Galliumnitrid vor Weltraumeinsatz
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Fraunhofer-Instituts für Angewandte
Festkörperphysik astronews.com
11. April 2013
Anfang Mai soll der ESA-Kleinsatellit Proba-V zur
Beobachtung der Vegetation der Erde ins All starten. Mit an Bord wird dabei
erstmals ein europäisches Bauteil auf Basis des Halbleiters Galliumnitrid sein.
Die neue Technologie ist robuster, kompakter und leichter als die bislang
eingesetzten Lösungen und könnte die Kommunikationselektronik in der Raumfahrt
deutlich verbessern.

Kaum größer als eine Waschmaschine: der
Mini-Satellit Proba-V wird aktuelle Bilder zur
Vegetation der Erde aus dem All senden.
Bild: ESA – P. Carril |
Der Satellit Proba-V der europäischen Weltraumagentur ESA hat eine
Masse von rund 140 Kilogramm und ist kaum größer als eine Waschmaschine. Der
Satellit soll nach den aktuellen Planungen Anfang Mai an Bord einer Vega-Rakete
von Kourou in Französisch-Guyana aus ins All starten. Aus dem Orbit soll der
Mini-Satellit dann die Vegetation der Erde beobachten - "V" steht nämlich für
"Vegetation". Alle zwei Tage wird der Umweltsatellit aus rund 820 Kilometern
Höhe aktuelle Bilder senden. Die Abholzung der Regenwälder, die Verschmutzung
der Meere oder Bodenerosionen werden mit Aufnahmen in unterschiedlichen
Wellenlängenbereichen sichtbar gemacht.
Erstmals wird dabei ein europäisches Bauteil auf Basis des Halbleiters
Galliumnitrid (GaN) an Bord sein. "Galliumnitrid hat das Potenzial die
Kommunikation im Weltraum zu revolutionieren. Eine fünf- bis zehnfache
Verbesserung bei den Signalstärken und der Datenübertragung wird erwartet",
erläutert Andrew Barnes, der das Projekt bei der ESA betreut. "Wir sind sehr
gespannt auf die Ergebnisse des ersten Praxistests im Weltraum".
Für das Kommunikationssystem von Proba-V hat das Fraunhofer-Institut
für Angewandte Festkörperphysik IAF in Freiburg eine Verstärkerschaltung für den
Frequenzbereich von 8 bis 8,5 GHz entwickelt, das für den Einsatz in ein für die
Raumfahrt geeignetes, hermetisch dichtes Gehäuse eingebaut wurde. Galliumnitrid-Bauteile
können bei deutlich höheren Spannungen und Temperaturen als die bislang
eingesetzten Silizium- oder Gallium-Arsenid-Komponenten betrieben werden.
Die Schaltungen sind kompakter, kleiner und leichter als die bisherigen
Lösungen. Zukünftig könnten sie sogar die zur Verstärkung überwiegend
eingesetzten Elektronenröhren ersetzen. So könnten Gewicht und damit auch
Transportkosten, in der Raumfahrt noch immer ein wesentlicher Kostenfaktor jeder
Mission, deutlich reduziert werden.
Aufgrund der langen Lebensdauer und Strahlungshärte des Halbleitermaterials
sind die elektronischen Bauteile ideal für die extremen Bedingungen der Luft-
und Raumfahrt geeignet. Diese Belastbarkeit musste das Galliumnitrid-Bauteil
allerdings vor dem ersten Flug ins All erst einmal unter Beweis stellen: So
wurde der Verstärker Kälte und Hitze, starken Vibrationen und Bewegungen sowie
Strahlung ausgesetzt. "In beschleunigten Lebensdauertests haben wir gemeinsam
mit Tesat-Spacecom nachgewiesen, dass der Galliumnitrid-Verstärker mindestens 20
Jahre hält", erläutert Dr. Patrick Waltereit, Projektleiter am Fraunhofer IAF.
"Die Zulassung für den Flug ins Weltall ist ein wichtiger Meilenstein für die
Weiterentwicklung der Galliumnitrid-Technologie, auch für andere
Anwendungsbereiche".
Galliumnitrid eignet sich aufgrund seiner außergewöhnlichen physikalischen
Eigenschaften besonders für den Einsatz in der Leistungselektronik. Zudem ist
der nutzbare Frequenzbereich bei Galliumnitrid größer, wodurch mehrere
Funktionen in einem Chip integriert werden können. Die thermische Robustheit des
Halbleiters führt zu einer deutlichen Reduzierung des Kühlaufwands und spart
somit nicht nur Energie, sondern auch Kosten.
So sind die kompakten und energieeffizienten Galliumnitrid-Bauteile nicht nur
für Anwendungen der Luft- und Raumfahrt interessant, sondern sollen zukünftig
auch in Spannungswandlern für die Batterie von Elektroautos, Solaranlagen oder
Haushaltsgeräten eingesetzt werden. Sie bieten vor allem Potenzial für
Anwendungen, bei denen hohe Leistung und Lebensdauer, auch bei rauen
Umweltbedingungen, gefragt sind. Hier stößt die Silizium-Technologie an ihre
Grenzen.
Die ESA hat die Initiative GREAT2 ("GaN Reliability Enhancement and
Technology Transfer Initiative") gegründet, um das Potenzial der Galliumnitrid-Technologie
für die Raumfahrt zu erschließen. Renommierte Forschungsinstitutionen auf dem
Gebiet der III/V-Halbleiter, wie das Fraunhofer IAF, entwickeln gemeinsam mit
Unternehmenspartnern unter der Projektleitung von Tesat-Spacecom hochwertige
Bauteile auf Galliumnitrid-Basis. Ziel ist somit auch die Stärkung der
Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Raumfahrtindustrie.
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