht so viele neue Sterne zu entstehen, wie man
bislang angenommen hatte. Die Radiostrahlung, die man nämlich bisher als Hinweis
auf die Sternentstehungsaktivität wertete, konnte jetzt der Hintergrundgalaxie
zugeordnet werden.
Außerdem scheinen die Regionen im Außenbereich von UGC 10288 deutlich
vielfältiger zu sein als gedacht: So konnte man hier kleinere Strukturen
nachweisen, wie etwa einen Bogen, der sich über 11.000 Lichtjahre über die
Scheibe der Galaxie ins All erstreckt.
Durch die Hintergrundgalaxie und deren senkrecht zur Ebene von UGC 10288
ausgerichteten Jets im Radiobereich ergeben sich ganz neue
Untersuchungsmöglichkeiten: "Wir können nun die Radiowellen der
Hintergrundgalaxie, die uns durch die nähere Galaxie erreichen, verwenden, um
mehr über die Eigenschaften der näheren Galaxie zu erfahren", erklärt Jayanne
English von der University of Manitoba.
Eine erste Anwendung dieses Verfahrens lieferte beispielsweise Informationen
über die Magnetfelder in verschiedenen Bereichen von UGC 10288. "Wir bekommen
hier eine sehr lohnende wissenschaftliche Belohnung für diese unerwartete
Entdeckung der Hintergrundgalaxie", so Irwin. "Ironischerweise hätten wir UGC
10288 nie in unser Beobachtungsprogramm aufgenommen, wenn ihre Helligkeit im
Radiobereich in früheren Aufnahmen nicht durch die Galaxie im Hintergrund
verstärkt worden wäre."
Über ihre Beobachtungen berichteten die Astronomen in der Fachzeitschrift
The Astronomical Journal.
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