Einblicke in das Innere des Mondes
von Stefan Deiters astronews.com
6. Dezember 2012
Wissenschaftler haben nun erste Resultate der primären
Missionsphase der beiden GRAIL-Sonden vorgestellt, die seit Jahresbeginn um den
Mond kreisen. Sie präsentierten die bislang detaillierteste Karte des
Schwerefelds des Erdtrabanten. Diese erlaubt Rückschlüsse auf den inneren Aufbau
des Mondes und seine Entstehungsgeschichte.

Die aus den
GRAIL-Daten berechneten Veränderungen des
Schwerefelds des Mondes, die sogenannten Gradienten. Starke
Veränderungen sind blau und rot dargestellt.
Bild: NASA/JPL-Caltech / CSM
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Die jetzt vorgestellte Schwerefeldkarte des Mondes, die auf Daten der Mission
Gravity Recovery and Interior Laboratory (GRAIL) beruht, gewährt den
Wissenschaftlern einen Einblick in die innere Struktur des Erdtrabanten und auch
auf seine Entstehungsgeschichte. Sie zeigt zahlreiche Strukturen auf der
Mondoberfläche, wie etwa die Ränder von Einschlagbecken, Zentralberge von
Kratern oder einfache Trichter, die durch Einschläge entstanden sind. Es handelt
sich um die ersten wissenschaftlichen Ergebnisse, die auf Daten der primären
Missionsphase von GRAIL beruhen. Sie werden in drei Fachartikeln in der
Wissenschaftszeitschrift Science beschrieben.
"Diese Karte zeigt uns, dass der Mond - deutlicher als jeder andere
Himmelskörper den wir kennen - mit seinem Gravitationsfeld nicht hinter dem Berg
hält", meint Maria Gruber vom Massachusetts Institute of Technology,
die verantwortliche Wissenschaftlerin für GRAIL. "Wo wir eine deutliche Änderung im
Schwerefeld registrieren, können wir sie mit bestimmten Strukturen auf der
Oberfläche, wie Kratern, Gräben oder Bergen abgleichen."
Im Schwerefeld des Mondes hätte sich somit die Geschichte von Einschlägen aus
dem All, die alle festen Objekte des Sonnensystems im Verlauf ihrer Entwicklung
maßgeblich beeinflusst haben, erhalten. Man sei zudem auf Hinweise gestoßen,
dass es bei diesen Einschlägen zu Brüchen im Inneren des Erdtrabanten gekommen
ist, die bis tief in die Kruste und eventuell sogar bis in den Mantel reichen.
Es hat sich auch gezeigt, dass die mittlere Dichte der Kruste im Hochland des
Mondes deutlich niedriger ist als man bislang angenommen hatte. Diese Daten
stimmen ausgezeichnet mit Messungen überein, die während der letzten
Apollo-Mondmission durchgeführt wurden und deuten darauf hin, dass die von den
Astronauten mitgebrachten Proben aus dieser Region tatsächlich repräsentativ für
globale Prozesse sein können.
"Unsere neuen Dichtebestimmungen der Mondkruste haben ergeben, dass sie eine
mittlere Dicke von 34 bis 43 Kilometern hat, was zwischen zehn und 20 Kilometer
weniger ist, als bislang angenommen", erläutert GRAIL-Teammitglied Mark
Wieczorek vom Institut de Physique du Globe de Paris. "Mit dieser Dicke der
Kruste ähnelt die globale Zusammensetzung des Mondes der der Erde. Dies liefert
Unterstützung für Modelle, nach denen der Mond aus Material von der Erde
besteht, das durch einen gewaltigen Einschlag in der Frühphase des Sonnensystems
ins All geschleudert wurde."
Die GRAIL-Mission besteht aus zwei Sonden, die in Formation um den Erdtrabanten
kreisen. Mithilfe von Radiosignalen bestimmen sie dabei ständig ihren Abstand
voneinander auf wenige Mikrometer genau. Der Abstand kann
sich beispielsweise ändern, wenn eine der Sonden durch eine Massenkonzentration
stärker angezogen
wird als die andere Sonde. Bei solchen Massenkonzentrationen kann es sich
um sichtbare Strukturen wie Gebirge oder aber um verborgene
Massenansammlungen unter der Oberfläche handeln.
"Wir haben mit Gradienten im Schwerefeld auch kleinere und schmalere Strukturen
untersuchen können als dies mit früheren Daten möglich war", erläutert Jeff
Andrews-Hanna von der Colorado School of Mines. "Dabei wurden zahlreiche lange,
lineare Schwerkraftanomalien sichtbar, deren Länge mehrere hundert Kilometer
beträgt und die sich überall auf der Oberfläche befinden. Sie deuten auf lange,
dünne, vertikale Strukturen aus erstarrtem Magma im Untergrund hin. Diese dürften
mit zu den ältesten Strukturen auf dem Mond zählen und werden uns viel über
seine frühe Geschichte verraten."
Die jetzt vorgestellten Daten von GRAIL stammen aus der Hauptmission der beiden
Sonde, die vom 1. März bis zum 29. Mai dauerte (astronews.com
berichtete). In dieser Zeit hatten die Sonden eine durchschnittliche
Flughöhe von 55 Kilometern. Für die am 17. Dezember zu Ende gehende erweiterte
Missionsphase, die am 30. August begonnen hat, wurde der Orbit der Sonden noch
einmal deutlich reduziert, um so noch detailliertere Daten gewinnen zu können.
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