Die verborgenen Seiten eines Sturms
von Stefan Deiters astronews.com
25. Oktober 2012
Das gesamte letzte Jahr über tobte auf der Nordhalbkugel des
Ringplaneten Saturn ein gewaltiger Sturm. Beobachtungen mit Infrarotteleskopen
von der Erde und Untersuchungen der Saturnsonde Cassini haben nun
gezeigt, dass die Folgen diese Riesensturms noch immer in der Atmosphäre des
Planeten zu sehen sind. Zudem machten die Astronomen einige überraschende
Entdeckungen.

Diese Aufnahme
der Sonde Cassini vom 25. Februar 2011 zeigt den
eindrucksvollen Sturm auf der Nordhalbkugel des
Ringplaneten.
Bild: NASA/JPL-Caltech/Space Science
Institute |
Seit Dezember 2010 hatte sich in den mittleren nördlichen Breiten der Atmosphäre
des Ringplaneten Saturn ein gewaltiges Sturmsystem entwickelt, das bald den
gesamten Planeten umspannte (astronews.com
berichtete) und fast das ganze letzte Jahr über zu beobachten war. Jetzt
haben Beobachtungen von erdgebundenen Teleskopen und der Saturnsonde Cassini
gezeigt, dass sich die dramatischen Folgen dieses Sturms in der Atmosphäre noch
bemerkbar machten, als er im sichtbaren Bereich des Lichts nicht mehr zu sehen
war. Und sie dauern bis heute an.
Mit Hilfe des Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte ESO,
der Infrared Telescope Facility der NASA auf Hawaii und der Saturnsonde
Cassini untersuchten die Wissenschaftler die Temperatur, die
Windgeschwindigkeiten und die Zusammensetzung der Saturnatmosphäre und bemerkten
bald, dass der eindrucksvolle, im sichtbaren Bereich des Lichts erkennbare Sturm
nur ein Aspekt dieses Wetterphänomens war. Ein großer Teil der Aktivität spielte
sich im Verborgenen ab und dauert teilweise bis heute an.
Nach Entstehung des Sturms in der Troposphäre des Saturn bildeten sich zunächst
zwei deutlich heißere Regionen in der Atmosphäre. Diese hätten sich eigentlich,
so die Vermutung der Forscher, langsam abkühlen und auflösen müssen, doch
verschmolzen sie bis Ende April 2011 zu einem gewaltigen Wirbel, der für kurze
Zeit sogar größer war als der berühmte Große Rote Fleck in der Atmosphäre des
Gasriesen Jupiter. Zu diesem Zeitpunkt umspannten die sichtbaren Wolkenbänder
des Sturms bereits den gesamten Planeten.
"Es ist das erste Mal, dass wir so etwas auf einem Planeten des Sonnensystems
gesehen haben" meint Leigh Fletcher von der University of Oxford, der
Erstautor eines Fachartikels über die Untersuchungen, der in der Zeitschrift
Icarus erscheint. "Es ist äußerst ungewöhnlich, da wir den Wirbel nur in
infraroten Wellenlängen sehen können - wir können ihn nicht erkennen, wenn wir
uns nur die Wolkendecke anschauen."
Die Temperatur in diesem Wirbel war zudem deutlich höher als es die
Wissenschaftler erwartet hatten: Sie lag rund 80 Grad Celsius über der
Umgebungstemperatur. Gleichzeitig registrierten die Forscher ungewöhnlich große
Menge von Ethen in der Atmosphäre, ein geruchsloses und farbloses Gas, das
eigentlich nicht zu den typischen Gasen der Saturnatmosphäre gehört. Wie es
entstand, ist den Wissenschaftlern noch ein Rätsel. Die entsprechenden
Untersuchungen werden in einem zweiten Artikel beschrieben, der in der
Zeitschrift Astrophysical Journal erscheinen wird.
Ganz wie der Große Rote Fleck auf Jupiter scheint der Wirbel in der
Saturnatmosphäre seinen inneren Bereich von der Umgebung abzuschirmen und so die
ungewöhnliche chemische Zusammensetzung und Temperatur in seinem Inneren zu
erhalten. "Jupiters Wirbel liegt allerdings tief unten in einer turbulenten
'Wetterzone', während sich der gewaltige Wirbel auf Saturn weiter oben in der
Atmosphäre befindet, wo man normalerweise nie erwarten würde, dass sich hier so
etwas bilden kann," erläutert Fletcher.
Trotz gewisser Ähnlichkeiten scheinen sich beide Sturmsysteme daher auch
fundamental zu unterscheiden: Der Große Rote Fleck existiert seit mindestens 300
Jahren, während der Wirbel auf dem Saturn allmählich abkühlt und langsam
schrumpft. Die Astronomen vermuten, dass er bis Ende 2013 komplett verschwunden
sein wird. Die Frage ist nun, ob sich auf der Nordhalbkugel des Ringplaneten, wo
gerade Frühling ist, in den kommenden Jahren noch weitere Stürme bilden.
Cassini wird jedenfalls nach entsprechenden Hinweisen suchen. Die Mission
soll noch bis 2017 weitergehen, wenn auf der Nordhalbkugel Saturns der Sommer
beginnt.
|