Junge Sterne im Garnelennebel
von Stefan Deiters astronews.com
18. September 2013
Die europäische Südsternwarte ESO hat heute eine neue
Aufnahme eines gewaltigen Sternentstehungsgebiets veröffentlicht, das in rund
6000 Lichtjahren Entfernung im Sternbild Skorpion liegt. Das Bild des auch als
Garnelennebel bekannten Objekts zählt zu den bislang detailliertesten Aufnahmen
dieser Region und zu den größten Einzelbildern, die die ESO veröffentlicht hat.
Die Garnelennebel im Sternbild Skorpion. Bild:
ESO / Martin Pugh [Großansicht] |
Der Nebel mit der Katalognummer IC 4628 hat unter Astronomen den Spitzennamen
"Garnelennebel" (im Englischen Prawn Nebula) erhalten und ist außerdem
unter der Bezeichnung Gum 56 bekannt. 1955 erstellte nämlich der amerikanische
Astronom Colin Gum einen Katalog sogenannter HII-Regionen, in dem auch IC 4628
unter der Nummer 56 aufgeführt war.
IC 4628 liegt rund 6.000 Lichtjahre von der Erde entfernt im Sternbild
Skorpion. Es handelt sich um eine gewaltige Region aus Gas und dichten dunklem
Staub. In den Gaswolken entstehen gerade neue Sterne, darunter auch einige sehr
helle und heiße Exemplare. Auf dem Bild erscheinen diese Sterne bläulich-weiß.
Sie senden aber nicht nur Licht im sichtbaren Bereich des Spektrums aus, sondern
auch intensive Strahlung in anderen Wellenlängenbereichen - insbesondere im
Ultravioletten.
Diese ultraviolette Strahlung ist für das Leuchten des Nebels verantwortlich:
Die Atome des Wasserstoffs, aus dem der Nebel hauptsächlich besteht, können
durch die intensive Strahlung ihr Elektron verlieren. Wenn sie sich anschließend
wieder ein Elektron einfangen, wird Energie in Form von Strahlung frei. Die
durch diesen Prozess entstehende Strahlung ist charakteristisch für das
jeweilige Element. Im Falle von Wasserstoff wird dabei hauptsächlich rötliches
Licht ausgesandt.
IC 4628 ist damit ein typisches Beispiel für eine HII-Region, ausgesprochen
"H-zwei-Region". Die Bezeichnung bezieht sich darauf, dass es sich hier um
ionisierten Wasserstoff handelt, also um Wasserstoffatome, die ihr Elektron
verloren haben. Für "normalen" Wasserstoff verwendet man die Bezeichnung "HI" -
gesprochen "H-eins".
Der Garnelennebel hat einen Durchmesser von ungefähr 250 Lichtjahren und am
Himmel damit eine Größe, die etwa der vierfachen Größe des Vollmondes
entspricht. Trotz dieser eigentlich beachtlichen Ausmaße wird der Nebel von
vielen Beobachtern oft übersehen, da er die meiste Strahlung in
Wellenlängenbereichen aussendet, für die das menschliche Auge unempfindlich ist.
In den letzten paar Millionen Jahren sind in IC 4628 zahlreiche neue Sterne
entstanden, darunter einzelne Sonnen, aber auch Sternhaufen. Eine große, als Collinder 316 bekannte Ansammlung von Sternen ist fast über das ganze Bild
verteilt. Zu erkennen sind auch dunkle Bereiche, in denen sich kaum Material
findet. Hier wurde die interstellare Materie von den heftigen Winden der heißen
jungen Sterne in der Nähe weggeblasen.
Die Daten für diese Aufnahme stammen vom VLT Survey Telescope (VST)
auf dem Gipfel des Paranal in Chile. Es ist das weltweit größte Teleskop, das
zur großflächigen Durchmusterung des Himmels im sichtbaren Bereich des Lichts
gebaut wurde. Es hat einen Durchmesser von 2,6 Metern und verfügt über eine
Kamera aus 32 CCD-Detektoren, die damit Bilder mit 268 Megapixel machen kann.
Die heute von der ESO veröffentlichte Aufnahme hat im Original eine Breite von
24.000 Pixel und wurde aus zwei Bildern zusammengesetzt. Zum Vergleich: Die zum
Bild gehörige Großansicht bei astronews.com ist gerade einmal 870 Pixel breit.
Die Beobachtungen wurden im Rahmen einer großangelegten Erfassung der
Milchstraße gemacht, bei der neue Objekte wie etwa junge Sterne oder
Planetarische Nebel gesucht werden sollen. Zusätzliche Farbinformationen für
diese Ansicht lieferten Bilder, die der äußerst talentierte australische
Amateurastronom Martin Pugh mit anderen Filtern aufgenommen hatte. Er verwendete
dazu ein 32-Zentimeter- und ein 13-Zentimeter Teleskop.
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