Heftige Sternentstehung und die Folgen
von Stefan Deiters astronews.com
26. April 2013
Gewaltige Ausbrüche von Sternentstehung in einer Galaxie
können das Universum weit über die Grenzen der Galaxie hinaus beeinflussen. Dies
ergaben jetzt neue Beobachtungen mit dem Weltraumteleskop Hubble. Diese
Sternentstehungsphasen haben damit einen beträchtlichen Einfluss auf die
Entwicklung von Galaxien und die Verteilung von Materie und Energie im
Universum.

So könnte eine Galaxien aussehen, in der
gerade mit großer Intensität neue Sterne
entstehen. Bild:
ESA, NASA, L. Calçada |
In Galaxien kann es immer wieder zu besonders heftigen Phasen von
Sternentstehung kommen, während der innerhalb kürzester Zeit sehr viele neue
Sterne entstehen. Besonders im jungen Universum waren diese auch als
Starburst bezeichneten Episoden relativ häufig. Junge Sterne aber sind noch
vergleichsweise ungestüm und blasen oft heftige stellare Winde in ihre Umgebung.
Dies kann während eines Starburst dazu führen, dass ein kräftiger Wind aus
Material entsteht, der sogar aus der Galaxie hinausweht.
Astronomen war schon länger bekannt, dass diese kräftigen Winde existieren
und eine ganze Galaxie beeinflussen können. Neue Beobachtungen mit dem
Weltraumteleskop Hubble haben aber nun gezeigt, dass die Winde einen
sehr viel größeren Einfluss haben als bislang angenommen.
Ein internationales Astronomenteam hat mit Hubble 20 nahegelegene
Galaxien anvisiert. In einigen davon lief gerade eine heftige Phase von
Sternentstehung ab. Die Beobachtungen zeigten, dass der damit verbundene Wind
noch Gas ionisiert hat, das bis zu 650.000 Lichtjahre vom Zentrum der jeweiligen
Galaxie entfernt war - etwa 20-mal weiter als die sichtbare Größe der Galaxien.
Die Beobachtungen stellen den ersten direkten Beweis dafür dar, dass lokale
Ausbrüche von Sternentstehung noch in einem weiten Umkreis um die jeweilige
Galaxie das Gas beeinflussen. Dies könnte wichtige Konsequenzen für die weitere
Entwicklung der Galaxie und die künftige Entstehung von Sternen haben.
"Das Material, das sich in einem großen Umkreis um eine Galaxie befindet, ist
sehr schwer zu untersuchen, weil es so lichtschwach ist", erklärt Vivienne Wild
von der University of St. Andrews in Schottland. "Aber es spielt eine
wichtige Rolle - diese Hüllen aus kaltem Gas liefern nämlich wichtige Hinweise
darauf, wie Galaxien wachsen, wie sie Materie und Energie umwandeln und
schließlich auch sterben. Wir erkunden hier ein ganz neues Gebiet der
Galaxienentwicklung."
Für ihre Studie nutzten die Astronomen den Cosmic Origins Spectrograph
(COS) an Bord von Hubble. Um das nur schwer zu beobachtende Gas um die
Galaxien untersuchen zu können, bedienten sie sich der Hilfe noch weiter
entfernter Objekte: Sie analysierten nämlich das helle Licht entfernter Quasare,
nachdem es die Galaxien passiert hat. Quasare sind die hellen Zentren von
aktiven Galaxien, in denen ein supermassereiches Schwarzes Loch gerade mit einer
hohen Rate großen Mengen an Material verschluckt.
"Hubble ist das einzige Observatorium, mit dem sich Beobachtungen
machen lassen, die für eine solche Untersuchung nötig sind", so Sanchayeeta
Borthakur von der Johns Hopkins University. "Wir brauchten ein
Weltraumteleskop, um das heiße Gas zu studieren und das einzige Instrument, mit
dem sich die ausgedehnten Hüllen um Galaxien untersuchen lassen, ist COS."
Die Beobachtungen zeigten, dass es um die Galaxien mit heftiger
Sternentstehungsaktivität große Mengen von ionisiertem Gas gibt. Um die Galaxien
ohne heftige Sternentstehung fand man keine entsprechenden Hinweise. Die
Ionisation ist, so die Astronomen, auf energiereiche Winde zurückzuführen, die
durch die neugeborenen Sterne entstehen. Als ionisiert bezeichnet man ein Gas
dann, wenn den Gasatomen ein oder mehrere Elektronen fehlen.
Für die Zukunft der Galaxie, in der es gerade zu heftiger Sternentstehung
kommt, ist der Fund von erheblicher Bedeutung: Das Gas in der Umgebung der
Galaxie ist nämlich entscheidend für das weitere Wachstum des Systems. Eine
Galaxie wächst, indem sie kaltes Gas aus ihrer Umgebung anzieht und schließlich
zu Sternen verwandelt. Wird dieses Gas allerdings durch Winde ionisiert, eignet
es sich nicht mehr als Rohmaterial für Sterne. Die Winde beschränken damit das
künftige Wachstum der Galaxie.
"Starbursts sind ein sehr wichtiges Phänomen - sie bestimmen nicht nur die
Zukunft einer einzelnen Galaxie, sondern beeinflussen auch den Kreislauf von
Materie und Energie im gesamten Universum", fasst Teammitglied Timothy Heckmann
von der Johns Hopkins University die Studie zusammen. "Die Hüllen um
die Galaxien sind eine Art Interface zwischen der Galaxie und dem Rest des
Universums - und wir fangen gerade erst an, die Prozesse, die sich darin
abspielen, richtig zu erforschen."
Die Astronomen berichten über ihre Untersuchungen in einem Fachartikel, der
am 1. Mai 2013 in der Zeitschrift The Astrophysical Journal erscheint.
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