Eine Spur der Dunklen Materie?
von Stefan Deiters astronews.com
3. April 2013
Am CERN in Genf wurden heute die ersten Ergebnisse von
Messungen mit dem Alpha Magnetic Spectrometer (AMS) vorgestellt, einem
Experiment, das sich an Bord der Internationalen Raumstation ISS befindet. Die
Messungen zeigten einen signifikanten Überschuss von Antimaterie im All. Er
könnte durch die gegenseitige Auslöschung von Teilchen der Dunklen Materie
entstanden sein.

Das Alpha Magnetic Spectrometer (AMS) an Bord
der ISS (im Vordergrund).
Foto: NASA |
Das Alpha Magnetic Spectrometer (AMS) ist das einzige Experiment zur
Teilchenphysik an Bord der Internationalen Raumstation (ISS) und wurde am 16.
Mai 2011 mit der Raumfähre Endeavour ins All gebracht. Bei AMS handelt
es sich um ein Magnetspektrometer zur Untersuchung der kosmischen Strahlung, das
von einem internationalen Wissenschafterteam unter Leitung des US-amerikanischen
Physikers und Nobelpreisträgers Samuel Ting entwickelt wurde.
Ting stellte nun heute bei einem Seminar am europäischen
Kernforschungszentrum CERN in Genf persönlich die ersten Ergebnisse von AMS vor,
nämlich die Messung eines signifikanten Überschusses von Positronen, also den
Antiteilchen von Elektronen, in der kosmischen Strahlung. Die Resultate werden
auch in einem Fachartikel in der Zeitschrift Physical Review Letters
beschrieben.
Die AMS-Ergebnisse basieren auf insgesamt 26 Milliarden mit dem Instrument
registrierter Ereignisse, darunter 400.000 Positronen mit Energien zwischen 0,5
und 350 Gigaelektronenvolt (GeV). In der Teilchenphysik werden Masse und Energie
von Partikeln in der Regel in Elektronenvolt, einer mit "eV" abgekürzten Einheit
der Energie, angegeben, wobei sich Masse und Energie mithilfe der Formel E=mc2
ineinander umrechnen lassen. Im Bereich von 10 bis 250 GeV nahm der gemessene
Positronenanteil in der kosmischen Strahlung zu. Der Anstieg wurde aber im
Bereich zwischen 20 und 250 GeV schwächer.
Der Überschuss an Positronen wurde aus allen Himmelsrichtungen gemessen und
man hat auch keine zeitlichen Variationen beobachten können. Dies deutet darauf
hin, dass zumindest keine einzelne natürliche Quelle, wie beispielsweise ein
rotierender Neutronenstern, für den beobachteten Überschuss verantwortlich ist.
Die jetzt vorgestellten Ergebnisse stimmen mit Modellen überein, die eine
gegenseitige Auslöschung von Teilchen der Dunklen Materie für die Positronen
verantwortlich machen. Die Datenlage erlaubt es allerdings noch nicht, andere
Möglichkeiten auszuschließen.
"Diese bislang genauesten Messungen des Flusses von Positronen in der
kosmischen Strahlung zeigen eindrucksvoll die Leistungsfähigkeit und die
Möglichkeiten des AMS-Detektors", so Ting. "In den kommenden Monaten wird AMS in
der Lage sein, uns zu verraten, ob diese Positronen tatsächlich ein Signal für
Dunkle Materie sind oder ob sie einen anderen Ursprung haben."
Kosmische Strahlung besteht aus hochenergetischen Partikeln, die aus allen
Richtungen auf die Erde treffen. Mit dem AMS-Detektor an Bord der ISS sollen
diese Partikel untersucht werden, bevor sie durch Wechselwirkungen mit der
Erdatmosphäre verändert werden können. Ein Überschuss an Antimaterie in der
kosmischen Strahlung wurde bereits vor rund zwei Jahrzehnten festgestellt,
allerdings kennt man den Grund dafür bis heute nicht.
In einer unter dem Begriff "Supersymmetrie" bekannten Theorie entstehen
Positronen, wenn zwei Teilchen der Dunklen Materie miteinander kollidieren und
sich dabei gegenseitig auslöschen. Die Supersymmetrie und insbesondere die darin
enthaltenen Weakly Interacting Massive Particles (WIMPs), also schwach
wechselwirkende massereiche Teilchen, gelten als bislang vielversprechendste
Kandidaten zur Erklärung der Dunklen Materie.
Nimmt man eine gleichmäßige Verteilung der Dunklen Materie im Universum an,
würde die Supersymmetrie genau die Beobachtungen vorhersagen, die mit AMS nun
gemacht wurden. Allerdings reichen die Daten noch nicht, um eine endgültige
Aussage machen zu können. Theoretisch wäre es beispielsweise noch möglich, die
Messungen mithilfe von Pulsaren, also rotierenden Neutronensternen, zu erklären,
die in der galaktischen Scheibe verteilt sind.
Ein weiterer Hinweis könnte ein starker Abfall des Überschusses bei noch
höheren Energien sein, der von der Theorie vorhergesagt wird. Dieser wurde
bislang noch nicht beobachtet. Die Forscher wollen daher versuchen, die
Genauigkeit der Messungen oberhalb von 250 GeV weiter zu verbessern, um hier in
Zukunft eine klare Aussage machen zu können.
"Wenn man ein neues, hochpräzises Instrument in eine neue Umgebung bringt,
gibt es in der Regel viele neue Ergebnisse und wir hoffen, dass dies nur das
erste Resultat von vielen ist", so Ting. AMS sei das erste Experiment dieser
Art, das so genaue Messungen im All macht. "Es wird uns erlauben,
herauszufinden, ob unsere Positron-Beobachtungen sich durch Dunkle Materie oder
aber durch Pulsare erklären."
Unser Universum besteht nur zu wenigen Prozent aus normaler, sichtbarer
Materie, aus der Sterne, Galaxien und auch wir Menschen bestehen. Den weitaus
größeren Anteil machen Dunkle Materie und auch Dunkle Energie aus. Während
Dunkle Energie eine relativ neue Entdeckung ist, weiß man von der Existenz von
Dunkler Materie schon länger. Sie wird unter anderem benötigt, um die
beobachteten Bewegungen im Universum oder auch die Prozesse der Strukturbildung
zu verstehen. Bislang ließ sich die Dunkle Materie aber nicht direkt beobachten.
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