Gewaltige Explosion in der Milchstraße?
Redaktion
/ Pressemitteilung der Universität Jena astronews.com
21. Januar 2013
Astrophysiker aus Jena glauben, dass die Erde vor über 1.200
Jahren von der Strahlung einer gewaltigen Explosion getroffen wurde, die sich in
unserer Milchstraße ereignet hat. Die Strahlung eines sogenannten Gamma-ray
Bursts würde nämlich den damaligen Anstieg bestimmter radioaktiver Isotope
in alten Zedern und im antarktischen Eis erklären.
So stellt sich
ein Künstler einen Gamma-Ray-Burst vor.
Bild: ESA / ECF |
Es ist das Ergebnis einer gewaltigen kosmischen Explosion: wenn zwei extrem
kompakte Himmelskörper miteinander verschmelzen, wird blitzartig eine riesige
Menge Energie freigesetzt. Ein kurzer Gammastrahlenblitz (im Englischen
Gamma-ray Burst) entsteht, dessen Strahlung durch das All rast. Solche
Blitze lassen sich auch noch in vielen tausend Lichtjahren Entfernung von der
Erde aus beobachten. Während die bisher registrierten Gammablitze jedoch stets
auf sehr weit entfernte Ereignisse im Weltall zurückgehen, haben Wissenschaftler
der Friedrich-Schiller-Universität Jena jetzt erstmals Hinweise auf einen kurzen
Gammastrahlenblitz aus unserer Galaxis gefunden - in kosmischen Dimensionen also
direkt vor unserer Haustür. Die Jenaer Astrophysiker berichten darüber in dieser
Woche in der Fachzeitschrift Monthly Notices of the Royal Astronomical
Society.
Prof. Dr. Ralph Neuhäuser und sein Mitarbeiter Dr. Valeri Hambaryan vom
Astrophysikalischen Institut der Uni Jena liefern mit ihrer Studie die erste
plausible Erklärung für ein Ereignis, das vor mehr als 1.200 Jahren unseren
Planeten erschütterte. Dessen Spuren reichen zurück bis ins frühe Mittelalter
der Jahre 774 und 775: Während Karl der Große das Langobardenreich in Nord- und
Mittelitalien erobert und sich zum König der Langobarden krönen lässt; während
er Krieg gegen die Sachsen führt und Leo IV. neuer Kaiser des Byzantinischen
Reiches wird; genau in dieser Zeit erreichte die Erde die Strahlung einer
gigantischen Sternenkollision. Die Folge: ein Schauer kosmischer Strahlung
sorgte für einen bisher nie beobachteten Anstieg des radioaktiven Kohlenstoffs
14C und des Beryllium-Isotops 10Be in der Erdatmosphäre.
"Wir gehen davon aus, dass es damals in 3.000 bis 12.000 Lichtjahren
Entfernung einen kurzen Gammablitz gegeben hat", erläutert Neuhäuser,
"wahrscheinlich durch die Verschmelzung zweier Schwarzer Löcher, Neutronensterne
oder Weißer Zwerge." Diese nur höchstens zwei Sekunden andauernde Explosion
setzte so viel Energie frei, dass davon in der Erdatmosphäre noch etwa die
Energiemenge von 14.000 Hiroshima-Atombomben ankam, vergleicht Neuhäuser.
Ob die Menschen das damals überhaupt bemerkt haben, sei allerdings fraglich.
Fest steht für die Forscher jedoch: "Würde sich ein solches Ereignis heute
wiederholen, so wären die Folgen spürbar", sagt Dr. Hambaryan. Zwar seien Mensch
und Natur durch die Atmosphäre vom Großteil der kosmischen Strahlung geschützt,
nicht aber die zahlreichen Satelliten, die die Erde umkreisen. Die würden
möglicherweise ausfallen oder beschädigt werden. Allerdings, so beruhigen die
Forscher, seien solche Ereignisse sehr selten - im Mittel komme es nur einmal in
Tausenden bis Zehntausenden von Jahren vor.
Dem Gammablitz auf die Spur kamen die Forscher im Sommer 2012 als japanische
Wissenschaftler in rund 3.000 Jahre alten Zedern einen sprunghaften Anstieg des
radioaktiven Kohlenstoff-Isotops 14C ausgemacht hatten. "Die Jahresringe der
Bäume erlauben eine sehr präzise Datierung dieses Anstiegs auf das Jahr 774 oder
775", erläutert Neuhäuser. Parallel ließ sich aus Bohrkernen aus dem
antarktischen Eis ablesen, dass im selben Zeitraum ebenfalls sehr große Mengen
10Be in der Erdatmosphäre entstanden und eingelagert wurden. Seither rätselten
die Forscher weltweit über die Ursachen des Anstiegs der radioaktiven Isotope.
"Sowohl die normale Sonnenaktivität als auch eine Supernova scheiden als
mögliche Ursachen aus", erklärt Neuhäuser.
Die Astrophysiker der Uni Jena haben daher die Möglichkeit eines kurzen
Gammablitzes als Quelle der kosmischen Strahlung geprüft und fanden ihre
Vermutung bestätigt. "Sowohl die Energie als auch das Spektrum der Strahlung,
die damals die Atmosphäre traf, lassen sich mit einem kurzen Gammablitz sehr
genau erklären", so Neuhäuser. Ein letzter Beweis stehe allerdings noch aus: die
Entdeckung der "Überreste" der kosmischen Kollision. Wenn es tatsächlich einen
kurzen Gammablitz gegeben hat, so muss dabei entweder ein neuer massereicher
Neutronenstern oder ein Schwarzes Loch entstanden sein.
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