Rosetta-Komet wird früher aktiv
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung astronews.com
20. August 2013
Im kommenden Jahr wird die europäische Sonde Rosetta ihr Ziel, den Kometen Churyumov-Gerasimenko, erreichen und sofort
einiges zu beobachten haben. Eine neue Untersuchung ergab nämlich jetzt, dass
die Aktivität von Churyumov-Gerasimenko deutlich früher einsetzen dürfte, als
zuvor erwartet worden war. Bei ihrer Studie half den Forschern ein
Verfahren aus der Exoplanetensuche.

Während seines Umlaufs um die Sonne durchläuft
der Komet Churyumov-Gerasimenko verschiedene
Aktivitätsphasen.
Bild: MPS [Großansicht] |
Den Großteil ihres Daseins verbringen Kometen fernab der Sonne als nahezu
unveränderliche Brocken aus Eis und Gestein. Erst wenn sie sich der Sonne
nähern, setzt eine Verwandlung ein: Leichtflüchtige Stoffe verdampfen vom
Kometenkern und reißen Fontänen aus Staub mit. Die Teilchen formen die Koma und
hüllen den Kometenkern in dieser Atmosphäre vollständig ein. Aus der Kometenkoma
entwickelt sich auch der Schweif, der Kometen ihr charakteristisches Aussehen
verleiht. Dennoch sind diese Prozesse längst noch nicht im Detail verstanden.
Welche Faktoren setzen dieses Gas- und Staubspucken in Gang? Wie entwickelt sich
die Aktivität? Und welche Prozesse auf der Oberfläche und im Kern des Kometen
spielen dabei eine Rolle?
Diesen Fragen soll die ESA-Raumsonde Rosetta nachgehen. Im nächsten
Jahr wird sie am Kometen Churyumov-Gerasimenko eintreffen, im Herbst 2014 eine
Landeeinheit auf seiner Oberfläche absetzen und ihn auf seinem Weg in Richtung
Sonne begleiten. Die Mission bietet somit die einzigartige Möglichkeit, alle
Phasen der einsetzenden Kometenaktivität aus der Nähe zu beobachten.
Die neuen Ergebnisse einer Untersuchung, die von Wissenschaftlern des
Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS) geleitet wurde, deuten nun
darauf hin, dass der Komet bereits in einer sehr frühen Phase der Mission
spannende Einblicke erlauben könnte. "Bereits im März nächsten Jahres könnte
Churyumov-Gerasimenko aktiv sein", fasst Dr. Colin Snodgrass vom MPS die
Ergebnisse der Studie zusammen. Zwei Monate zuvor im Januar 2014 wird die
Raumsonde, die den letzten Teil des Weges zum Kometen in einer Art Winterschlaf
verbracht hat, wieder eingeschaltet.
Wissenschaftler stützen ihre Vorhersagen auf insgesamt 31 Datensätze, die
sie und andere Forschungsgruppen in der Zeit von 1995 bis 2010 an Teleskopen wie
etwa dem Very Large Telescope (VLT) der europäischen Südsternwarte
(ESO) aufgenommen haben. Die Aufnahmen zeigen den Kometen an verschiedenen
Stellen seiner Umlaufbahn um die Sonne und somit in verschiedenen Phasen der
Aktivität.
"Es ist uns gelungen, Daten aus dem kompletten Aktivitätszyklus von
Churyumov-Gerasimenko mit ein und derselbe Methode auszuwerten und somit
vergleichbar zu machen", erklärt Snodgrass. "Wir erhalten dadurch erstmals ein
umfassendes Bild, wie sich die Aktivität des Kometen auf seinem Weg um die Sonne
entwickelt", ergänzt seine Kollegin Dr. Cecilia Tubiana vom MPS. Besonders
detailliert betrachteten die Forscher die letzte Anflugphase des Kometen auf die
Sonne in den Jahren 2007 und 2008.
Als die ESA Churyumov-Gerasimenko vor zehn Jahren zum Ziel der Rosetta
Mission kürte, stieß dies eine Vielzahl von Beobachtungskampagnen an.
"Allerdings haben die meisten Daten von 2007, als der Komet weit weg von der
Sonne war, einen entscheidenden Schönheitsfehler", so Tubiana: Zu dieser Zeit
sei der Komet von der Erde aus nur vor dem Hintergrund des Galaktischen
Zentrums, dem Massenzentrum unserer Milchstraße, zu sehen gewesen. Von den
unzähligen Sternen hob sich der vergleichsweise lichtschwache Körper deshalb
kaum ab.
Diese Beobachtungssituation wird im nächsten Jahr, wenn Rosetta den
Kometen erreicht und seine Aktivität erneut einsetzt, ähnlich sein. Dann werden
wieder erdgebundene Teleskope ihren Blick auf Churyumov-Gerasimenko richten, um
mit ihren Aufnahmen die Daten der Rosetta-Sonde zu ergänzen.
In ihrer neuen Studie konnten die Forscher nun viele Aufnahmen, die bisher
unbrauchbar waren, auswerten. Schlüssel dazu war eine Methode, mit deren Hilfe
Wissenschaftler sonst Exoplaneten aufspüren. Dabei werden Bilder, die kurz
hintereinander aufgenommen wurden, voneinander abgezogen. Auf diese Weise
verschwindet der unübersichtliche Sternenhintergrund und nur Körper, die wie
Kometen ihre Position verändern, kommen zum Vorschein. Danach lässt sich die
Helligkeit des Kometen genau bestimmen.
Aus dem gesamten Helligkeitsverlauf während eines Sonnenumlaufs lässt sich so
rekonstruieren, wie aktiv der Komet zu welchem Zeitpunkt war. Für
Kometenbeobachtungen war diese Methode bisher unüblich - und für die meisten
Fragestellungen unnötig. Denn bei stärkerer Aktivität lassen sich Kometen in der
Regel recht einfach aufspüren.
Die aufwändigen Rechnungen lieferten Erstaunliches. Zur Überraschung der
Forscher zeigte der Komet 2007 bereits in einem Abstand von 4,3 Astronomischen
Einheiten (etwa 643 Millionen Kilometern) einen deutlichen Helligkeitsanstieg.
Dies entspricht dem 4,3-fachen Abstand zwischen Erde und Sonne. Bisher galt als
Faustformel, dass Kometen ab einem Abstand von etwa drei Astronomischen
Einheiten (etwa 449 Millionen Kilometern) beginnen, Gas und Staub freizusetzen.
Denn erst in dieser Entfernung erwärmt die Sonne die Kometenoberfläche so stark,
dass gefrorenes Wasser gasförmig wird.
"Für das frühere Einsetzen der Aktivität, das wir beobachtet haben, muss
deshalb ein anderes Gas verantwortlich sein", so Tubiana. Die Aktivität des
Kometen wird im März 2014 einsetzen "Da sich Churyumov-Gerasimenko von Umlauf zu
Umlauf recht ähnlich verhält, können wir die Ereignisse im nächsten Jahr gut
vorhersagen", so der leitende Wissenschaftler der Landemission Dr. Hermann
Böhnhardt, der ebenfalls an der Studie beteiligt war. Die Forscher gehen davon
aus, dass der Komet nach dem Auftakt im März 2014 den Höhepunkt seiner Aktivität
Mitte 2015 erreicht - etwa einen Monat nachdem er in seinem geringsten Abstand
an der Sonne vorbeigeflogen ist.
Über ihre Untersuchungen berichten die Astronomen in der Fachzeitschrift
Astronomy & Astrophysics.
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