Heftige Sternentstehung, weniger Sterne?
von Stefan Deiters astronews.com
25. Juli 2013
Neue Beobachtungen mit dem Radioteleskopverbund ALMA
lieferten Astronomen jetzt neue Hinweise darauf, dass heftige Sternentstehung in
einer Galaxie spätere Generationen von Sternen verhindern kann. Die Daten aus
der nahegelegenen Sculptor-Galaxie könnten erklären helfen, warum es im Universum
offenbar nur wenig extrem massereiche Galaxien gibt.
Galaxien wie unsere Milchstraße bestehen aus vielen Milliarden Sternen. Daher
ist die Frage von großer Bedeutung, wodurch die Anzahl der Sterne bestimmt wird,
die sich durch Sternentstehung in einer Galaxie neu bilden. Astronomen haben aus
diesem Grund mit dem Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA)
- einem
Radioteleskopverbund in der chilenischen Atacamawüste - die Sculptor-Galaxie
beobachtet, eine 11,5 Millionen Lichtjahre entfernte Spiralgalaxie im
Sternbild Bildhauer.
Die Sculptor-Galaxie ist für die Astronomen deswegen ein so wertvolles
Beobachtungsobjekt, da es sich bei dem System um eine der uns am nächsten
gelegenen Starburst-Galaxien handelt. In Starburst-Galaxien entstehen mit einer
außergewöhnlich hohen Rate neue Sterne - genau wie dies vermutlich auch im
jungen Universum geschehen ist. Bei ihren Untersuchungen stellten die Astronomen
fest, dass große Mengen an kühlem Gas vom Zentralbereich der Scheibe
ins All strömen.
"Dank der Empfindlichkeit von ALMA und des hervorragenden Auflösungsvermögens
konnten wir zum ersten Mal starke Konzentrationen kalten Gases ausmachen, das
durch die starken Druckwellen weggeblasen wird, die sich in Form von sich
ausdehnenden Hüllen um die jungen Sterne ausbilden", erklärt Alberto Bolatto von der University of Maryland
in den USA, der gegenwärtig am Max-Planck-Institut für Astronomie in
Heidelberg forscht. "Die Gasmenge, die wir messen, zeigt deutlich, dass einige
wachsende Galaxien mehr Gas ins All hinausblasen als sie anziehen. Wir könnten
hier also ein Beispiel für ein Phänomen sehen, das im frühen Universum häufig
vorgekommen ist."
Die Beobachtungen könnten erklären helfen, warum Astronomen bislang nur
wenige extrem massereiche Galaxien im Universum
entdeckt haben. Computermodelle deuten nämlich darauf hin, dass ältere,
rötliche Galaxien eine deutlich größere Masse haben und aus mehr Sternen
bestehen sollten, als tatsächlich beobachtet wird. Es könnte also sein, dass
die Winde, die durch eine heftige Phase von Sternentstehung erzeugt werden, so
stark sind, dass das Material für die nächste Generation von Sternen einfach
weggeblasen wird.
Dabei passt die Struktur des jetzt entdeckten kalten Gases nahezu perfekt zu zuvor beobachteten Ausströmungen
von heißem ionisierten Gas. "Wir können jetzt Schritt für Schritt verfolgen, wie
sich aus heftiger Sternentstehung solche Ausströmungen entwickeln", freut sich
Fabian Walter vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg über die
neuen Resultate.
Die Mengen an molekularem Gas, die ins All geblasen werden, sind beachtlich:
Die Astrononen berechneten, dass jedes Jahr Gas mit einer Masse entsprechend
fast der zehnfachen Masse unserer Sonne auf Geschwindigkeiten zwischen 150.000
und 1.000.000 Kilometern pro Stunde beschleunigt wird. Wahrscheinlich ist die
Menge sogar noch deutlich größer. Das ist auf jeden Fall mehr Gas, als die
Galaxie zur
selben Zeit in neue Sterne umwandelt. Mit dieser Rate
könnte die Galaxie bereits nach 60 Millionen Jahren über kein Gas zur Bildung
von Sternen mehr verfügen.
Künftige Beobachtungen mit dem Teleskopverbund, von dem für die jetzt vorgestellten
Beobachtungen lediglich 16 Antennen verwendet worden waren, sollten weitere
Informationen über das Schicksal des weggeblasenen Gases liefern. So ist derzeit
noch nicht klar, ob die Geschwindigkeit des Gases ausreichend groß ist, um die Galaxie
tatsächlich verlassen zu können. Es wäre auch möglich, dass sich das Gas zunächst
im Halo der Galaxie sammelt und zu einem späteren Zeitpunkt dann wieder auf die
Scheibe "hinabregnet", um dort wieder für die Sternentstehung zur Verfügung zu
stehen.
"Für mich ist dies ein Paradebeispiel dafür, wie neue Instrumente die Zukunft
der Astronomie bestimmen. Wir haben die Starburst-Region in NGC 253 und andere
nahegelegene Starburst-Galaxien fast zehn Jahre lang untersucht. Aber bevor es
ALMA gab, hatten wir keine Chance, derart feine Details zu sehen" so Walter. "Es
ist aufregend, sich auszumalen, was uns ALMA mit 66 Antennen über diese Art von
Materieströmen zeigen wird."
Die Astronomen berichten über ihre Beobachtungen in der heute erscheinenden
Ausgabe der Wissenschaftszeitschrift Nature.
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