Eiswolke als Zeichen des Herbstes
von Stefan Deiters astronews.com
15. April 2013
Astronomen haben über dem Südpol des Saturnmonds Titan die
Entstehung einer Eiswolke beobachtet. Ähnliche Wolken wurden bislang nur über
dem Nordpol des Trabanten entdeckt. Die Forscher vermuten daher, dass die
Wolkenbildung etwas mit dem Einzug des Herbstes auf der Südhalbkugel des Mondes
zu tun hat. Aus was die Wolke besteht, wissen sie allerdings nicht.
"Wir bringen diese Art von Wolke mit Winterwetter auf Titan in Verbindung",
erklärt Donald E. Jennings vom Goddard Space Flight Center der NASA,
der zum Team des Composite Infrared Spectrometer (CIRS)
der Saturnsonde Cassini gehört, mit dem die unlängst präsentierten Beobachtungen
gemacht wurden. "Es ist das erste Mal, dass wir diese Wolkenart woanders als am
Nordpol des Mondes gesehen haben."
Die Eiswolke über dem Südpol ist für die Forscher ein Beweis dafür, dass sich
die atmosphärische Zirkulation auf dem Saturnmond Titan umgekehrt hat. Zuvor war
warme Luft von der Südhalbkugel des Trabanten aufgestiegen und zum kalten
Nordpol transportiert worden. Dort kühlte sie ab, sank in tiefere
Atmosphärenschichten und bildete Eiswolken. Auf der Erde kennt man eine ganz
ähnliche Luftzirkulation, die sogenannten Hadley-Zellen, durch die feuchte Luft
in den Tropen in kühlere mittlere Breiten gelangt.
Eine solche Veränderung der atmosphärischen Zirkulation des Mondes hatten die
Modelle der Wissenschaftler vorhergesagt, sobald es - bedingt durch den Wechsel
der Jahreszeiten - auf der Nordhalbkugel Titans wärmer und auf der Südhalbkugel
kälter wird. Auf der Nordhalbkugel war offiziell im August 2009 der Winter zu
Ende gegangen. Auf dem Saturnmond sind die Jahreszeiten rund 7,5 Erdjahre lang,
so dass nicht klar war, wie schnell sich der beginnende Frühling auch auf die
atmosphärischen Strömungen auswirken würde.
Seit Beginn des Herbstes auf der Südhalbkugel hatten die Forscher hier bereits
verschiedene Hinweise darauf gefunden, dass sich auf Titan tatsächlich etwas
verändert: So entdeckten sie beispielsweise einen zuvor nicht beobachteten
Wirbel über dem Südpol und einen Dunstschleier in größerer Höhe (astronews.com
berichtete). Beides war
zuvor nur über dem Nordpol beobachtet worden.
CIRS-Daten lieferten zudem Hinweise dafür, dass die Luft am Südpol des Titan
inzwischen nicht mehr aufsteigt, sondern absinkt. Begonnen haben muss dies, so
ergab eine Auswertung von Archivmaterial, bereits innerhalb der ersten sechs
Monate nach Herbstbeginn auf der Südhalbkugel. Hinweise auf eine Eiswolke wurden
allerdings erstmals im Juli 2012 entdeckt.
"Diese Verzögerung passt zum Modell, da durch neue Zirkulationsmuster erst
einmal jede Menge Gas zum Südpol transportiert werden muss", erklärt Carrie
Anderson vom CIRS-Team am Goddard Space Flight Center. "Dann muss diese Luft
absinken. Das Eis muss kondensieren. Und am Pol muss es ausreichend Schatten
geben, um den kondensierenden Dampf zu erhalten, aus dem sich das Eis bildet."
Auf den ersten Blick scheint sich die Eiswolke über dem Südpol sehr schnell zu
bilden. Die Eiswolke über dem Nordpol existierte bereits, als Cassini das
Saturnsystem Mitte 2004 erreicht hatte, und ist seitdem ständig schwächer geworden.
Aus was genau die Eiswolke besteht, wissen die Astronomen noch nicht.
Ausschließen können sie aber recht einfache Gase wie Methan, Ethan oder
Cyanwasserstoff, die man gewöhnlich mit dem Titan und seiner Atmosphäre in
Verbindung bringt. Eventuell, so die Vermutung des Teams, handelt es sich bei
dem Eis der Wolke um eine Mischung aus verschiedenen organischen Verbindungen.
"Was über den Polen Titans passiert, gleicht in gewisser Hinsicht den Vorgängen
auf der Erde mit ihren Ozonlöchern", so F. Michael Flasar vom Goddard Space Flight
Center, der verantwortliche Wissenschaftler für CIRS. "Und auf der Erde ist das
Eis in den Wolken über den Polen nicht nur Zierde. Es spielt eine wichtige
Rolle, indem es Chlor freisetzt, das Ozon zerstört. Wie die Wolken die Chemie
auf Titan beeinflussen, wissen wir noch nicht. Es ist daher von großer Bedeutung
möglichst viel über dieses Phänomen zu lernen, wo immer wir es auch finden."
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