Galaxie in der Frühphase des Universums
Redaktion
/ Pressemitteilung der Universität Heidelberg astronews.com
20. September 2012
Astronomen haben mithilfe der Weltraumteleskope Hubble
und Spitzer eine Galaxie entdeckt, die so weit von uns entfernt ist,
dass wir sie nur 490 Millionen Jahre nach dem Urknall sehen. Das Aufspüren des
entfernten Systems gelang nur mithilfe eines massereichen Galaxienhaufens, der
als kosmisches Vergrößerungsglas wirkt und das schwache Leuchten der Galaxie
verstärkt.
Die Galaxie MACS1149-JD1 auf Bildern des
Weltraumteleskops Hubble. Die Übersichtsansicht
links wird vom Galaxienhaufen MACS J1149+2223
dominiert, der das Licht der entfernten Galaxie
etwa 15-fach verstärkt.
Bild: NASA / ESA / STScI / JHU
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Ein internationales Forscherteam hat eine Galaxie entdeckt, die
so weit von uns entfernt ist, dass wir sie im extrem jungen Universum beobachten können:
Die Galaxie mit dem Namen MACS1149-JD1 hat sich offenbar bereits weniger als 500
Millionen Jahre nach dem Urknall gebildet. Sie könnte damit die am weitesten
entfernte Galaxie sein, die Wissenschaftler bislang beobachten konnten. Möglich wurde
die Entdeckung mithilfe eines natürlichen "Leuchtkraftverstärkers" des
Universums, einer sogenannten "Gravitationslinse". Über ihren Fund berichten die Astronomen in der heute erscheinenden Ausgabe der
Wissenschaftszeitschrift Nature.
Das Universum entstand vor rund 13,7 Milliarden Jahren durch den Urknall.
Rund 400 bis 500 Millionen Jahre später ließen die Bedingungen im Kosmos die
Bildung der ersten Sterne zu. "Eigentlich bestand kaum Hoffnung, Signale
irgendeines Objekts aus dieser Epoche zu erhalten. Denn sollte es damals schon
Galaxien gegeben haben, so wäre ihr Schein noch sehr viel schwächer als das
Leuchten einer Kerze auf dem Mond. Kein Teleskop der Welt wäre derzeit in der
Lage, ein solches Objekt zu entdecken", erklärt Prof. Dr. Matthias Bartelmann
vom Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg, der an der jetzt
vorgestellten Studie beteiligt war.
Doch die Astronomen hatten Glück: Ihnen kam ein natürlicher
"Leuchtkraftverstärker" zu Hilfe, eine sogenannte Gravitationslinse: Massereiche
Objekte lenken das Licht ab und besonders massereiche Galaxienhaufen in einem
bestimmten Abstand zur Erde können so wie ein Lupenglas wirken und noch
entferntere Objekten vergrößern und ihr Licht bündeln, so dass sie heller
erscheinen. Der Galaxienhaufen MACS J1149+2223 hatte genau diesen Effekt und
ermöglichte so die Entdeckung der entfernten Galaxie MACS1149-JD1.
"Galaxien, die sich gerade in einer intensiven Phase der Sternentstehung
befinden, weisen in ihrer spektralen Energieverteilung bestimmte
unverwechselbare und charakteristische Abstufungen auf. Diese lassen sich
aufspüren, indem eine Galaxie mit einem Teleskop durch verschiedene Filter
beobachtet wird", erläutert Dr. Adi Zitrin aus Bartelmanns Arbeitsgruppe. Diese charakteristischen Signaturen im Spektrum der Galaxie verschieben
sich allerdings - aufgrund der Ausdehnung des Universum - in Abhängigkeit der Entfernung einer Galaxie von der
Erde. Die Astronomen sprechen dabei von der sogenannten Rotverschiebung, die im
Fall von MACS1149-JD1 einen Wert von 9,6 hat. Das Licht der Galaxie benötigte 13,2 Milliarden Jahre,
um die
Erde zu erreichen.
Entscheidende Hinweise, die zur Entdeckung von MACS1149-JD1 führten, lieferte
eine in Heidelberg mitentwickelte Analysemethode. Dabei wird die Verformung der
Teleskop-Bilder von weit hinter den Galaxienhaufen liegenden Galaxien vermessen,
die durch die in diesen Galaxienhaufen vorhandene Masse hervorgerufen wird. Im
Fall des Galaxienhaufen MACS1149+22 konnten die Wissenschaftler insgesamt sieben
Hintergrundgalaxien entdecken, deren Bild durch die Gravitationskraft des
Galaxienhaufens verstärkt, verzerrt und in 23 Mehrfachbilder aufgespaltet wurde.
Daraus ließ sich vorhersagen, wo sich eine leuchtkraftverstärkte Galaxie bei
einer Rotverschiebung von 9,6 befinden müsste. Wir sehen sie damit zu einem
Zeitpunkt, zu dem das Universum nur rund 490 Millionen Jahre alt ist.
"Diese Galaxie ist das entfernteste Objekt, das wir bislang mit großer
Sicherheit beobachten konnten", so Prof. Dr. Wei Zheng von der Johns Hopkins
University in Baltimore, der die Untersuchung leitete. Es ist bei MACS1149-JD1
zudem erstmals gelungen, eine so entfernte Galaxie nicht nur in einem
Wellenlängenbereich nachzuweisen, sondern gleich in mehreren: Das
Weltraumteleskop Hubble konnte MACS1149-JD1 in vier
Wellenlängenbereichen im sichtbaren Bereich des Lichts und in einem infraroten
beobachten, das Infrarot-Weltraumteleskop Spitzer zudem in einem
zusätzlichen infraroten Wellenlängenbereich. Die Entdeckung gelang im Rahmen des
Programms Cluster Lensing And Supernova Survey with Hubble.
Basierend auf den Daten von Hubble und Spitzer vermuten die
Astronomen, dass sie die entfernte Galaxie in einem Alter von weniger als 200
Millionen Jahren beobachten. Es handelt sich um eine kleine und kompakte
Galaxie, deren Masse nur etwa einem Prozent der Masse der Milchstraße
entspricht. Dies passt zu den aktuellen Theorien über die Entwicklung von
Galaxien, nach denen die ersten Systeme relativ klein waren und sich dann durch
wiederholte Verschmelzungen zu den Galaxien entwickelt haben, die wir heute in
unserer Nachbarschaft beobachten können.
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