Heisenbergs Unschärferelation ausgetrickst
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik (AEI) astronews.com
1. Juli 2013
Die von Albert Einstein vorhergesagten Gravitationswellen
konnten bislang nur indirekt nachgewiesen werden. Eine direkte Messung dieser
Kräuselungen der Raumzeit ist bislang, trotz großer technischer Fortschritte,
nicht gelungen. Nun haben Wissenschaftler ein neues Messkonzept entwickelt, das
die Messungen noch genauer machen soll.
Panorama des
Gravitationswellendetektors GEO600 südlich von
Hannover.
Foto: Albert-Einstein-Institut Hannover |
Die Wissenschaftler des Albert-Einstein-Instituts (AEI; Institut für
Gravitationsphysik der Leibniz Universität Hannover und Max-Planck-Institut für
Gravitationsphysik) in Hannover sind der letzten offenen Vorhersage von
Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie auf der Spur - den schwer zu fassenden
Gravitationswellen, die ein neues Fenster zum All öffnen werden. Die Forscher
wollen diese Kräuselungen der Raumzeit mit Detektoren wie GEO600 in Ruthe bei
Hannover und Advanced LIGO-Projekt (aLIGO) in den USA aufspüren.
Dort arbeiten Laser, die winzige, von Gravitationswellen hervorgerufene
Längenänderungen registrieren sollen. Die stetige Verbesserung der verwendeten
Laser und die Minimierung von Störeinflüssen - etwa Laserstreulicht - ist daher
von großer Bedeutung. Nun erzeugten die Physiker erstmals Laserlicht mit
maßgeschneiderten Quanteneigenschaften. Damit umgehen sie sogar die
Heisenbergsche Unschärferelation, die gewöhnlich die Genauigkeit von Messungen
begrenzt.
"Durch den Einsatz unseres neuartigen Verfahrens kann der Störeinfluss von
Streulicht in Gravitationswellendetektoren zukünftig deutlich reduziert werden.
Damit würde GEO600 dann noch empfindlicher nach Gravitationswellen aus dem All
lauschen. Nach einem erfolgreichen Einbau kann die Technologie dem weltweiten
Netz der Gravitationswellenobservatorien zur Verfügung gestellt werden", sagt
Roman Schnabel, Leiter der Arbeitsgruppe für Quanteninterferometrie und
gequetschtes Licht am AEI und Wissenschaftler im Forschungsbereich
"Quantensensoren" des Exzellenzclusters QUEST.
Verschränkte Zustände spielen die Hauptrollen im neuen Messverfahren der
Hannoveraner Forscher. Nach der Heisenbergschen Unschärferelation lassen sich
die quantenmechanische Eigenschaften prinzipiell nicht gleichzeitig beliebig
genau bestimmen. Bei Teilchen gilt das etwa für Ort und Impuls, bei Lichtwellen
für Amplitude und Phase.
Bisher verwendeten die AEI-Wissenschaftler bei GEO600 sogenanntes
gequetschtes Laserlicht. Dabei verringern die Forscher die Unschärfe in der
Phase oder in der Amplitude des Lichts, allerdings auf Kosten einer erhöhten
Unschärfe in der anderen Messgröße. So lassen sich jeweils nur entweder die
Phase oder die Amplitude sehr genau auslesen. "Für laserbasierte
Präzisionsmessungen mit Hilfe einer einzigen Quanteneigenschaft des Lichts ist
ein Quetschlichtlaser das Instrument unserer Wahl. Aber wir haben uns gefragt,
ob auch in der anderen Messgröße verwertbare Informationen stecken", so
Schnabel.
Daher wendeten die Forscher einen weiteren Trick an. Durch die Überlagerung
von zwei Quetschlichtlaserstrahlen erzeugten sie zwei neue Laserstrahlen, die
quantenmechanisch miteinander verschränkt sind. Einer der Strahlen wird zur
Präzisionsmessung verwendet, der andere dient als Referenzstrahl. Durch einen
Vergleich zwischen Mess- und Referenzstrahl können die Forscher nun Phase und
Amplitude gleichzeitig mit verringerter Unschärfe vermessen und so winzige
Schwankungen in beiden Größen registrieren.
"Wir können der Heisenbergschen Unschärferelation nun erstmals ein
Schnippchen schlagen, weil wir die Messgrößen relativ zu einem verschränkten
Referenzsystem aufnehmen", erklärt Sebastian Steinlechner, Erstautor der
kürzlich in Nature Photonics erschienenen Veröffentlichung, der als
Doktorand in Schnabels Arbeitsgruppe im Rahmen des Sonderforschungsbereich/Transregio
7 arbeitet.
Damit unterdrücken die Physiker den störenden Einfluss von Laserstreulicht im
Detektor. Schon einzelne Laserphotonen, die auf unerwünschten Umwegen durch den
Detektor laufen, können sich untrennbar mit dem Messsignal überlagern und so die
Ergebnisse verfälschen. Doch das neue Verfahren erlaubt nun eine genauere und
voneinander unabhängige Messung der Phasen- und Amplitudenschwankungen des
Laserlichts. Durch diese Aufspaltung in zwei unabhängige Komponenten lässt sich
das Streulicht schon während der Messung direkt identifizieren. Betroffene
Messdaten werden von der weiteren Auswertung ausgeschlossen - und die
Genauigkeit des Endergebnisses erhöht sich.
Der Gravitationswellendetektor GEO600 kann die erste praktische Anwendung für
das neuartige Messkonzept der AEI-Wissenschaftler werden. Denn die
erforderlichen Technologien sind in einfacherer Form bereits seit zwei Jahren im
Detektor eingebaut und haben sich bewährt: Seit 2011 wurde die Messgenauigkeit
des interferometrischen Detektors GEO600 durch die Verwendung gequetschten
Laserlichts bereits um rund 50 Prozent gesteigert (astronews.com berichtete).
Doch wird sich die Empfindlichkeit des Detektors nur dann weiter verbessern
lassen, wenn die Physiker dem Streulicht auf die Spur kommen. Die Forscher sind
zuversichtlich, diesen störenden Einfluss mit ihrem neuartigen Verfahren zu
reduzieren und auf diese Weise die Wahrscheinlichkeit einer ersten direkten
Messung der Gravitationswellen zu erhöhen - denn auf eine solche Messung warten
die Wissenschaftler, trotz aller technischen Fortschritte der vergangenen Jahre,
noch immer.
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