Astronomen entdecken Grüne-Bohnen-Galaxien
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Bonn astronews.com
5. Dezember 2012
Astronomen sind auf eine neue Klasse von Galaxien gestoßen,
denen sie angesichts ihrer Farbe den Spitznamen Grüne-Bohnen-Galaxien gegeben
haben. Die intensive Strahlung aus der Umgebung gewaltiger Schwarzer Löcher in
ihren Zentren ist für das eigentümliche Leuchten verantwortlich. Die Objekte
gehören zu den seltensten Objekten im Universum.

Grüne Bohnen Galaxie: Die Aufnahme des
Canada-France-Hawaii Telescope zeigt das
ungewöhnliche grüne Objekt (Pfeil), das abgekürzt
J2240 genannt wird.
Bild: CFHT / ESO / Mischa
Schirmer [Großansicht] |
Das eigentümliche Objekt war dem Astronomen Dr. Mischa Schirmer
aufgefallen, als er am Argelander-Institut für Astronomie der Universität Bonn
auf einer Vielzahl langbelichteter Aufnahmen des Universums nach Galaxienhaufen
suchte. Ein Objekt auf einem Bild vom Canada-France-Hawaii Telescope
erregte dabei sofort seine Aufmerksamkeit: Es sah aus wie eine Galaxie, aber es
leuchtete hell in grün. "Es ähnelte keiner der Galaxien, die ich je zuvor
gesehen hatte - ein komplett unerwarteter Fund", so Schirmer, der auch Erstautor
eines Fachartikels über die Entdeckung ist, der demnächst im Astrophysical
Journal erscheint.
Er bewarb sich um Beobachtungszeit am Very Large Telescope (VLT) der
europäischen Südsternwarte ESO, um herauszufinden, woher das ungewöhnliche grüne
Leuchten stammt. "Die ESO gewährte mir kurzfristig Sonder-Beobachtungszeit, und
so wurde dieses bizarre Objekt bereits wenige Tage, nachdem ich den Antrag
eingereicht hatte, mit dem VLT beobachtet", berichtet der Astronom, der
inzwischen am Gemini Observatorium in Chile arbeitet.
Zehn Minuten, nachdem die Daten in Chile aufgenommen worden waren, hatte er
sie dann auch schon auf seinem Computer in Deutschland. "Mir wurde sofort klar,
dass ich etwas völlig Neuartiges vor mir hatte", erinnert sich Schirmer. Das
neue Objekt trägt die Bezeichnung SDSS J224024.1-092748 - kurz J2240. Es liegt
im Sternbild Wassermann, und sein Licht hat etwa 3,7 Milliarden Jahre gebraucht,
um die Erde zu erreichen.
Nach der Entdeckung fand Schirmers Team in einer Datenbank mit fast einer
Milliarde Galaxien 16 weitere Objekte mit ähnlichen Eigenschaften, die dann
durch Nachbeobachtungen mit dem Gemini South-Teleskop tatsächlich als
Grüne-Bohnen-Galaxien bestätigt wurden. "Diese Objekte sind so selten, dass es
durchschnittlich nur eines von ihnen in jedem gedachten Würfel mit einer
Kantenlänge von 1,3 Milliarden Lichtjahren gibt", so Schirmer. Der Spitzname
"Grünen Bohnen" rührt von ihrer Farbe und der Tatsache her, dass sie
oberflächlich betrachtet den sogenannten "Grüne-Erbsen-Galaxien" ähneln, die im
Jahr 2007 entdeckt wurden, aber deutlich kleiner sind (astronews.com
berichtete).
In vielen Galaxien emittiert die Materie in der Umgebung des
supermassereichen zentralen Schwarzen Lochs intensive Röntgen-Strahlung, die das
Material in seiner Umgebung ionisiert und zum Leuchten angeregt. Bei J2240 und
ähnlichen Objekten zeigten die Beobachtungen jedoch, dass der leuchtende Bereich
im Vergleich zu herkömmlichen Galaxien riesig ist und sich quasi über die
gesamte Galaxie erstreckt. "Im Fall von J2240 handelt es sich um eine der
größten und hellsten derartigen Regionen, die je gefunden wurden", erklärt
Schirmer. Das grüne Leuchten stammt von ionisiertem Sauerstoff. "Diese
leuchtenden Regionen sind sehr gut geeignet, um die Physik von Galaxien zu
untersuchen - in gewisser Weise ist es so, als könne man ein Fieberthermometer
in ein unfassbar weit entferntes Objekt stecken", erläutert der Astronom.
Weitere Auswertungen der Beobachtungsdaten enthüllten allerdings noch ein
Rätsel: Das Schwarze Loch im Zentrum von J2240 scheint viel weniger aktiv zu
sein, als aufgrund der Größe und Helligkeit der leuchtenden Region zu erwarten
gewesen wäre. Das Astronomen-Team nimmt daher an, dass es sich bei dem Leuchten
um das Echo einer vergangenen aktiveren Phase des Schwarzen Lochs handelt. Das
Aussehen der Grüne-Bohnen-Galaxien ist also ein Symptom eines gerade
verlöschenden aktiven Galaxienkerns und markiert damit eine sehr kurze Phase im
Leben einer Galaxie.
Im frühen Universum waren Galaxien allgemein viel aktiver als heute.
Massereiche Schwarze Löcher bildeten sich in ihren Zentren und verschluckten
Sterne und Gas aus der unmittelbaren Umgebung. Die dadurch erzeugte Leuchtkraft
war oft mehr als hundertmal so groß wie die Helligkeit aller Sterne in der
Galaxie zusammen. Lichtechos, wie man sie nun bei J2240 entdeckt hat,
ermöglichen es den Astronomen, den Abschaltprozess der aktiven Galaxienzentren
zu untersuchen. So wird es vielleicht möglich sein herauszufinden, wie, wann und
warum die Aktivität der Galaxienkerne aufhört - und warum heutige Galaxien so
viel weniger aktiv sind. Genau in dieser Richtung plant das Team nun weiter zu
forschen.
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