Trägerrakete im Windkanal
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt astronews.com
28. Juni 2013
Die neue europäische Trägerrakete Vega hat schon
zwei Mal erfolgreich ihre Nutzlast in einen Erdorbit gebracht. In einem
Windkanal des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt hat sie als Modell
allerdings schon mehr als 50 Flüge absolviert. Die Ingenieure untersuchen, wie
sich die Strömung durch die Trennung von Ober- und Unterstufe verändert.
Ein
Schlierenbild, das die Veränderung der Luftdichte
um den Raketenkörper wiedergibt, verdeutlicht die
Auswirkung der Retro-Düsen bei der Trennung vom
Ober- und Unterstufe im Windkanal.
Bild: DLR |
75 Zentimeter groß und aus Stahl und Titan geformt war das Modell, mit dem
die DLR-Ingenieure im Hyperschallwindkanal Köln die Trennung von Unterstufe und
Oberstufe simulierten. "Das ist einer der kritischsten Momente bei solch einem
Flug", erläutert Oliver Hohn, Mitarbeiter der DLR-Einrichtung "Über- und
Hyperschalltechnologien" im Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik.
Im Windkanal untersuchten die Ingenieure im Auftrag der europäischen
Raumfahrtagentur ESA, wie sich die Strömung um die Rakete durch die
Stufentrennung verändert. Dabei belegten die Tests unter anderem, dass es zu
diesem Zeitpunkt zu Strömungsablösungen am Flugkörper kommt, die teilweise große
Auswirkungen auf die Stabilität der Raketen haben. Trennt sich die Unterstufe
von der Oberstufe, zünden während des Flugs Retro-Raketen - kleine
Feststoffraketen, die den unteren Teil der Rakete "wegstoßen" und so eine
saubere, möglichst schnelle Trennung ermöglichen. "Die Trennung verursacht
dadurch eine Ruckbewegung, die sich auf den restlichen Raketenkörper auswirkt",
erläutert Projektleiter Hohn.
Im Windkanal ließen die Ingenieure über 35 Sekunden lang Luft mit mehrfacher
Schallgeschwindigkeit über das Modell in eine 2000-Kubikmeter-Vakuumkugel
strömen. Währenddessen strömte aus kleinen Düsen im Modell mit hohem Druck Luft
aus, die die Zündung der Retro-Raketen simuliert. So entstanden Bedingungen, die
dem Flug der Vega-Rakete in 50 Kilometern Höhe sehr nahe kommen.
Mit einer hochpräzisen Waage erfassten die Ingenieure die Kräfte und Momente,
die durch die Stufentrennung auf die Rakete einwirken - so konnten sie die
Flugstabilität untersuchen. Um eine bisher nur mit Computermodellen gerechnete
Veränderung der Strömung entlang der Rakete sichtbar zu machen, trugen die
Ingenieure für ihre umfangreiche Messreihe zudem Öle mit verschiedener
Viskosität auf das Modell auf und zeichneten die Veränderungen dieses Ölfilms
auf.
Auch die Dichteänderung der Luft rund um das Modell wird benutzt, um die
Strömung durch Schattenaufnahmen sichtbar zu machen: Hier wird mit einer Kamera
erfasst, wie sich der Schatten des Strömungsfeldes durch die Änderung der
Strömungsdichte um das Testmodell ändert. Das wichtigste Ergebnis: "Das
Strömungsfeld um die Rakete wird bei der Trennung der verschiedenen Stufen enorm
gestört - es entstehen unsymmetrische Wirbel, die Strömung löst sich ab", fasst
Projektleiter Hohn zusammen.
Abhängig von dem Flugwinkel der Rakete fallen diese Störungen unterschiedlich
stark aus. "Mit unseren Messdaten kann der optimale Zeitpunkt für die
Stufentrennung besser definiert werden." Die Daten der Versuchsreihen fließen
nun auch in die numerischen Simulationen des DLR-Instituts für Aerodynamik und
Strömungstechnik in Göttingen und der University of Southampton ein.
Die Ergebnisse können zudem auch auf andere Raketentypen übertragen werden:
"Diese Interaktion zwischen den unterschiedlichen Stufen kommt bei allen Typen
vor", betont Hohn.
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