Detaillierter Blick auf über 600 Galaxien
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Astronomie astronews.com
7. November 2012
Die derzeit am spanischen Calar-Alto-Observatorium laufende
CALIFA-Durchmusterung soll detaillierte Spektren von über 600 Galaxien unserer
kosmischen Umgebung liefern. Aus diesen lassen sich dann Informationen über die
Dynamik und die chemische Zusammensetzung der Systeme ableiten. Jetzt wurde der
erste Datensatz mit 100 Galaxien veröffentlicht.

Die CALIFA-Durchmusterung liefert detaillierte
Informationen über 600 Galaxien im lokalen
Universum, wie etwa die ruhige elliptische
Galaxie NGC 6125 (oben) und die Spiralgalaxie NGC
2916, in der sich auch heute noch neue Sterne
bilden (unten).
Bild: CALIFA-Team / M. Lyubenova (MPIA)
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Galaxien bilden praktisch das Grundgerüst des Universums. Diese
eindrucksvollen Systeme können aus einige Millionen bis zu mehreren Hundert
Milliarden Sternen bestehen und außerdem noch Gas, Staubwolken und Dunkle
Materie enthalten. "Die dynamischen Vorgänge in Galaxien und ihre Wechselwirkung
untereinander zu verstehen ist ein wichtiger Baustein unseres Verständnisses
unserer kosmischen Umwelt" sagt Dr. Glenn van de Ven vom Max-Planck-Institut für
Astronomie (MPIA), ein Mitglied des CALIFA Managing Board. "Sie haben die
Galaxien zu dem gemacht, was sie heute sind."
Üblicherweise müssen sich Astronomen, die Galaxien beobachten, zwischen
komplementären Beobachtungstechniken entscheiden. Bilden sie eine Galaxie mit
einer astronomischen Kamera ab, dann halten sie zwar das Aussehen der Galaxie
fest, können aber nicht gleichzeitig eine detaillierte Lichtanalyse vornehmen,
also ein Spektrum aufnehmen. Benutzen sie dagegen einen Spektrografen, um das
Licht zu analysieren, dann erhalten sie damit nur wenig Information über das
Erscheinungsbild der Galaxie oder über die räumliche Verteilung bestimmter
spektraler Eigenschaften.
Die Integral-Field-Spektroskopie (IFS), die sich zunehmender Beliebtheit
erfreut, verbindet die Vorteile beider Methoden. Das IFS-Instrument PMAS am
3,5-Meter-Teleskop des Calar Alto-Observatoriums beispielsweise leitet das Licht
aus 350 Teilabschnitten eines Galaxienbildes mithilfe ebenso vieler Glasfasern
einer spektroskopischen Analyse zu. So erhält man für alle diese Bildabschnitte
gleichzeitig Daten etwa zu chemischer Zusammensetzung der Materie und zur
Bewegung der Sterne, aus denen sich dann detaillierte Karten der Eigenschaften
der Galaxie erstellen lassen.
Für die CALIFA-Durchmusterung, CALIFA steht für "Calar Alto Legacy Integral
Field Area", wurden mehr als 900 Galaxien in unserer kosmischen
Nachbarschaft, also in Entfernungen zwischen 70 und 400 Millionen Lichtjahren
von unserer Heimatgalaxie, ausgesucht, die am Nordhimmel stehen und jeweils ganz
in das Blickfeld des PMAS-Instruments hineinpassen. Alle verschiedenen
Galaxientypen sind in der Stichprobe vertreten - von elliptischen Galaxien bis
zu majestätischen Spiralgalaxien wie der Milchstraße oder der Andromedagalaxie.
Das Observatorium auf dem spanischen Calar Alto, das vom Max-Planck-Institut
für Astronomie und dem Astrophysikalischen Institut Andalusien in Granada
betrieben wird, hat der CALIFA-Durchmusterung über drei Jahre hinweg 250
Beobachtungsnächte mit dem 3,5-Meter-Teleskop zugewiesen. CALIFA ist ein
Gemeinschaftsprojekt von mehr als 80 Wissenschaftlern aus 25 verschiedenen
Forschungsinstituten in 13 verschiedenen Ländern. In der vorgesehenen
Beobachtungszeit sollten genaue Untersuchungen von rund 600 dieser ausgewählten
Galaxien möglich sein.
Die Daten, die CALIFA liefert, könnten das Verständnis der Astronomen von der
Galaxiendynamik umkrempeln. Dr. Knud Jahnke, einer der Mitbegründer von CALIFA,
findet dabei ein Themengebiet besonders spannend: "In diesen Galaxien werden
große Gasmengen ionisiert - intensive Strahlung schlägt Elektronen aus den
Gasatomen heraus. Mit CALIFA können wir diese Vorgänge so detailliert
untersuchen wie nie zuvor." Mit teils überraschenden Konsequenzen, wie der
Doktorand Robert Singh ergänzt: "Die letzten 30 Jahre lang waren Astronomen
überzeugt, zu wissen, was die Quelle dieser ionisierenden Strahlung ist. Aber
unsere erste Analyse von CALIFA-Daten liefert überzeugende Anzeichen dafür, dass
die bisherige Erklärung schlicht falsch ist."
"Sogar die mysteriöse Dunkle Materie in diesen Galaxien wird sich nicht
länger vor uns verstecken können", fügt Dr. Mariya Lyubenova hinzu, die
ebenfalls am MPIA arbeitet. Dunkle Materie ist für rund 20 Prozent der
Gesamtenergie des Universums verantwortlich, aber ihre genaue Verteilung in
Galaxien ist nicht einfach zu bestimmen. Da Dunkle Materie keinerlei Licht
abstrahlt, kann sie nicht direkt beobachtet werden. Über ihre Schwerkraft
beeinflusst sie allerdings die Bewegungen von Gas und Sternen einer Galaxie. Die
kann CALIFA mit hoher Genauigkeit vermessen und so die Verteilung von Dunkler
Materie in den beobachteten Galaxien nachweisen.
Ein wichtiger Punkt für die Astronomen ist, dass es sich bei CALIFA um einen
sogenannten "Legacy Survey" handelt: Die CALIFA-Daten werden allen
Wissenschaftlern weltweit frei zugänglich gemacht. Jetzt ist der erste Datensatz
mit 100 Galaxien freigegeben worden. CALIFA ist die erste
Integral-Field-Spektroskopie-Studie, die in dieser Weise frei zugänglich gemacht
wird. Ist die Durchmusterung abgeschlossen, dann wird sie die größte ihrer Art
sein.
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