Kometenlander Philae im Härtetest
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt astronews.com
25. März 2013
Das Original ist schon seit über neun Jahren unterwegs, in
Laboratorien in Köln und Bremen aber müssen zwei Nachbauten gegenwärtig einiges
über sich ergehen lassen. Ingenieure des Deutsche Zentrums
für Luft- und Raumfahrt (DLR) testen, was bei der für November 2014 geplanten
Landung von Philae auf einem Kometenkern alles schiefgehen könnte.

In der "Landing and Mobility Test Facility"
(LAMA) des DLR in Bremen testen die Ingenieure
ein Modell des Kometenlanders Philae. Dabei wird
die Landung auf unterschiedlichen Böden
simuliert.
Foto:
DLR |
Das Original des Kometenlanders Philae fliegt bereits seit dem 2.
März 2004 durchs Weltall und wartet im Schlafmodus an Bord der Sonde Rosetta
auf seine Ankunft am Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko. Die Philae-Modelle
am Boden hingegen müssen zurzeit einiges aushalten: Sie werden im Deutschen
Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) bis zur Belastungsgrenze getestet und
geprüft. Die Wissenschaftler und Ingenieure wollen auf die erstmalige Landung
auf einem Kometen im November 2014 bestens vorbereitet sein.
In Bremen setzt ein originalgetreues Lander-Modell deshalb immer wieder auf
dem Boden auf - mal in weichem Sand, mal auf hartem Boden, denn die
Oberflächenbeschaffenheit des Kometen kennt noch niemand. In Köln wird eine
Philae-Kopie mit Kommandos angefunkt und in Betrieb gesetzt. "Auf Probleme,
die wir jetzt bei Landung und Betrieb mit den Modellen simulieren, sind wir bei
der richtigen Landung dann gut vorbereitet", sagt Dr. Stephan Ulamec,
DLR-Projektleiter für den Kometenlander, der an Bord der europäischen Raumsonde
Rosetta unterwegs ist.
Es ist die Landung auf einem unbekannten Objekt: Über den genauen Landeplatz
werden die Wissenschaftler und Ingenieure erst nach der Ankunft der Rosetta-Sonde
mit Hilfe der ersten Kamerabilder entscheiden. Die exakte Anziehungskraft des
Himmelskörpers, die Beschaffenheit des Bodens - all das kennen die
Wissenschaftler nicht. "Der Komet könnte eine harte Eiskruste haben, es könnte
aber auch lockerer, pulveriger Boden sein", betont Lars Witte, verantwortlich
für die Tests mit einem der Philae-Modelle am DLR-Institut für
Raumfahrtsysteme in Bremen.
Immer wieder hat das dreibeinige Modell in Originalgröße am Roboterarm der "Landing
and Mobility Test Facility" (LAMA) die Landung auf dem Boden überstehen müssen.
Mal mit 1,10 Meter pro Sekunde, mal etwas langsamer. Mal im senkrechten Anflug,
mal mit geneigtem Aufsetzen. Mal in drei mit Sand gefüllten Töpfen, mal auf
einer robusten Platte. Selbst eine mit einem Ölfilm beschichtete Stahlplatte
haben die Wissenschaftler eingesetzt, um zu testen, wie der Lander reagiert,
wenn er nur geringe Bodenhaftung hat. Immer wieder haben sich während dieser
Tests die Eisschrauben in den Füßen des Landers herausgedreht, die Philae
Halt auf dem Kometen geben sollen.
"Wir testen letztendlich auch die Grenzen des Landers aus", sagt Witte.
Dessen filigrane Struktur sieht zerbrechlicher aus, als sie ist. Bei der Landung
fängt ein Dämpfer die Kräfte ab, die auf Philae wirken. Sobald der
kühlschrankgroße Lander mit zehn Instrumenten an Bord aufsetzt, schießen zwei
Harpunen in den Kometenboden und verankern Philae auf dem Kometen.
Statt der 100 Kilogramm Gewicht auf der Erde wird der Lander auf dem Kometen nur
ein Gewicht entsprechend einem Blatt Papier haben.
Es ist auch sehr wahrscheinlich, dass der Komet in Sonnennähe bereits aktiv
ist und sich der charakteristische Schweif aus Eis- und Staubpartikeln bildet.
Keine leichte Aufgabe für das Philae-Team, den Lander sicher auf den
Himmelskörper zu bringen. "Die Landung wird automatisch geschehen, denn ein
Steuerungskommando von der Erde zum Lander würde aufgrund der großen Entfernung
etwa eine halbe Stunde benötigen", betont DLR-Projektleiter Ulamec. Wenn die
entscheidende Phase beginnt, müssen die Wissenschaftler darauf vertrauen, dass
die Software an Bord perfekt funktioniert.
Im Kölner Nutzerzentrum für Weltraumexperimente (MUSC) muss deshalb ein
weiteres Philae-Modell zeigen, dass es auch mit Problemen und Pannen
zurechtkommt. Kabel, Verbindungen und Bauteile entsprechen originalgetreu dem
Innenleben von Philae, der bereits seit zehn Jahren durch das Weltall
fliegt. Allerdings: Nicht immer sind die Bauteile dort, wo sie am eigentlichen
Lander sitzen. In einem Schubkasten liegen die Fußsohlen, neben der Außenhülle
die Harpunen, die sich in den Boden bohren sollen. "Für uns ist wichtig, dass
die Verbindungen der einzelnen Bauteile wie beim Original sind - der Aufbau ist
für die Tests zweitrangig", erläutert Dr. Koen Geurts, technischer Projektleiter
für Philae.
Wenn die Raumsonde Rosetta mit Philae an Bord am Kometen
angelangt ist, wird der Betrieb des Landers von einem Team im Kontrollraum des
MUSC gesteuert. Über mehrere Computer steuern zwei Ingenieure das Landermodell
an. "Wir können alles simulieren, was dem Flugmodell geschehen könnte", sagt
Geurts. "Und auch Dinge, die wir eher nicht erleben wollen." Wie soll Philae
reagieren, wenn einzelne Subsysteme während des Abstiegs durch einen Kurzschluss
ausfallen? Was sind die ersten Abläufe nach einer erfolgreichen Landung? Die
Ingenieure proben die Widrigkeiten, die die Software dann autonom - ohne
Unterstützung vom Boden aus - lösen soll.
Kurz vor der Ankunft am Ziel wird die endgültige Prozedur zu Philae
ins All gesendet. Einmal auf Komet 67P/Churyumov-Gerasimenko gelandet, beginnt
dann unverzüglich die Arbeit für Philae. Bis zu mehreren Monaten sollen
die zehn Instrumente dann Daten für die Wissenschaftler liefern. Für drei
Instrumente trägt das DLR die Hauptverantwortung: Die Kamera ROLIS wird bereits
während der Landephase Aufnahmen von der Kometenoberfläche machen. Die
Instrumente SESAME und MUPUS sollen den Kometenkern untersuchen, die
Oberflächentemperatur messen und die Festigkeit des Kometen erforschen. "Die
erste Landung überhaupt auf einem Kometen ist eine sehr schwierige Mission",
sagt DLR-Projektleiter Ulamec. "Aber auch eine extrem spannende."
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