Neue Klasse veränderlicher Sterne entdeckt
von Stefan Deiters astronews.com
12. Juni 2013
Auch mit vergleichsweise kleinen Teleskopen lassen sich
heute noch wichtige Entdeckungen machen: Ein Team Schweizer Astronomen hat durch
exakte Vermessung der Helligkeit von über 3000 Sternen in einem offenen
Sternhaufen jetzt eine bislang unbekannte Klasse veränderlicher Sterne
aufgespürt. Sie zeigen nur winzige Helligkeitsschwankungen. Über die Ursache
wird noch gerätselt.

Der offene Sternhaufen NGC 3766.
Bild:
ESO [Großansicht] |
Auch heute benötigt man in der Astronomie nicht unbedingt große Teleskope
oder Instrumente im Erdorbit, um neue Entdeckungen machen zu können - oft reichen auch
Ausdauer und präzise Messungen. Genau dies bewies jetzt wieder ein Team von
Schweizer Astronomen, die für ihre Beobachtungen das vergleichsweise kleine
1,2-Meter-Euler-Teleskop nutzten, das Teil des La-Silla-Observatoriums der
europäischen Südsternwarte ESO in Chile ist.
Mit dem Instrument haben die Forscher mehr als sieben Jahre lang die Helligkeit von
über 3000 Sternen des offenen Sternhaufens NGC 3766 vermessen, der ungefähr
7.000 Lichtjahre von der Erde entfernt im Sternbild Zentaur liegt. Dabei
stellten sie fest, dass 36 der Sterne des Haufens ein anderes Verhalten zeigten,
als erwartet: Die Astronomen registrierten winzige Helligkeitsschwankungen, die
nur 0,1 Prozent der Gesamthelligkeit des jeweiligen Sterns ausmachten. Die
Periode der Helligkeitsvariationen lag dabei zwischen zwei und 20 Stunden.
Die entdeckten Sterne waren eigentlich alles andere als ungewöhnlich: Es
handelt sich um Sterne, die etwas heißer und heller sind als unsere Sonne,
ansonsten aber nicht für ein eigentümliches Verhalten bekannt waren. Die neuen
Daten haben die doppelte Genauigkeit früherer Beobachtungen und erlaubten
es daher erstmals, die winzigen Helligkeitsschwankungen sicher nachzuweisen.
Einen Namen für diese neue Klasse veränderlicher Sterne haben die Astronomen
noch nicht.
"Wir haben diese Empfindlichkeit durch die hohe Qualität der Beobachtungen
und eine sehr sorgfältige Analyse der Daten erreichen können", erläutert Nami
Mowlavi, der Leiter des Teams von der Genfer Sternwarte. "Hinzu kommt, dass wir
ein umfangreiches Beobachtungsprogramm durchführen konnten, das über sieben
Jahre ging. Es wäre vermutlich nicht möglich gewesen, mit einem größeren
Teleskop so viel Beobachtungszeit zu erhalten."
Veränderliche Sterne, also Sonnen, deren Helligkeit regelmäßig schwankt, sind
in der Astronomie nicht selten. Handelt es sich bei dem variablen Stern nicht um
einen Bedeckungsveränderlichen, also um ein System aus zwei Sternen, die sich
regelmäßig verdecken, erklärt man sich die Helligkeitsschwankungen durch
bestimmte Vorgänge im Inneren der Sterne. Aus gewissen Helligkeitsvariationen
lassen sich sogar Rückschlüsse auf den Aufbau eines Sterns ziehen - ähnlich wie
die Analyse seismischer Wellen nach Erdbeben etwas über den inneren Aufbau der
Erde verrät. Das Teilgebiet der Astrophysik, das sich mit dieser Thematik
beschäftigt, nennt man Asteroseismologie.
"Allein die Existenz dieser neuen Klasse von variablen Sternen stellt für die
Astrophysik eine Herausforderung dar", meint Sophie Saesen von der Sternwarte in
Genf, die auch zum Team gehörte. "Aktuelle theoretische Modelle sagen voraus,
dass das Licht dieser Sterne überhaupt nicht periodisch schwanken sollte. Alle
unsere Bemühungen zielen also darauf ab, die physikalischen Eigenschaften dieser
Sterne zu untersuchen, um mehr über die Prozesse in ihrem Inneren zu erfahren."
Zwar wissen die Forscher noch nicht, wie es zu den beobachteten
Helligkeitsschwankungen kommt, doch gibt es zumindest eine Spur: Alle Sterne der
neuen Klasse drehen sich offenbar sehr schnell um die eigenen Achse. "Die
schnelle Eigendrehung sollte einen wichtigen Einfluss auf die inneren
Eigenschaften der Sterne haben", ist Mowlavi überzeugt. "Wir können aber die
Veränderungen der Helligkeit noch nicht modellieren. Wir hoffen aber, dass
unsere Entdeckung auch Ansporn für Experten ist, sich damit zu beschäftigen und
wir bald den Ursprung dieser mysteriösen Variationen verstehen."
Über ihre Beobachtungen und Analysen berichten die Wissenschaftler in
der Fachzeitschrift Astronomy & Astrophysics.
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