Blick ins frühe Universum
von Stefan Deiters astronews.com
13. März 2013
In Chile wurde heute das Atacama Large Millimeter/submillimeter
Array (ALMA), ein internationaler Radioteleskopverbund, feierlich eingeweiht.
Passend dazu präsentierten Astronomen faszinierende, auf frühen
ALMA-Beobachtungen beruhende Erkenntnisse über die Jugendzeit des Universums.
Danach setzte ein heftige Phase von Sternentstehung offenbar noch früher ein als
bislang gedacht.

Beispiel für eine der beobachteten entfernten
Galaxien. Die ALMA-Daten sind rot dargestellt.
Die blauen Daten sind Beobachtungen des
Weltraumteleskops Hubble und zeigen die Galaxien,
die für den Gravitationslinseneffekt
verantwortlich sind. Bild:
ALMA (ESO/NRAO/NAOJ), J. Vieira et al. [weitere
Beispiele] |
In der Jugendzeit unseres Universums dürften in massereichen hellen Galaxien
große Mengen an Sternen entstanden sein. Die Rate, mit der neue Sonnen geboren
wurden, lag damals viele Hundert Mal über der in heutigen Spiralgalaxien. Durch
Beobachtung von weit entfernten Galaxien versuchen Astronomen mehr über diese
Periode von Sternentstehung im jungen Universum zu erfahren.
"Je weiter eine Galaxie entfernt ist, desto weiter schauen wir in die
Zeit zurück ", erklärt Joaquin Vieira vom California Institute of
Technology, der das
Astronomenteam leitete. "Wenn wir also die Entfernung zu den Galaxien bestimmen,
können wir so eine Zeitleiste erstellen, die darüber Auskunft gibt, wie heftig
Sterne im Universum im Verlauf der vergangenen 13,7 Milliarden Jahre entstanden sind."
Das internationale Team hatte die entfernten Galaxien, in denen es offenbar
zu heftiger Sternentstehung kommt, mit dem zehn Meter durchmessenden South Pole Telescope
(SPT), einem Radioteleskop an der amerikanischen
Amundsen-Scott-Südpolstation, aufgespürt und dann das Atacama Large Millimeter/submillimeter
Array (ALMA) verwendet, um diesen stellaren Babyboom genauer zu untersuchen.
Zur Überraschung der Forscher waren die Galaxien weiter entfernt, als man es
zunächst für möglich gehalten hatte. Im Mittel dürfte sich danach die heftigste
Sternentstehung vor rund zwölf Milliarden Jahren ereignet haben und damit
weniger als zwei Milliarden Jahre nach dem Urknall. Bislang war man davon
ausgegangen, dass diese Phase etwa eine Milliarde Jahre später in der
Entwicklung des Universums liegt.
Bei zwei der untersuchten Galaxien handelt es sich um die entferntesten
Galaxien dieser Art, die jemals beobachtet wurden. Ihr Licht erreicht uns aus
einer Zeit, in der das Universum lediglich eine Milliarde Jahre alt war. In
einem der Systeme konnte man zudem Wassermoleküle nachweisen. Es ist die entfernteste
Beobachtung von Wasser im Universum, die bislang gelungen ist.
Mit ALMA wurde das Licht von insgesamt 26 solcher entfernten Galaxien bei
einer Wellenlänge von rund drei Millimetern gemessen. Das Licht stammt von
bestimmten Gasmolekülen in den Galaxien. Dessen Wellenlänge wurde dann durch die
Ausdehnung des Universums gestreckt. Durch Messung dieser gestreckten
Wellenlänge lassen sich die Entfernungen zu den Galaxien bestimmen und die
Systeme damit in die kosmische Geschichte einordnen.
"Dank der Empfindlichkeit von ALMA und des großen Wellenlängenbereichs des Teleskops
konnten wir diese Messungen innerhalb von wenigen Minuten bei jeder Galaxie
durchführen - das ist etwa Hundert Mal schneller als bisher", so Axel Weiss vom
Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn, der die Arbeiten zur
Entfernungsbestimmung der Galaxien leitete. "Zuvor wären Messungen wie diese ein
mühsamer Prozess gewesen, bei dem man Daten von Radioteleskopen und von
Teleskopen, die im sichtbaren Licht beobachten, hätte kombinieren müssen."
Für die meisten Galaxien reichten die ALMA-Daten zur Entfernungsbestimmung
aus, bei einigen mussten jedoch noch zusätzlich Beobachtungen anderer Teleskope
hinzugezogen werden. Dabei hatten die Astronomen für ihre Studie lediglich 16
Antennen von ALMA benutzen können, da sich das Teleskop damals noch im Bau
befand. ALMA, dessen feierliche Eröffnung heute in Chile stattfand, verfügt im
Endausbau über insgesamt 66 Radioschüsseln. Es ist somit künftig noch weitaus
empfindlicher, so dass noch lichtschwächere Galaxien beobachtet werden können.
Für die jetzt vorgestellte Studie konzentrierte man sich zunächst auf die
hellsten Systeme. Zudem erhielt man Unterstützung von der Natur in Form des
Gravitationslinseneffekts. Durch diesen wird das Licht einer entfernten Galaxie durch
die Masse von nähergelegenen massereichen Galaxien abgelenkt und die fernen
Galaxienbilder dadurch verstärkt.
Um herauszufinden, um wie viel die Bilder der entfernten Galaxien durch
diesen Effekt aufgehellt wurden, machten die Astronomen weitere Beobachtungen
mit ALMA in einem anderen Wellenlängenbereich. "Diese wunderschönen Bilder von
ALMA zeigen, wie die Bilder der Galaxien zu Lichtbögen um die
Vordergrundgalaxien verzerrt werden. Diese Lichtbögen bezeichnet man als
Einsteinringe", erklärt Yashar Hezaveh von der McGill University im kanadischen
Montreal, der die Untersuchung über die Gravitationslinsen leitete.
Die Helligkeit der entfernten Galaxien wurde durch den
Gravitationslinseneffekt um bis zu 22-fach verstärkt. "Bislang waren nur einige
durch den Gravitationslinseneffekt verstärkte Galaxien bei
Submillimeterwellenlängen bekannt", so Carlos De Breuck von der europäischen
Südsternwarte ESO. "Dank des SPT und ALMA haben wir nun Dutzende von ihnen
entdeckt." Bisher wurden entfernte Galaxien mithilfe des Gravitationslinseneffekts vor
allem im sichtbaren Bereich des Lichts untersucht, etwa mit dem Weltraumteleskop
Hubble. "Unsere Daten zeigen, dass ALMA ein neuer, sehr
leistungsstarker Spieler auf diesem Feld ist", so De Breuck.
Die Astronomen berichten über ihre Studie morgen in der Fachzeitschrift
Nature. Weitere Aspekte der Untersuchung werden in zwei Fachartikeln
beschrieben, die im Astrophysical Journal erscheinen.
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