Ein seltener Zerfall und die Supersymmetrie
von Stefan Deiters astronews.com
13. November 2012
Teilchenphysiker am europäischen Forschungszentrum CERN
haben den extrem seltenen Zerfall von Bs-Mesonen in zwei Myonen beobachtet - ein
Ereignis, das bei einer Milliarde Zerfallsprozessen nur drei Mal vorkommen
sollte. Die Resultate stimmen hervorragend mit dem Standardmodell der Physiker
überein, allerdings nicht mit vielen Theorien über Supersymmetrie.
Forscher konnten
am LHC des CERN in Genf den seltenen Zerfall von
Bs-Mesonen in zwei Myonen beobachten.
Bild: LHCb/CERN |
Auf dem Hadron Collider Physics Symposium im japanischen Kyoto haben
Wissenschaftler des Large Hadron Collider beauty (LHCb)-Experimentes am
europäischen Kernforschungszentrum CERN in Genf am Montag Daten vorgestellt, aus
denen sich auf einen extrem seltenen Zerfall eines B-Meson schließen lässt.
Konkret wurde der Zerfall von Bs-Mesonen beobachtet, die aus einem Bottom-Anti-Quark-Teilchen
und einem Strange-Quark-Teilchen zusammengesetzt sind.
Der Zerfall dieses Bs-Meson in zwei Myonen lässt sich im Standardmodell der
Teilchenphysiker exakt vorhersagen. Eine Abweichung von dieser Vorhersage wäre
für die Physiker ein Hinweis darauf, dass mit dem Standardmodell etwas nicht
stimmt und es beispielsweise neue, bislang unbekannte Teilchen gibt, wie sie
etwa von der Supersymmetrie-Theorie vorhergesagt werden.
Für die gestern in Kyoto vorgestellten Ergebnisse haben die Wissenschaftler
Daten des LHCb-Experimentes am CERN aus diesem Jahr sowie aus dem vergangenen
Jahr ausgewertet und dabei erstmals mit einer hinreichenden Sicherheit den
gesuchten Zerfall des Bs-Meson nachweisen können. "Theoretiker haben
ausgerechnet, dass sich nach dem Standardmodell dieser Zerfall dreimal bei
jeweils einer Milliarde Zerfallsprozessen ereignen sollte", so Dr. Pierluigi
Campana, der Sprecher der LHCb-Kollaboration in einer Mitteilung des CERN.
"Diese ersten Messungen ergeben einen Wert von 3,2 (+1,5/-1,2) pro Milliarde,
was in sehr guter Übereinstimmung mit der Vorhersage ist."
Für Anhänger der Theorie der Supersymmetrie, die eine neue Art von Teilchen
postuliert, die auch als Erklärung für die Dunkle Materie dienen könnten, dürfte
das jetzt vorgestellte Ergebnis nicht unbedingt ein Grund zum Feiern sein, sagen
doch viele ihrer Modelle eine deutlich höhere Zerfallsrate voraus. "Dieser
Zerfallskanal ist ein sehr präziser Marker für Effekte einer neuen Physik", so
Campana. "Supersymmetrie ist durch unsere Messungen zwar nicht ausgeschlossen,
die Möglichkeiten sind aber nun deutlich eingeschränkt. Die Messungen waren eine
Art Gesundheitstest für das Standardmodell und dieses scheint heute erheblich
gesünder zu sein als es noch gestern war."
"Wenn es eine neue Physik gibt, dann versteckt sie sich sehr gut hinter dem
Standardmodell", sagte auch der Physiker Dr. Marc-Olivier Bettler aus Cambridge
dem britischen Sender BBC. Und sein Kollege Prof. Chris Parkes, der Leiter der
britischen Beteiligung am LHCb-Experiment ergänzt: "Supersymmetrie ist
vielleicht nicht tot, liegt aber nach den jüngsten Ergebnissen sicherlich im
Krankenhaus."
Sollte aber die Supersymmetrie als Erklärung für die Dunkle Materie ausscheiden,
müssten sich die Wissenschaftler nach anderen Alternativen umsehen. Die Anhänger
der Supersymmetrie allerdings geben sich noch nicht geschlagen. Prof. John Ellis
vom King's College in London etwa hält die jetzt vorgestellten
Ergebnisse für "relativ konsistent mit Supersymmetrie" und meinte gegenüber der
BBC: "Genaugenommen haben einige Supersymmetrie-Modelle genau dies vorhergesagt.
Mir werden diese Resultate mit Sicherheit keine schlaflosen Nächte bereiten."
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