Ein entstehender Planet um TW Hydrae?
von Stefan Deiters astronews.com
14. Juni 2013
Astronomen glauben deutliche Hinweise auf einen Planeten
entdeckt zu haben, der gerade in einer Entfernung von zwölf Milliarden
Kilometern von TW Hydrae entsteht. Er verrät sich durch eine charakteristische
Lücke in der Scheibe aus Gas und Staub um den jungen Stern. Der Fund passt
allerdings nicht zu den gängigen Theorien über die Entstehung von Planeten.

Hubble-Bild der Scheibe um TW Hydrae.
Der Stern selbst ist ausgeblendet.
Bild: NASA, ESA,
J. Debes (STScI), H. Jang-Condell (University of
Wyoming), A. Weinberger (Carnegie Institution of
Washington), A. Roberge (Goddard Space Flight
Center), und G. Schneider (University of
Arizona/Steward Observatory)

So stellt man sich Struktur der Scheibe um TW
Hydrae vor.
Bild: NASA, ESA
und A. Feild (STScI/AURA) |
Der Stern TW Hydrae liegt 176 Lichtjahre entfernt im Sternbild Wasserschlange.
Der mit einem Alter von weniger als zehn Millionen Jahren noch junge rote
Zwergstern ist ein beliebtes Beobachtungsobjekt für Astronomen. TW Hydrae ist
nämlich von einer Scheibe aus Gas und Staub umgeben, in der sich vermutlich bereits Planeten gebildet
haben (astronews.com berichtete wiederholt) und auf
die wir von der Erde aus direkt hinaufblicken können. Mithilfe des
Weltraumteleskops Hubble entdeckten Astronomen jetzt eine mysteriöse
Lücke in dieser Scheibe, die rund drei Milliarden Kilometer breit ist.
Die Forscher glauben, dass sich diese Lücke am besten durch einen bislang
nicht entdeckten und gerade entstehenden Planeten erklären lässt, der diesen
Bereich der Staubscheibe von Material befreit. Besonders massereich dürfte
dieser Planet allerdings nicht sein - die Astronomen schätzen seine Masse auf
sechs bis 28 Erdmassen.
Wegen seiner großen Entfernung von rund zwölf Milliarden Kilometern vom
Zentralstern muss sich der vermutete Planet sehr langsam um TW Hydrae bewegen.
Würde er sich in unserem Sonnensystem befinden, wäre er doppelt so weit von der
Sonne entfernt, wie der Zwergplanet Pluto. Doch genau hier liegt das Problem:
Man nimmt heute an, dass sich Planeten langsam über viele Millionen Jahre
bilden, indem sie Gas, Staub und kleinere Gesteinstrümmer aus der
protoplanetaren Scheibe "aufsammeln".
Ein Planet in einer Entfernung von rund zwölf Milliarden Kilometern von
seiner Sonne sollte für die Entstehung rund 200-mal länger brauchen als ein
Planet in einem Abstand, die dem des Gasriesen Jupiter entspricht. In dieser
Nähe zum Zentralstern dürfte die Entstehung bereits nach maximal zehn Millionen
Jahren abgeschlossen sein. In den äußeren Regionen muss es deutlich länger
dauern - wegen der langsameren Bewegung des Protoplaneten und der geringeren
Dichte des Materials in der Scheibe.
Die Existenz eines Planeten, wie ihn die Astronomen nun mit Hubbles
Hilfe um TW Hydrae entdeckt zu haben glauben, stellt somit eine große
Herausforderung für die gängigen Theorien der Planetenentwicklung dar. Was die
Sache noch zusätzlich kompliziert, ist der Sachverhalt, dass TW Hydrae nur etwa
55 Prozent der Masse unserer Sonne aufweist. "Es ist schon faszinierend ein
System wie dieses zu sehen", meint John Debes vom Space Telescope Science
Institute, der das Beobachterteam leitete. "Es ist der Stern mit der
geringsten Masse, bei dem wir eine Lücke in so großer Entfernung beobachten
konnten."
Nach einer alternativen Theorie zur Entstehung von Planeten könnten diese
auch entstehen, wenn ein Teil der protoplanetaren Scheibe instabil wird und in
sich zusammenfällt. Bei diesem Szenario würde sich ein Planet innerhalb weniger
Tausend Jahre bilden können. Allerdings sollte ein solcher Prozess - so
zumindest die Theorie - zu deutlich massereicheren Planeten als den in der Lücke
vermuteten führen.
"Wenn wir tatsächlich bestätigen können, dass es da draußen einen Planeten
gibt, können wir dessen Charakteristika mit den Messungen der Eigenschaften der
Lücke in der Scheibe in Beziehung setzen", so Debes. "Dies könnte zu neuen
Erkenntnissen über die Entstehung von Planeten führen und erklären helfen, wie
sie sich in dieser Entfernung bilden können. Es gibt eindeutig eine Lücke. Und
ein Planet erscheint wahrscheinlich, da die Lücke sehr scharf begrenzt und
kreisförmig ist."
Es gibt aber noch ein weiteres Problem mit der Beobachtung: Untersuchungen
mit Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA) haben gezeigt,
dass es in den Regionen der Scheibe, in dem die Lücke entdeckt wurde, offenbar
keine größeren Staubkörner mehr gibt. "Normalerweise benötigt man Kieselsteine
bevor man einen Planeten hinbekommt", erklärt Debes die Schwierigkeit. "Wenn es
also einen Planeten dort gibt, aber keinen Staub, der größer ist als ein
Sandkorn, wäre das ein große Herausforderung für die traditionellen Modelle zur
Entstehung von Planeten."
Dass die Lücke vorhanden ist, daran haben die Astronomen keinen Zweifel. Sie
würde sich nämlich in ganz unterschiedlichen Wellenlängenbereichen zeigen, so
dass es sich nicht um einen Instrumentenfehler oder eine eigentümliche Streuung
des Lichts an dem Staub der Scheibe handeln kann.
Der junge Stern TW Hydrae und seine Staubscheibe wird die Astronomen also
vermutlich noch einige Jahre beschäftigten. Die Wissenschaftler, die über ihre
Beobachtungen in der heute erscheinenden Ausgabe der Fachzeitschrift The
Astrophysical Journal berichten, planen weitere Beobachtungen des Systems -
unter anderem mit ALMA und dem Hubble-Nachfolger, dem James Webb
Space Telescope, das ab 2018 zur Verfügung stehen soll.
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