Rätsel um SS Cygni gelöst
von Stefan Deiters astronews.com
28. Mai 2013
Das System SS Cygni gehört mit zu den am besten untersuchten
veränderlichen Doppelsternsystemen überhaupt und ist sogar Namensgeber einer
Untergruppe dieser Sterne, bei denen regelmäßig Helligkeitsausbrüche zu beobachten
sind. Doch gerade SS Cygni passte bislang nicht zur Theorie der Astronomen über
diese Objekte.
Durch neue Beobachtungen konnte dieses Rätsel nun gelöst werden.

So stellen sich Astronomen das System SS
Cygni vor. Bild:
Bill Saxton, NRAO/AUI/NSF |
"Dieses ist eines der bestuntersuchten Systeme seines Typs, doch nach unserem
Verständnis, wie die Dinge funktionieren, sollte es keinerlei Ausbrüche zeigen",
beschreibt James Miller-Jones vom International Centre for Radio Astronomy
Research an der australischen Curtin University das Problem.
Allerdings ist eines
sicher: Beim dem fraglichen System, SS Cygni im Sternbild Schwan, lassen sich
eindeutig eindrucksvolle Helligkeitsausbrüche beobachten und dies seit vielen
Jahrzehnten.
SS Cygni besteht aus einem Weißen Zwergstern, also einem ausgebrannten
Sternenrest, und einem relativ massearmen roten Zwergstern, der den Weißen Zwerg
in geringem Abstand in nur rund 6,6 Stunden umkreist. Durch die Anziehungskraft
des Weißen Zwergs wird Material vom Roten Zwerg abgezogen, was sich zunächst in
einer rotierende Scheibe um den Weißen Zwerg sammelt und dann auf dessen
Oberfläche strömt.
Durchschnittlich alle 49 Tage kommt es bei SS Cygni zu einem gewaltigen
Helligkeitsausbruch. Die Astronomen erklären sich diesen Ausbruch durch eine
Veränderung der Rate, mit der Material über die Scheibe auf den Weißen Zwerg
strömt. Sind die Materiemengen groß genug, die vom roten Zwergstern kommen,
bleibt die rotierende Scheibe stabil. Ist die Menge zu klein, kann die Scheibe
instabil werden und es zu einem Ausbruch kommen.
Astronomen nennen solche Systeme "Zwergnovae" und können mit ihrer Theorie
alle Objekte dieser Art erklären - mit Ausnahme von SS Cygni. Für dieses System
hatte man nämlich durch Beobachtungen mit dem Weltraumteleskop Hubble in den
Jahren 1999 und 2004 eine Entfernung von rund 520 Lichtjahren gemessen. "Das war
das Problem. Bei dieser Entfernung wäre SS Cygni die hellste Zwergnova am Himmel
und es sollte daher immer ausreichend Masse in der Scheibe vorhanden sein, so
dass es zu keinen Ausbrüchen kommen kann", erklärt Miller-Jones.
Mithilfe der beiden Radioteleskopverbunde Very Large Baseline Array und
European VLBI Network haben die Astronomen daher die Entfernung zu SS Cygni noch
einmal nachgemessen. Mit den Radioteleskopen lassen sich die Positionen von
Objekten am Himmel äußerst präzise bestimmen. Während der Ausbrüche sendet auch
SS Cygni Radiostrahlung aus, so dass die Beobachtungen während eines solchen
Ausbruchs einsetzen mussten.
Dazu arbeiteten die Wissenschaftler mit den Amateuren der American Association of Variable Star Observers
zusammen, deren Mitglieder bislang noch keinen
Ausbruch von SS Cygni seit der Entdeckung des Systems im Jahr 1896 verpasst
hatten. So gelang es, die Position des rätselhaften Systems bei Ausbrüchen von
2010 bis 2012 mit den Radioteleskopen zu messen.
Die Entfernung wurde dann mithilfe der Parallaxe bestimmt: Dabei macht man
sich die Tatsache zunutze, dass sich das System in Bezug auf noch weiter
entfernte Objekte leicht am Himmel verschiebt, wenn man es aus unterschiedlichen
Positionen betrachtet - etwa zu verschiedenen Jahreszeiten, wenn die Erde sich
auf gegenüberliegenden Abschnitten ihrer Bahn um die Sonne befindet.
Die Messungen ergaben, dass SS Cygni uns deutlich näher ist, als ursprünglich
angenommen. Die Entfernung beträgt lediglich 370 Lichtjahre. Das System muss deswegen
nicht mehr so hell sein, wie man ursprünglich gedacht hatte, um mit dieser
Helligkeit auf der Erde beobachtet werden zu können. "Die neue
Entfernungsmessung lässt die Standarderklärung für dieses System wieder zu", so
Miller-Jones. Das Rätsel um SS Cygni ist damit gelöst.
Für die fehlerhafte Entfernungsbestimmung durch Hubble könnte es, so
die Astronomen, verschiedene Gründe geben: So würden bei den Radiobeobachtungen Objekte
außerhalb unserer Milchstraße als Bezugspunkte verwendet, während bei Hubble
Objekte in der Milchstraße genutzt wurden. Die extragalaktischen Objekte stellen
aber deutlich
stabilere Referenzpunkte dar. Außerdem wären die Radiobeobachtungen
weniger anfällig für andere mögliche Fehlerquellen.
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