Wachsende Galaxie im Licht eines Quasars
von Stefan Deiters astronews.com
8. Juli 2013
Mithilfe des Very Large Telescope der ESO ist es
Astronomen gelungen, eine entfernte Galaxie zu beobachten, die gerade Gas aus
ihrer Umgebung aufnimmt und dadurch wächst. Der Fund ist eine direkte
Bestätigung der bislang favorisierten Theorie über das Wachstum von Galaxien und
wurde erst durch einen noch weiter entfernten Quasar möglich.
So stellt sich ein Künstler die ferne Galaxie
vor, die gerade große Mengen an Gas aus ihrer
Umgebung aufnimmt. Bild:
ESO / L. Calçada / ESA / AOES Medialab |
Theoretisch war Astronomen schon länger klar, durch welche Prozesse Galaxien
im Laufe der Zeit immer weiter anwachsen: Sie verwandeln ihr Gas in neue Sterne.
Da dieses aber relativ schnell verbraucht sein dürfte, muss der Gasvorrat immer
wieder aufgefüllt werden. Dies sollte, so die Vorstellung, durch ein
"Einsammeln" von kaltem Gas aus der Umgebung der Galaxie geschehen. Zur Hilfe
kommt der Galaxie dabei ihre Anziehungskraft.
Allerdings ist dieser Prozess nur sehr schwer zu beobachten. Insbesondere ist
es bislang nicht gelungen, die Bewegung des Gases während dieses als Akkretion
bezeichneten Vorgangs genauer zu untersuchen. Nun aber kam Astronomen ein Zufall
zur Hilfe: Sie entdeckten eine entfernte Galaxie, die genau auf der Sichtlinie
zu einem noch weitere entfernten Quasar, als dem hellen Zentrum einer aktiven
Galaxie, liegt. Das Licht des Quasars durchläuft auf dem Weg zur Erde das Gas,
das gerade von der Galaxie akkretiert wird und verrät so einiges über dessen
Eigenschaften.
"Diese Anordnung ist äußerst selten und hat uns einmalige Beobachtungen
ermöglicht", freut sich Nicolas Bouché vom Observatoire Midi-Pyrénées–IRAP
im französischen Toulouse. "Wir konnten mithilfe des Very Large Telescope
der ESO die Galaxie selbst und das Gas in ihrer Umgebung untersuchen und so ein
wichtiges Problem der Galaxienentstehung angehen: Wie wachsen Galaxien und
erhalten den Grundstoff für die Entstehung von Sternen?"
Die Beobachtungen mit den Instrumenten SINFONI (Spectrograph for INtegral
Field Observations in the Near Infrared) und UVES (Ultraviolet and
Visual Echelle Spectrograph) am Very Large Telescope der
europäischen Südsternwarte auf dem Gipfel des Paranal in Chile zeigten die
Rotation der Galaxie selbst und die Bewegung und Zusammensetzung des sie
umgebenden Gases.
"Die Eigenschaften der gewaltigen Gasmengen rund um die Galaxie entsprachen
genau dem, was wir erwarten würden, wenn kaltes Gas von der Galaxie angezogen
wird", erläutert Michael Murphy von der Swinburne University of Technology
im australischen Melbourne. "Das Gas bewegt sich wie erwartet, es ist die
erwartete Menge und es hat auch die richtige Zusammensetzung, um genau zu den
Modellen zu passen. Es ist wie die Raubtierfütterung im Zoo. Insbesondere diese
Galaxie erscheint unersättlich zu sein und wir haben entdeckt, wie sie ihren
Hunger stillt, um sehr schnell zu wachsen."
Zwar hatten Astronomen schon früher Indizien für Gas in unmittelbarer Nähe
von Galaxien im jungen Universum entdeckt, doch konnte jetzt erstmals gezeigt
werden, dass dieses Material tatsächlich in die Galaxie strömt und nicht etwa
ins All geblasen wird. Außerdem gelang es den Astronomen die Zusammensetzung des
Materials zu bestimmen, aus dem später einmal neue Sterne der Galaxie werden.
Ohne die Hilfe des Lichts von dem entfernten Quasar wären diese Beobachtungen
nicht möglich gewesen.
"In diesem Fall hatten wir großes Glück, dass die Quasar genau am richtigen
Ort war, so dass sein Licht durch das in die Galaxie fallende Gas schien", meint
auch Crystal Martin von der University of California Santa Barbara.
"Mit der nächsten Generation von Großteleskopen werden noch umfangreichere
Beobachtungen möglich werden, die einen vollständigeren Blick auf das Geschehen
erlauben."
Die beobachtete Galaxie ist so weit von der Erde entfernt, dass wir sie zu
einer Zeit sehen, in der das Universum gerade einmal zwei Milliarden Jahre alt
war. Die Astronomen berichteten über ihre Beobachtungen Ende vergangener Woche
in der Wissenschaftszeitschrift Science.
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